Lasset nur den Wein tapfer durch die Gurgel laufen, alter Kriegs¬ knecht, der wird Euch die Flüss' schon 'naus treiben. Daß dich! aber jetzt muß ich mich verwundern, daß der Fischerhanne auch so viel Ku¬ rasche hat und in's Wirthshaus geht! Nun, du darfst dir heut schon was gonnen: hast gewiß bei dem gestrigen Fang etwas Schön's ver¬ dient, gelt?
Der Fischer schmunzelte. Wenn man sich für den Flecken in Ge¬ fahr begibt, sagte er, so könnt' man, denk' ich, mehr ansprechen, als die paar Gulden, aber doch ist's immer besser als gar nichts.
Die Gefahr muß nicht so groß gewesen sein, bemerkte der Müller: wie ich hör', habt ihr ihn mit der Schling' gefangen?
Ja! rief ein Anderer. Die Schling' ist ein Einfall vom Fischer¬ hanne gewesen. Das ist das sicherste Mittel: wenn Einer nicht weich geben will, so zieht man eben zu, dann vergeht ihm die Kraft und er wird zahm wie ein Lamm.
Ich hätt' zugezogen bis er hin gewesen wär', versicherte der Fischer, denn wenn der loskommen wär', so möcht' ich doch auch sehen, wer mir behaupten könnt', es hab' kein' Gefahr gehabt.
Gottlob, sagte der Müller, daß der Kerl aufgehoben ist. Jetzt kann man doch wieder ruhig schlafen und ungeängstigt leben. Ich hoff', dasmal werden sie ihn fester verwahren, daß man endlich sicher vor ihm ist. Warum schüttelt Ihr den Kopf, Profoß? Meint Ihr, er werd' doch wieder auskommen, oder wär's Euch lieb?
Nein, erwiderte dieser, für ihn selber wär's das Best', er blieb' gefangen, wie er ist. Was kann ihm die Freiheit werth sein, wenn die ganz' Welt immer mit Stecken und Stangen auf ihn aus ist, um ihn zu fangen? Ich mein' nur, 's ist halt doch curios, daß ein ganzer Flecken mit so viel starken Männern vor dem einzigen Menschen zittert. Und was hat er eigentlich gethan?
Was er gethan hat? schrie Alles zusammen. Ist er nicht von Hohentwiel ausbrochen?
Nun ja, sagte der Invalide, das thät' Jeder von uns auch, wenn ihm das Gefängniß entleidet wär', und er wär' so geschickt wie er, um eine halbe Unmöglichkeit zu vollbringen. Und zweimal aus dem Zuchthaus! sagte der Müller.
Laſſet nur den Wein tapfer durch die Gurgel laufen, alter Kriegs¬ knecht, der wird Euch die Flüſſ' ſchon 'naus treiben. Daß dich! aber jetzt muß ich mich verwundern, daß der Fiſcherhanne auch ſo viel Ku¬ raſche hat und in's Wirthshaus geht! Nun, du darfſt dir heut ſchon was gonnen: haſt gewiß bei dem geſtrigen Fang etwas Schön's ver¬ dient, gelt?
Der Fiſcher ſchmunzelte. Wenn man ſich für den Flecken in Ge¬ fahr begibt, ſagte er, ſo könnt' man, denk' ich, mehr anſprechen, als die paar Gulden, aber doch iſt's immer beſſer als gar nichts.
Die Gefahr muß nicht ſo groß geweſen ſein, bemerkte der Müller: wie ich hör', habt ihr ihn mit der Schling' gefangen?
Ja! rief ein Anderer. Die Schling' iſt ein Einfall vom Fiſcher¬ hanne geweſen. Das iſt das ſicherſte Mittel: wenn Einer nicht weich geben will, ſo zieht man eben zu, dann vergeht ihm die Kraft und er wird zahm wie ein Lamm.
