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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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Hebamm' hast geholt und die eine Kraftbrüh' für mich verlangt hat,
weil's hart gehen werd' und ich so von Kräften sei, weißt noch? da
hat mein arm's Lämmle dran glauben müssen, mit dem unsre Bekannt¬
schaft angefangen hat. Ich hab' nicht einmal um das Thierle weinen
können, und du hast recht prophezeit gehabt, es werd' eine Zeit kom¬
men, wo mir etwas Anders mehr am Herzen lieg'. Und hart ist's
auch gangen, ich will's nicht vergessen, aber wie's geheißen hat: Vater,
hier ist dein Sohn! ach Frieder, was ist das eine Seligkeit gewesen!
Und nachher ist die Kathrine kommen und hat gesagt, sie sei jetzt mit
einem wackern Mann versprochen und mach' sich nichts mehr aus der
Amtmännin ihrem Zorn, und hat mich treulich gepflegt --

Ja, sagte er, darum hab' ich auch ruhig wieder in mein Ludwigs¬
burger Heimwesen zurückkehren können. Aber heut noch reut's mich,
daß ich mich in Göppingen gestellt hab'! Berichtet der Vogt nach
Ludwigsburg, er habe den mittelst Ausbruchs echappirten Gefangenen
wiederum gefänglich zur Hand gebracht und schicke ihn hier wieder ein.
Ausgebrochen war ich allerdings, das ist wahr, denn man hat mir
keine Brücke gebaut; aber daß ich mich freiwillig bei ihm gestellt hab',
davon hat er kein Wort geschrieben, sondern hat die Ehr' allein haben
wollen. So ein Vogt! was bild't sich der ein! es gibt auch Bettel¬
vögte. Deswegen hab' ich mich nach meinem zweiten Ausflug nicht
mehr bei ihm, sondern unmittelbar in Ludwigsburg beim Kammerrath
selbst gestellt. Der ist zwar rauhbauzig, wie man's von einem Zucht¬
hausverwalter nicht anders erwarten kann, aber er hat doch gelacht
und hat mir nun auch für meine frühere Versicherung Glauben ge¬
schenkt, so daß mir weiter nichts geschehen ist, als daß ich eben die
paar Tag' länger hab' sitzen müssen.

Dein zweiter Besuch, versetzte sie, ach, der ist traurig gewesen.

Ja, sagte er, schon wie ich das Thal heraufkommen bin, bei Reichen¬
bach, ich weiß nicht, ob du's einmal bemerkt hast, da ist in den An¬
höhen eine Lücke, durch die der Staufen hereinschaut, und der hat
damals so grau und trüb ausgesehen, daß ich gedenkt hab': Alter,
bist auch traurig und hast mir eine Trauermär' zu verkünden? Wie
ich aber nach Ebersbach kommen bin, hab' ich deinen Vater wenigstens
noch am Leben gefunden, und das wird mir wohl thun, so lang ich
leb'. Christine! Respect vor dem Mann! Der ist gestorben wie ein

Hebamm' haſt geholt und die eine Kraftbrüh' für mich verlangt hat,
weil's hart gehen werd' und ich ſo von Kräften ſei, weißt noch? da
hat mein arm's Lämmle dran glauben müſſen, mit dem unſre Bekannt¬
ſchaft angefangen hat. Ich hab' nicht einmal um das Thierle weinen
können, und du haſt recht prophezeit gehabt, es werd' eine Zeit kom¬
men, wo mir etwas Anders mehr am Herzen lieg'. Und hart iſt's
auch gangen, ich will's nicht vergeſſen, aber wie's geheißen hat: Vater,
hier iſt dein Sohn! ach Frieder, was iſt das eine Seligkeit geweſen!
Und nachher iſt die Kathrine kommen und hat geſagt, ſie ſei jetzt mit
einem wackern Mann verſprochen und mach' ſich nichts mehr aus der
Amtmännin ihrem Zorn, und hat mich treulich gepflegt —

Ja, ſagte er, darum hab' ich auch ruhig wieder in mein Ludwigs¬
burger Heimweſen zurückkehren können. Aber heut noch reut's mich,
daß ich mich in Göppingen geſtellt hab'! Berichtet der Vogt nach
Ludwigsburg, er habe den mittelſt Ausbruchs echappirten Gefangenen
wiederum gefänglich zur Hand gebracht und ſchicke ihn hier wieder ein.
Ausgebrochen war ich allerdings, das iſt wahr, denn man hat mir
keine Brücke gebaut; aber daß ich mich freiwillig bei ihm geſtellt hab',
davon hat er kein Wort geſchrieben, ſondern hat die Ehr' allein haben
wollen. So ein Vogt! was bild't ſich der ein! es gibt auch Bettel¬
vögte. Deswegen hab' ich mich nach meinem zweiten Ausflug nicht
mehr bei ihm, ſondern unmittelbar in Ludwigsburg beim Kammerrath
ſelbſt geſtellt. Der iſt zwar rauhbauzig, wie man's von einem Zucht¬
hausverwalter nicht anders erwarten kann, aber er hat doch gelacht
und hat mir nun auch für meine frühere Verſicherung Glauben ge¬
ſchenkt, ſo daß mir weiter nichts geſchehen iſt, als daß ich eben die
paar Tag' länger hab' ſitzen müſſen.

