Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

Das ist aber ein schlechter Kerl! rief sie zornig. Dem hast mit
deiner Bärenfaust eins gesteckt, gelt?

Lieb's Weib, sagte er bedächtig, wenn man mit einander aus
Numero Sieben fortwill, so nimmt man's nicht so streng mit dem
Glauben; da denkt man: du hilfst mir und ich helf' dir. Ich hab'
gelacht und hab' ihm gesagt, den Gedanken mit der Sonne soll' er
sich vergehen lassen, da seien viel Leute drin und viel Leute in der
Nachbarschaft, und an großen starken Hunden sei auch kein Mangel --
ich hab' noch ein paar dazu gemacht. Der scheele Christianus, so
heißt man ihn, hat's in seiner Art gut mit mir gemeint und hat mich
mit Gewalt mitnehmen wollen, hat mir auch das beste Leben verspro¬
chen und hat's nicht begreifen können, daß ich nach Ebersbach wolle,
wo ich ja vogelfrei sei; aber ich bin fest dabei blieben, und so hat er
mich zuletzt, ich muß sagen, recht ungern ziehen lassen, hat mir auch
guten Rath und Anleitung geben zum Fortkommen, was ohne einen
Zehrpfennig keine Kleinigkeit ist, und endlich hat er mir noch seinen
Zinken, das heißt, sein Wappen oder Wahrzeichen, dergleichen jeder
von ihnen sein eigenes führt, anvertraut. Es könnte ja doch sein, daß
wir einmal einander brauchten, hat er gemeint, hat mir auch gesagt,
wo ich ihn und die Seinen am leichtesten finden könne; und daran
hab' ich gesehen, daß er's treulich mit mir meint und auch mir von
ganzer Seele traut, denn mit dem Zinken, wenn er ihn nicht ändert,
hab' ich ihn in der Hand und könnt' ihn jeden Augenblick verrathen.
Das werd' ich aber nie thun, obgleich seine Wege nicht meine Wege
sind. Interessiren sollt's mich aber doch, einmal sein Wahrzeichen zu
sehen. Sie schneiden's in Bäume, selbst in Balken an den Häusern,
wo sie vorbeiziehen, zeichnen's auch in den Staub oder in den Schnee;
mit einem Strich dahinter zeigen sie ihren nachkommenden Kameraden
den Weg an, den sie nehmen wollen, und mit kleineren Strichlein
über oder unter dem großen bezeichnen sie, wieviel ihrer sind, Männer,
Weiber und Kinder.

Das ist sinnreich, sagte sie, aber lieber ist mir's doch, du guckst
nicht nach den Wahrzeichen.

Sei ruhig, erwiderte er, er wird nicht so leicht wieder in's Land
kommen, der Geschmack an Ludwigsburg und Hohentwiel ist ihm ver¬
gangen. Nachdem wir aus einander waren, hab' ich mich nach und

D. B. IV. Kurz, Sonnenwirth. 20

Das iſt aber ein ſchlechter Kerl! rief ſie zornig. Dem haſt mit
deiner Bärenfauſt eins geſteckt, gelt?

Lieb's Weib, ſagte er bedächtig, wenn man mit einander aus
Numero Sieben fortwill, ſo nimmt man's nicht ſo ſtreng mit dem
Glauben; da denkt man: du hilfſt mir und ich helf' dir. Ich hab'
gelacht und hab' ihm geſagt, den Gedanken mit der Sonne ſoll' er
ſich vergehen laſſen, da ſeien viel Leute drin und viel Leute in der
Nachbarſchaft, und an großen ſtarken Hunden ſei auch kein Mangel —
ich hab' noch ein paar dazu gemacht. Der ſcheele Chriſtianus, ſo
heißt man ihn, hat's in ſeiner Art gut mit mir gemeint und hat mich
mit Gewalt mitnehmen wollen, hat mir auch das beſte Leben verſpro¬
chen und hat's nicht begreifen können, daß ich nach Ebersbach wolle,
wo ich ja vogelfrei ſei; aber ich bin feſt dabei blieben, und ſo hat er
mich zuletzt, ich muß ſagen, recht ungern ziehen laſſen, hat mir auch
guten Rath und Anleitung geben zum Fortkommen, was ohne einen
Zehrpfennig keine Kleinigkeit iſt, und endlich hat er mir noch ſeinen
Zinken, das heißt, ſein Wappen oder Wahrzeichen, dergleichen jeder
von ihnen ſein eigenes führt, anvertraut. Es könnte ja doch ſein, daß
wir einmal einander brauchten, hat er gemeint, hat mir auch geſagt,
wo ich ihn und die Seinen am leichteſten finden könne; und daran
hab' ich geſehen, daß er's treulich mit mir meint und auch mir von
ganzer Seele traut, denn mit dem Zinken, wenn er ihn nicht ändert,
hab' ich ihn in der Hand und könnt' ihn jeden Augenblick verrathen.
Das werd' ich aber nie thun, obgleich ſeine Wege nicht meine Wege
ſind. Intereſſiren ſollt's mich aber doch, einmal ſein Wahrzeichen zu
ſehen. Sie ſchneiden's in Bäume, ſelbſt in Balken an den Häuſern,
wo ſie vorbeiziehen, zeichnen's auch in den Staub oder in den Schnee;
mit einem Strich dahinter zeigen ſie ihren nachkommenden Kameraden
den Weg an, den ſie nehmen wollen, und mit kleineren Strichlein
über oder unter dem großen bezeichnen ſie, wieviel ihrer ſind, Männer,
Weiber und Kinder.

