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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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Brocken von der jenischen Sprache aufgeschnappt, und die konnte ich
auf Hohentwiel fürtrefflich brauchen.

Jenisch? unterbrach sie ihn. Was ist denn das?

Pass' auf! sagte er. Die Kochem scheften grandig in Käfer
Märtine, schaberen bei der Ratte in Kitteren, fegen Schrenden, Kla¬
minen und Hansel, holchen auf Gschock, tschoren Sore, zopfen Kies
aus Rande, kasperen Gasche, achlen und schwächen toff mit nickligen
Schicksen, josten im Flach um Jack, schmusen und schmollen, aber kistig
holchen Niescher, zopfen sie krank, kistig schupfen sie Schiebes, wenn
sie aber in der Leke scheften und ihre Massematte maker werden, be¬
stieben sie Makes Makoles, holchen kistig capore, werden talcht, an
die Nelle geschniert, gekibeset oder getelleret.

Hör' auf, hör' auf! sagte sie. Da wird's ja Einem ganz dumm
davon. Das ist rothwälsch, da versteh' ich kein einzig's Wort.

Wie kannst du denn sagen, es sei rothwälsch, wenn du's nicht
verstehst?

Grad deswegen! Was man nicht versteht, das heißt man so.

Du weißt nicht, daß du ein wahres Wort gesprochen hast, denn
rothwälsch und jenisch, das ist die nämliche Zunge.

Du mein Heiland! sagte sie betreten, das sprechen ja aber nur
die --

Kochem! ergänzte er, da sie stockte. Wenn du willst, kannst du
sie auch Jauner, Diebe, Spitzbuben und dergleichen heißen, denn das
sind ihre Namen bei den andern Leuten; sie selbst aber nennen sich
Kochem. Dies ist die Gesellschaft, in die man mich zu Ludwigsburg
und auf Hohentwiel gethan hat.

Ach Gott, ach Gott! seufzte sie. Ich bin doch auch im Zuchthaus
gewesen, aber ich hab' Gottlob keine Gelegenheit gehabt, das Jenische
zu erlernen. Ich hab' meistens bei einer Aufseherin arbeiten müssen,
die mich zu sich genommen hat, und da hab' ich, ich kann nicht an¬
ders sagen, manches Nützliche gelernt, was ich vorher nicht gewußt hab'.

Das ist Glückssache, sagte er. Früher hat man mich in Ludwigs¬
burg auch etwas apart gehalten, der selige Waisenpfarrer hat's damals
nicht anders gelitten; das drittemal aber bin ich unter den großen
Troß gestoßen worden. Wiewohl, es war mein Glück, denn hätt' ich
nicht Jenisch gelernt, so säß' ich heut noch auf Hohentwiel.

Brocken von der jeniſchen Sprache aufgeſchnappt, und die konnte ich
auf Hohentwiel fürtrefflich brauchen.

Jeniſch? unterbrach ſie ihn. Was iſt denn das?

Paſſ' auf! ſagte er. Die Kochem ſcheften grandig in Käfer
Märtine, ſchaberen bei der Ratte in Kitteren, fegen Schrenden, Kla¬
minen und Hanſel, holchen auf Gſchock, tſchoren Sore, zopfen Kies
aus Rande, kaſperen Gaſche, achlen und ſchwächen toff mit nickligen
Schickſen, joſten im Flach um Jack, ſchmuſen und ſchmollen, aber kiſtig
holchen Nieſcher, zopfen ſie krank, kiſtig ſchupfen ſie Schiebes, wenn
ſie aber in der Leke ſcheften und ihre Maſſematte maker werden, be¬
ſtieben ſie Makes Makoles, holchen kiſtig capore, werden talcht, an
die Nelle geſchniert, gekibeſet oder getelleret.

Hör' auf, hör' auf! ſagte ſie. Da wird's ja Einem ganz dumm
davon. Das iſt rothwälſch, da verſteh' ich kein einzig's Wort.

Wie kannſt du denn ſagen, es ſei rothwälſch, wenn du's nicht
verſtehſt?

Grad deswegen! Was man nicht verſteht, das heißt man ſo.

Du weißt nicht, daß du ein wahres Wort geſprochen haſt, denn
rothwälſch und jeniſch, das iſt die nämliche Zunge.