Dein zweiter Beſuch, verſetzte ſie, ach, der iſt traurig geweſen.

Ja, ſagte er, ſchon wie ich das Thal heraufkommen bin, bei Reichen¬
bach, ich weiß nicht, ob du's einmal bemerkt haſt, da iſt in den An¬
höhen eine Lücke, durch die der Staufen hereinſchaut, und der hat
damals ſo grau und trüb ausgeſehen, daß ich gedenkt hab': Alter,
biſt auch traurig und haſt mir eine Trauermär' zu verkünden? Wie
ich aber nach Ebersbach kommen bin, hab' ich deinen Vater wenigſtens
noch am Leben gefunden, und das wird mir wohl thun, ſo lang ich
leb'. Chriſtine! Reſpect vor dem Mann! Der iſt geſtorben wie ein

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[311/0327] Hebamm' haſt geholt und die eine Kraftbrüh' für mich verlangt hat, weil's hart gehen werd' und ich ſo von Kräften ſei, weißt noch? da hat mein arm's Lämmle dran glauben müſſen, mit dem unſre Bekannt¬ ſchaft angefangen hat. Ich hab' nicht einmal um das Thierle weinen können, und du haſt recht prophezeit gehabt, es werd' eine Zeit kom¬ men, wo mir etwas Anders mehr am Herzen lieg'. Und hart iſt's auch gangen, ich will's nicht vergeſſen, aber wie's geheißen hat: Vater, hier iſt dein Sohn! ach Frieder, was iſt das eine Seligkeit geweſen! Und nachher iſt die Kathrine kommen und hat geſagt, ſie ſei jetzt mit einem wackern Mann verſprochen und mach' ſich nichts mehr aus der Amtmännin ihrem Zorn, und hat mich treulich gepflegt — Ja, ſagte er, darum hab' ich auch ruhig wieder in mein Ludwigs¬ burger Heimweſen zurückkehren können. Aber heut noch reut's mich, daß ich mich in Göppingen geſtellt hab'! Berichtet der Vogt nach Ludwigsburg, er habe den mittelſt Ausbruchs echappirten Gefangenen wiederum gefänglich zur Hand gebracht und ſchicke ihn hier wieder ein. Ausgebrochen war ich allerdings, das iſt wahr, denn man hat mir keine Brücke gebaut; aber daß ich mich freiwillig bei ihm geſtellt hab', davon hat er kein Wort geſchrieben, ſondern hat die Ehr' allein haben wollen. So ein Vogt! was bild't ſich der ein! es gibt auch Bettel¬ vögte. Deswegen hab' ich mich nach meinem zweiten Ausflug nicht mehr bei ihm, ſondern unmittelbar in Ludwigsburg beim Kammerrath ſelbſt geſtellt. Der iſt zwar rauhbauzig, wie man's von einem Zucht¬ hausverwalter nicht anders erwarten kann, aber er hat doch gelacht und hat mir nun auch für meine frühere Verſicherung Glauben ge¬ ſchenkt, ſo daß mir weiter nichts geſchehen iſt, als daß ich eben die paar Tag' länger hab' ſitzen müſſen. Dein zweiter Beſuch, verſetzte ſie, ach, der iſt traurig geweſen. Ja, ſagte er, ſchon wie ich das Thal heraufkommen bin, bei Reichen¬ bach, ich weiß nicht, ob du's einmal bemerkt haſt, da iſt in den An¬ höhen eine Lücke, durch die der Staufen hereinſchaut, und der hat damals ſo grau und trüb ausgeſehen, daß ich gedenkt hab': Alter, biſt auch traurig und haſt mir eine Trauermär' zu verkünden? Wie ich aber nach Ebersbach kommen bin, hab' ich deinen Vater wenigſtens noch am Leben gefunden, und das wird mir wohl thun, ſo lang ich leb'. Chriſtine! Reſpect vor dem Mann! Der iſt geſtorben wie ein

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/327>, abgerufen am 25.11.2024.