Das iſt ſinnreich, ſagte ſie, aber lieber iſt mir's doch, du guckſt
nicht nach den Wahrzeichen.

Sei ruhig, erwiderte er, er wird nicht ſo leicht wieder in's Land
kommen, der Geſchmack an Ludwigsburg und Hohentwiel iſt ihm ver¬
gangen. Nachdem wir aus einander waren, hab' ich mich nach und

D. B. IV. Kurz, Sonnenwirth. 20
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0321" n="305"/>
        <p>Das i&#x017F;t aber ein &#x017F;chlechter Kerl! rief &#x017F;ie zornig. Dem ha&#x017F;t mit<lb/>
deiner Bärenfau&#x017F;t eins ge&#x017F;teckt, gelt?</p><lb/>
        <p>Lieb's Weib, &#x017F;agte er bedächtig, wenn man mit einander aus<lb/>
Numero Sieben fortwill, &#x017F;o nimmt man's nicht &#x017F;o &#x017F;treng mit dem<lb/>
Glauben; da denkt man: du hilf&#x017F;t mir und ich helf' dir. Ich hab'<lb/>
gelacht und hab' ihm ge&#x017F;agt, den Gedanken mit der Sonne &#x017F;oll' er<lb/>
&#x017F;ich vergehen la&#x017F;&#x017F;en, da &#x017F;eien viel Leute drin und viel Leute in der<lb/>
Nachbar&#x017F;chaft, und an großen &#x017F;tarken Hunden &#x017F;ei auch kein Mangel &#x2014;<lb/>
ich hab' noch ein paar dazu gemacht. Der &#x017F;cheele Chri&#x017F;tianus, &#x017F;o<lb/>
heißt man ihn, hat's in &#x017F;einer Art gut mit mir gemeint und hat mich<lb/>
mit Gewalt mitnehmen wollen, hat mir auch das be&#x017F;te Leben ver&#x017F;pro¬<lb/>
chen und hat's nicht begreifen können, daß ich nach Ebersbach wolle,<lb/>
wo ich ja vogelfrei &#x017F;ei; aber ich bin fe&#x017F;t dabei blieben, und &#x017F;o hat er<lb/>
mich zuletzt, ich muß &#x017F;agen, recht ungern ziehen la&#x017F;&#x017F;en, hat mir auch<lb/>
guten Rath und Anleitung geben zum Fortkommen, was ohne einen<lb/>
Zehrpfennig keine Kleinigkeit i&#x017F;t, und endlich hat er mir noch &#x017F;einen<lb/>
Zinken, das heißt, &#x017F;ein Wappen oder Wahrzeichen, dergleichen jeder<lb/>
von ihnen &#x017F;ein eigenes führt, anvertraut. Es könnte ja doch &#x017F;ein, daß<lb/>
wir einmal einander brauchten, hat er gemeint, hat mir auch ge&#x017F;agt,<lb/>
wo ich ihn und die Seinen am leichte&#x017F;ten finden könne; und daran<lb/>
hab' ich ge&#x017F;ehen, daß er's treulich mit mir meint und auch mir von<lb/>
ganzer Seele traut, denn mit dem Zinken, wenn er ihn nicht ändert,<lb/>
hab' ich ihn in der Hand und könnt' ihn jeden Augenblick verrathen.<lb/>
Das werd' ich aber nie thun, obgleich &#x017F;eine Wege nicht meine Wege<lb/>
&#x017F;ind. Intere&#x017F;&#x017F;iren &#x017F;ollt's mich aber doch, einmal &#x017F;ein Wahrzeichen zu<lb/>
&#x017F;ehen. Sie &#x017F;chneiden's in Bäume, &#x017F;elb&#x017F;t in Balken an den Häu&#x017F;ern,<lb/>
wo &#x017F;ie vorbeiziehen, zeichnen's auch in den Staub oder in den Schnee;<lb/>
mit einem Strich dahinter zeigen &#x017F;ie ihren nachkommenden Kameraden<lb/>
den Weg an, den &#x017F;ie nehmen wollen, und mit kleineren Strichlein<lb/>
über oder unter dem großen bezeichnen &#x017F;ie, wieviel ihrer &#x017F;ind, Männer,<lb/>
Weiber und Kinder.</p><lb/>