Du mein Heiland! ſagte ſie betreten, das ſprechen ja aber nur
die —

Kochem! ergänzte er, da ſie ſtockte. Wenn du willſt, kannſt du
ſie auch Jauner, Diebe, Spitzbuben und dergleichen heißen, denn das
ſind ihre Namen bei den andern Leuten; ſie ſelbſt aber nennen ſich
Kochem. Dies iſt die Geſellſchaft, in die man mich zu Ludwigsburg
und auf Hohentwiel gethan hat.

Ach Gott, ach Gott! ſeufzte ſie. Ich bin doch auch im Zuchthaus
geweſen, aber ich hab' Gottlob keine Gelegenheit gehabt, das Jeniſche
zu erlernen. Ich hab' meiſtens bei einer Aufſeherin arbeiten müſſen,
die mich zu ſich genommen hat, und da hab' ich, ich kann nicht an¬
ders ſagen, manches Nützliche gelernt, was ich vorher nicht gewußt hab'.

Das iſt Glücksſache, ſagte er. Früher hat man mich in Ludwigs¬
burg auch etwas apart gehalten, der ſelige Waiſenpfarrer hat's damals
nicht anders gelitten; das drittemal aber bin ich unter den großen
Troß geſtoßen worden. Wiewohl, es war mein Glück, denn hätt' ich
nicht Jeniſch gelernt, ſo ſäß' ich heut noch auf Hohentwiel.

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[297/0313] Brocken von der jeniſchen Sprache aufgeſchnappt, und die konnte ich auf Hohentwiel fürtrefflich brauchen. Jeniſch? unterbrach ſie ihn. Was iſt denn das? Paſſ' auf! ſagte er. Die Kochem ſcheften grandig in Käfer Märtine, ſchaberen bei der Ratte in Kitteren, fegen Schrenden, Kla¬ minen und Hanſel, holchen auf Gſchock, tſchoren Sore, zopfen Kies aus Rande, kaſperen Gaſche, achlen und ſchwächen toff mit nickligen Schickſen, joſten im Flach um Jack, ſchmuſen und ſchmollen, aber kiſtig holchen Nieſcher, zopfen ſie krank, kiſtig ſchupfen ſie Schiebes, wenn ſie aber in der Leke ſcheften und ihre Maſſematte maker werden, be¬ ſtieben ſie Makes Makoles, holchen kiſtig capore, werden talcht, an die Nelle geſchniert, gekibeſet oder getelleret. Hör' auf, hör' auf! ſagte ſie. Da wird's ja Einem ganz dumm davon. Das iſt rothwälſch, da verſteh' ich kein einzig's Wort. Wie kannſt du denn ſagen, es ſei rothwälſch, wenn du's nicht verſtehſt? Grad deswegen! Was man nicht verſteht, das heißt man ſo. Du weißt nicht, daß du ein wahres Wort geſprochen haſt, denn rothwälſch und jeniſch, das iſt die nämliche Zunge. Du mein Heiland! ſagte ſie betreten, das ſprechen ja aber nur die — Kochem! ergänzte er, da ſie ſtockte. Wenn du willſt, kannſt du ſie auch Jauner, Diebe, Spitzbuben und dergleichen heißen, denn das ſind ihre Namen bei den andern Leuten; ſie ſelbſt aber nennen ſich Kochem. Dies iſt die Geſellſchaft, in die man mich zu Ludwigsburg und auf Hohentwiel gethan hat. Ach Gott, ach Gott! ſeufzte ſie. Ich bin doch auch im Zuchthaus geweſen, aber ich hab' Gottlob keine Gelegenheit gehabt, das Jeniſche zu erlernen. Ich hab' meiſtens bei einer Aufſeherin arbeiten müſſen, die mich zu ſich genommen hat, und da hab' ich, ich kann nicht an¬ ders ſagen, manches Nützliche gelernt, was ich vorher nicht gewußt hab'. Das iſt Glücksſache, ſagte er. Früher hat man mich in Ludwigs¬ burg auch etwas apart gehalten, der ſelige Waiſenpfarrer hat's damals nicht anders gelitten; das drittemal aber bin ich unter den großen Troß geſtoßen worden. Wiewohl, es war mein Glück, denn hätt' ich nicht Jeniſch gelernt, ſo ſäß' ich heut noch auf Hohentwiel.

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/313>, abgerufen am 22.11.2024.