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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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ben -- ei nein, jedes Handwerk, ob es gut oder schlecht sei, erfordert
Fertigkeiten und Kenntnisse, die dem Menschen Ehre machen. So ein
Stromer oder Jauner, der in den Landen umherzieht, Fuchs und Has
zugleich ist, der weiß und kann dir Dinge, die einem gewöhnlichen
Ofenhocker nicht im Traum vorkommen. Wenn's eine gute Gelegen¬
heit gegeben hat, daß man hat eine Stunde ungestört sich unterhalten
können, da hat man Neuigkeiten gehört, daß Einem die Welt noch
einmal so groß und weit vorkommen ist, und daß sogar die Schmieren
oder Launiger -- will sagen, die Aufseher oder die Soldaten, die die
Wache gehabt haben -- mit aufgerissenen Augen und Mäulern dabei
gestanden sind und das Abwehren vergessen haben. Sie wissen dir
von jedem Land, groß oder klein, seinen Regenten und wie er gesinnt
ist, seine Gesetze und Einrichtungen, die Nahrungsweise des Volks, den
Wohlstand, die Eigenschaften fast jedes einzelnen Beamten, die Ver¬
hältnisse zu andern Ländern und ihren Regenten und Beamten, Alles
das wissen sie dir wie am Schnürle herzusagen, denn es sind lauter
Dinge, die zu ihrem Handwerk gehören und nach denen sie ihr Thun
und Lassen abmessen müssen. Ich hab' aber oft denken müssen, wie
nützlich es wär', wenn die Bürgersleute, die sich doch zum Theil mit
Handel und Wandel zwischen so vieler Herren Gebiet, das absonderlich
in unserem Land unzählbar ist, fortbringen müssen -- ich will nur
zum Beispiel von den Wirthen reden -- sage, wenn sie solche noth¬
wendige Wissenheiten in den Schulen und dafür meinetwegen ein paar
Sprüch' und Vers' weniger lernen würden. Aber auch in vielen an¬
dern Dingen trifft man die schönsten Kenntnisse bei ihnen an. Da
stehen besonders die Felinger im ersten Rang, und unter diesen wie¬
derum die sogenannten Staatsfelinger. Das sind dir Leute, die für¬
nehm gekleidet in Sammt und Seide, oft in eigenen Carossen mit
Pferden und großer Dienerschaft als Bergleute oder Doctoren das
Reich durchziehen, treiben ihr Handwerk meistens in den Städten, führt
mancher gar ein Privilegium von kaiserlicher Majestät mit sich, und
weiß sich eine Manier und ein Ansehen zu geben, daß jeder Reichsgraf
ihn für Seinesgleichen erkennen muß. Aber auch die geringeren Fe¬
linger, die das dumme Volk mit Quacksalberkünsten, Schatzgräbereien
und dergleichen kaspern und brandschatzen, haben bei allem Betrug oft
manche gute Wissenschaft in ihrer Kunst. Wir selber haben einen

ben — ei nein, jedes Handwerk, ob es gut oder ſchlecht ſei, erfordert
Fertigkeiten und Kenntniſſe, die dem Menſchen Ehre machen. So ein
Stromer oder Jauner, der in den Landen umherzieht, Fuchs und Has
zugleich iſt, der weiß und kann dir Dinge, die einem gewöhnlichen
Ofenhocker nicht im Traum vorkommen. Wenn's eine gute Gelegen¬
heit gegeben hat, daß man hat eine Stunde ungeſtört ſich unterhalten
können, da hat man Neuigkeiten gehört, daß Einem die Welt noch
einmal ſo groß und weit vorkommen iſt, und daß ſogar die Schmieren
oder Launiger — will ſagen, die Aufſeher oder die Soldaten, die die
Wache gehabt haben — mit aufgeriſſenen Augen und Mäulern dabei
geſtanden ſind und das Abwehren vergeſſen haben. Sie wiſſen dir
von jedem Land, groß oder klein, ſeinen Regenten und wie er geſinnt
iſt, ſeine Geſetze und Einrichtungen, die Nahrungsweiſe des Volks, den
Wohlſtand, die Eigenſchaften faſt jedes einzelnen Beamten, die Ver¬
hältniſſe zu andern Ländern und ihren Regenten und Beamten, Alles
das wiſſen ſie dir wie am Schnürle herzuſagen, denn es ſind lauter
Dinge, die zu ihrem Handwerk gehören und nach denen ſie ihr Thun
und Laſſen abmeſſen müſſen. Ich hab' aber oft denken müſſen, wie
nützlich es wär', wenn die Bürgersleute, die ſich doch zum Theil mit
Handel und Wandel zwiſchen ſo vieler Herren Gebiet, das abſonderlich
in unſerem Land unzählbar iſt, fortbringen müſſen — ich will nur
zum Beiſpiel von den Wirthen reden — ſage, wenn ſie ſolche noth¬
wendige Wiſſenheiten in den Schulen und dafür meinetwegen ein paar
Sprüch' und Verſ' weniger lernen würden. Aber auch in vielen an¬
dern Dingen trifft man die ſchönſten Kenntniſſe bei ihnen an. Da
ſtehen beſonders die Felinger im erſten Rang, und unter dieſen wie¬
derum die ſogenannten Staatsfelinger. Das ſind dir Leute, die für¬
nehm gekleidet in Sammt und Seide, oft in eigenen Caroſſen mit
Pferden und großer Dienerſchaft als Bergleute oder Doctoren das
Reich durchziehen, treiben ihr Handwerk meiſtens in den Städten, führt
mancher gar ein Privilegium von kaiſerlicher Majeſtät mit ſich, und
weiß ſich eine Manier und ein Anſehen zu geben, daß jeder Reichsgraf
ihn für Seinesgleichen erkennen muß. Aber auch die geringeren Fe¬
linger, die das dumme Volk mit Quackſalberkünſten, Schatzgräbereien
und dergleichen kaſpern und brandſchatzen, haben bei allem Betrug oft
manche gute Wiſſenſchaft in ihrer Kunſt. Wir ſelber haben einen