Ich hätt' zugezogen bis er hin geweſen wär', verſicherte der Fiſcher, denn wenn der loskommen wär', ſo möcht' ich doch auch ſehen, wer mir behaupten könnt', es hab' kein' Gefahr gehabt.
Gottlob, ſagte der Müller, daß der Kerl aufgehoben iſt. Jetzt kann man doch wieder ruhig ſchlafen und ungeängſtigt leben. Ich hoff', dasmal werden ſie ihn feſter verwahren, daß man endlich ſicher vor ihm iſt. Warum ſchüttelt Ihr den Kopf, Profoß? Meint Ihr, er werd' doch wieder auskommen, oder wär's Euch lieb?
Nein, erwiderte dieſer, für ihn ſelber wär's das Beſt', er blieb' gefangen, wie er iſt. Was kann ihm die Freiheit werth ſein, wenn die ganz' Welt immer mit Stecken und Stangen auf ihn aus iſt, um ihn zu fangen? Ich mein' nur, 's iſt halt doch curios, daß ein ganzer Flecken mit ſo viel ſtarken Männern vor dem einzigen Menſchen zittert. Und was hat er eigentlich gethan?
Was er gethan hat? ſchrie Alles zuſammen. Iſt er nicht von Hohentwiel ausbrochen?
Nun ja, ſagte der Invalide, das thät' Jeder von uns auch, wenn ihm das Gefängniß entleidet wär', und er wär' ſo geſchickt wie er, um eine halbe Unmöglichkeit zu vollbringen. Und zweimal aus dem Zuchthaus! ſagte der Müller.
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0359"n="343"/><p>Laſſet nur den Wein tapfer durch die Gurgel laufen, alter Kriegs¬<lb/>
knecht, der wird Euch die Flüſſ' ſchon 'naus treiben. Daß dich! aber<lb/>
jetzt muß ich mich verwundern, daß der Fiſcherhanne auch ſo viel Ku¬<lb/>
raſche hat und in's Wirthshaus geht! Nun, du darfſt dir heut ſchon<lb/>
was gonnen: haſt gewiß bei dem geſtrigen Fang etwas Schön's ver¬<lb/>
dient, gelt?</p><lb/><p>Der Fiſcher ſchmunzelte. Wenn man ſich für den Flecken in Ge¬<lb/>
fahr begibt, ſagte er, ſo könnt' man, denk' ich, mehr anſprechen, als<lb/>
die paar Gulden, aber doch iſt's immer beſſer als gar nichts.</p><lb/><p>Die Gefahr muß nicht ſo groß geweſen ſein, bemerkte der Müller:<lb/>
wie ich hör', habt ihr ihn mit der Schling' gefangen?</p><lb/><p>Ja! rief ein Anderer. Die Schling' iſt ein Einfall vom Fiſcher¬<lb/>
hanne geweſen. Das iſt das ſicherſte Mittel: wenn Einer nicht weich<lb/>
geben will, ſo zieht man eben zu, dann vergeht ihm die Kraft und er<lb/>
wird zahm wie ein Lamm.</p><lb/><p>Ich hätt' zugezogen bis er hin geweſen wär', verſicherte der Fiſcher,<lb/>
denn wenn <hirendition="#g">der</hi> loskommen wär', ſo möcht' ich doch auch ſehen, wer<lb/>
mir behaupten könnt', es hab' kein' Gefahr gehabt.</p><lb/><p>Gottlob, ſagte der Müller, daß der Kerl aufgehoben iſt. Jetzt<lb/>
kann man doch wieder ruhig ſchlafen und ungeängſtigt leben. Ich<lb/>
hoff', dasmal werden ſie ihn feſter verwahren, daß man endlich ſicher<lb/>
vor ihm iſt. Warum ſchüttelt Ihr den Kopf, Profoß? Meint Ihr,<lb/>
er werd' doch wieder auskommen, oder wär's Euch lieb?</p><lb/><p>Nein, erwiderte dieſer, für ihn ſelber wär's das Beſt', er blieb'<lb/>