        <p>Das i&#x017F;t &#x017F;innreich, &#x017F;agte &#x017F;ie, aber lieber i&#x017F;t mir's doch, du guck&#x017F;t<lb/>
nicht nach den Wahrzeichen.</p><lb/>
        <p>Sei ruhig, erwiderte er, er wird nicht &#x017F;o leicht wieder in's Land<lb/>
kommen, der Ge&#x017F;chmack an Ludwigsburg und Hohentwiel i&#x017F;t ihm ver¬<lb/>
gangen. Nachdem wir aus einander waren, hab' ich mich nach und<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">D. B. <hi rendition="#aq">IV</hi>. Kurz, Sonnenwirth. 20<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[305/0321] Das iſt aber ein ſchlechter Kerl! rief ſie zornig. Dem haſt mit deiner Bärenfauſt eins geſteckt, gelt? Lieb's Weib, ſagte er bedächtig, wenn man mit einander aus Numero Sieben fortwill, ſo nimmt man's nicht ſo ſtreng mit dem Glauben; da denkt man: du hilfſt mir und ich helf' dir. Ich hab' gelacht und hab' ihm geſagt, den Gedanken mit der Sonne ſoll' er ſich vergehen laſſen, da ſeien viel Leute drin und viel Leute in der Nachbarſchaft, und an großen ſtarken Hunden ſei auch kein Mangel — ich hab' noch ein paar dazu gemacht. Der ſcheele Chriſtianus, ſo heißt man ihn, hat's in ſeiner Art gut mit mir gemeint und hat mich mit Gewalt mitnehmen wollen, hat mir auch das beſte Leben verſpro¬ chen und hat's nicht begreifen können, daß ich nach Ebersbach wolle, wo ich ja vogelfrei ſei; aber ich bin feſt dabei blieben, und ſo hat er mich zuletzt, ich muß ſagen, recht ungern ziehen laſſen, hat mir auch guten Rath und Anleitung geben zum Fortkommen, was ohne einen Zehrpfennig keine Kleinigkeit iſt, und endlich hat er mir noch ſeinen Zinken, das heißt, ſein Wappen oder Wahrzeichen, dergleichen jeder von ihnen ſein eigenes führt, anvertraut. Es könnte ja doch ſein, daß wir einmal einander brauchten, hat er gemeint, hat mir auch geſagt, wo ich ihn und die Seinen am leichteſten finden könne; und daran hab' ich geſehen, daß er's treulich mit mir meint und auch mir von ganzer Seele traut, denn mit dem Zinken, wenn er ihn nicht ändert, hab' ich ihn in der Hand und könnt' ihn jeden Augenblick verrathen. Das werd' ich aber nie thun, obgleich ſeine Wege nicht meine Wege ſind. Intereſſiren ſollt's mich aber doch, einmal ſein Wahrzeichen zu ſehen. Sie ſchneiden's in Bäume, ſelbſt in Balken an den Häuſern, wo ſie vorbeiziehen, zeichnen's auch in den Staub oder in den Schnee; mit einem Strich dahinter zeigen ſie ihren nachkommenden Kameraden den Weg an, den ſie nehmen wollen, und mit kleineren Strichlein über oder unter dem großen bezeichnen ſie, wieviel ihrer ſind, Männer, Weiber und Kinder. Das iſt ſinnreich, ſagte ſie, aber lieber iſt mir's doch, du guckſt nicht nach den Wahrzeichen. Sei ruhig, erwiderte er, er wird nicht ſo leicht wieder in's Land kommen, der Geſchmack an Ludwigsburg und Hohentwiel iſt ihm ver¬ gangen. Nachdem wir aus einander waren, hab' ich mich nach und D. B. IV. Kurz, Sonnenwirth. 20

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/321
Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/321>, abgerufen am 25.11.2024.