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[301/0317] ben — ei nein, jedes Handwerk, ob es gut oder ſchlecht ſei, erfordert Fertigkeiten und Kenntniſſe, die dem Menſchen Ehre machen. So ein Stromer oder Jauner, der in den Landen umherzieht, Fuchs und Has zugleich iſt, der weiß und kann dir Dinge, die einem gewöhnlichen Ofenhocker nicht im Traum vorkommen. Wenn's eine gute Gelegen¬ heit gegeben hat, daß man hat eine Stunde ungeſtört ſich unterhalten können, da hat man Neuigkeiten gehört, daß Einem die Welt noch einmal ſo groß und weit vorkommen iſt, und daß ſogar die Schmieren oder Launiger — will ſagen, die Aufſeher oder die Soldaten, die die Wache gehabt haben — mit aufgeriſſenen Augen und Mäulern dabei geſtanden ſind und das Abwehren vergeſſen haben. Sie wiſſen dir von jedem Land, groß oder klein, ſeinen Regenten und wie er geſinnt iſt, ſeine Geſetze und Einrichtungen, die Nahrungsweiſe des Volks, den Wohlſtand, die Eigenſchaften faſt jedes einzelnen Beamten, die Ver¬ hältniſſe zu andern Ländern und ihren Regenten und Beamten, Alles das wiſſen ſie dir wie am Schnürle herzuſagen, denn es ſind lauter Dinge, die zu ihrem Handwerk gehören und nach denen ſie ihr Thun und Laſſen abmeſſen müſſen. Ich hab' aber oft denken müſſen, wie nützlich es wär', wenn die Bürgersleute, die ſich doch zum Theil mit Handel und Wandel zwiſchen ſo vieler Herren Gebiet, das abſonderlich in unſerem Land unzählbar iſt, fortbringen müſſen — ich will nur zum Beiſpiel von den Wirthen reden — ſage, wenn ſie ſolche noth¬ wendige Wiſſenheiten in den Schulen und dafür meinetwegen ein paar Sprüch' und Verſ' weniger lernen würden. Aber auch in vielen an¬ dern Dingen trifft man die ſchönſten Kenntniſſe bei ihnen an. Da ſtehen beſonders die Felinger im erſten Rang, und unter dieſen wie¬ derum die ſogenannten Staatsfelinger. Das ſind dir Leute, die für¬ nehm gekleidet in Sammt und Seide, oft in eigenen Caroſſen mit Pferden und großer Dienerſchaft als Bergleute oder Doctoren das Reich durchziehen, treiben ihr Handwerk meiſtens in den Städten, führt mancher gar ein Privilegium von kaiſerlicher Majeſtät mit ſich, und weiß ſich eine Manier und ein Anſehen zu geben, daß jeder Reichsgraf ihn für Seinesgleichen erkennen muß. Aber auch die geringeren Fe¬ linger, die das dumme Volk mit Quackſalberkünſten, Schatzgräbereien und dergleichen kaſpern und brandſchatzen, haben bei allem Betrug oft manche gute Wiſſenſchaft in ihrer Kunſt. Wir ſelber haben einen

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/317>, abgerufen am 22.11.2024.