gefangen, wie er iſt. Was kann ihm die Freiheit werth ſein, wenn<lb/>
die ganz' Welt immer mit Stecken und Stangen auf ihn aus iſt, um<lb/>
ihn zu fangen? Ich mein' nur, 's iſt halt doch curios, daß ein ganzer<lb/>
Flecken mit ſo viel ſtarken Männern vor dem einzigen Menſchen<lb/>
zittert. Und was hat er eigentlich gethan?</p><lb/><p>Was er gethan hat? ſchrie Alles zuſammen. Iſt er nicht von<lb/>
Hohentwiel ausbrochen?</p><lb/><p>Nun ja, ſagte der Invalide, das thät' Jeder von uns auch, wenn<lb/>
ihm das Gefängniß entleidet wär', und er wär' ſo geſchickt wie er, um<lb/>
eine halbe Unmöglichkeit zu vollbringen.<lb/>
Und zweimal aus dem Zuchthaus! ſagte der Müller.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[343/0359]
Laſſet nur den Wein tapfer durch die Gurgel laufen, alter Kriegs¬
knecht, der wird Euch die Flüſſ' ſchon 'naus treiben. Daß dich! aber
jetzt muß ich mich verwundern, daß der Fiſcherhanne auch ſo viel Ku¬
raſche hat und in's Wirthshaus geht! Nun, du darfſt dir heut ſchon
was gonnen: haſt gewiß bei dem geſtrigen Fang etwas Schön's ver¬
dient, gelt?
Der Fiſcher ſchmunzelte. Wenn man ſich für den Flecken in Ge¬
fahr begibt, ſagte er, ſo könnt' man, denk' ich, mehr anſprechen, als
die paar Gulden, aber doch iſt's immer beſſer als gar nichts.
Die Gefahr muß nicht ſo groß geweſen ſein, bemerkte der Müller:
wie ich hör', habt ihr ihn mit der Schling' gefangen?
Ja! rief ein Anderer. Die Schling' iſt ein Einfall vom Fiſcher¬
hanne geweſen. Das iſt das ſicherſte Mittel: wenn Einer nicht weich
geben will, ſo zieht man eben zu, dann vergeht ihm die Kraft und er
wird zahm wie ein Lamm.
Ich hätt' zugezogen bis er hin geweſen wär', verſicherte der Fiſcher,
denn wenn der loskommen wär', ſo möcht' ich doch auch ſehen, wer
mir behaupten könnt', es hab' kein' Gefahr gehabt.
Gottlob, ſagte der Müller, daß der Kerl aufgehoben iſt. Jetzt
kann man doch wieder ruhig ſchlafen und ungeängſtigt leben. Ich
hoff', dasmal werden ſie ihn feſter verwahren, daß man endlich ſicher
vor ihm iſt. Warum ſchüttelt Ihr den Kopf, Profoß? Meint Ihr,
er werd' doch wieder auskommen, oder wär's Euch lieb?
Nein, erwiderte dieſer, für ihn ſelber wär's das Beſt', er blieb'
gefangen, wie er iſt. Was kann ihm die Freiheit werth ſein, wenn
die ganz' Welt immer mit Stecken und Stangen auf ihn aus iſt, um
ihn zu fangen? Ich mein' nur, 's iſt halt doch curios, daß ein ganzer
Flecken mit ſo viel ſtarken Männern vor dem einzigen Menſchen
zittert. Und was hat er eigentlich gethan?
Was er gethan hat? ſchrie Alles zuſammen. Iſt er nicht von
Hohentwiel ausbrochen?
Nun ja, ſagte der Invalide, das thät' Jeder von uns auch, wenn
ihm das Gefängniß entleidet wär', und er wär' ſo geſchickt wie er, um
eine halbe Unmöglichkeit zu vollbringen.
Und zweimal aus dem Zuchthaus! ſagte der Müller.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/359>, abgerufen am 29.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.