mehr dabei gewesen und weiß jetzt wie man's macht, aber ich hab' weder eine Mordthat noch einen Diebstahl begangen.
Diebstahl mit nächtlichem Einbruch! rief der Amtmann, mit der Spitze des Fingers auf das Protokoll klopfend.
Da drinnen steht's vielleicht so, entgegnete Friedrich, aber in mei¬ nem Herzen heißt's anders, wenn ich Weib und Kind mit dem, was mir mein Vater schon als Vater schuldig wär', vom Hungertod er¬ retten muß.
Der Amtmann milderte seinen Ton etwas. Wenn Er mit dieser Auslegung durchzudringen hofft, so gratulir' ich Ihm dazu, sagte er. Bei Gericht aber nimmt man die Dinge nicht nach der Auslegung, sondern wie sie sind. Angenommen, es habe Einer einen Prozeß mit einem Andern, und es sei auch das Recht ganz auf seiner Seite, so darf er darum doch nicht in seiner eigenen Sache den Executor machen, oder den Erretter, wie Er's heißt, und sich selbst am Hab' und Gut des Andern regressiren.
Dawider will ich nicht streiten, Herr Amtmann, erwiderte Friedrich, 's hat Alles Händ' und Füß', was Sie sagen. Aber nicht wahr? wenn ich meinen Vater bei Ihnen verklagt hätt', daß er meiner Chri¬ stine nichts zu ihrem Unterhalt gibt, so hätt' sie lang verhungern können, bis ich hätt' Recht bei Ihnen gefunden.
Halt' Er Sein Maul, Er ewiger Rechthaber! schrie der Amtmann entrüstet. Er steht als Angeklagter hier und nicht als Advocat!
Er griff wieder zu der Feder und schrieb eifrig und zornig fort. Friedrich sah ihm eine Weile zu. Ich seh' wohl, was Sie schreiben, sagte er dann: "Unerachtet seiner äußersten Bosheit will er immer noch Recht haben."
Der Amtmann fuhr zurück, daß ein Theil der Acten zu Boden fiel. Ist der Kerl vom Teufel besessen? murmelte er vor sich hin. Die Gerichtsbeisitzer sahen ihn erschrocken an. Friedrich lächelte: ich kann mir's nämlich denken, fügte er hinzu, da er die Worte von der Kirchenconventsverhandlung her im Gedächtniß behalten hatte.
Heb' Er mir die Acten auf, befahl der Amtmann dem einen Ge¬ richtsbeisitzer. Den Schützen! rief er dem andern zu. Er führt den Arrestanten vorläufig in sein Loch zurück und holt mir den Johannes Müller! wies er den eintretenden Schützen an. -- Wo der Teufel nicht
mehr dabei geweſen und weiß jetzt wie man's macht, aber ich hab' weder eine Mordthat noch einen Diebſtahl begangen.
Diebſtahl mit nächtlichem Einbruch! rief der Amtmann, mit der Spitze des Fingers auf das Protokoll klopfend.
Da drinnen ſteht's vielleicht ſo, entgegnete Friedrich, aber in mei¬ nem Herzen heißt's anders, wenn ich Weib und Kind mit dem, was mir mein Vater ſchon als Vater ſchuldig wär', vom Hungertod er¬ retten muß.
Der Amtmann milderte ſeinen Ton etwas. Wenn Er mit dieſer Auslegung durchzudringen hofft, ſo gratulir' ich Ihm dazu, ſagte er. Bei Gericht aber nimmt man die Dinge nicht nach der Auslegung, ſondern wie ſie ſind. Angenommen, es habe Einer einen Prozeß mit einem Andern, und es ſei auch das Recht ganz auf ſeiner Seite, ſo darf er darum doch nicht in ſeiner eigenen Sache den Executor machen, oder den Erretter, wie Er's heißt, und ſich ſelbſt am Hab' und Gut des Andern regreſſiren.
Dawider will ich nicht ſtreiten, Herr Amtmann, erwiderte Friedrich, 's hat Alles Händ' und Füß', was Sie ſagen. Aber nicht wahr? wenn ich meinen Vater bei Ihnen verklagt hätt', daß er meiner Chri¬ ſtine nichts zu ihrem Unterhalt gibt, ſo hätt' ſie lang verhungern können, bis ich hätt' Recht bei Ihnen gefunden.
Halt' Er Sein Maul, Er ewiger Rechthaber! ſchrie der Amtmann entrüſtet. Er ſteht als Angeklagter hier und nicht als Advocat!
Er griff wieder zu der Feder und ſchrieb eifrig und zornig fort. Friedrich ſah ihm eine Weile zu. Ich ſeh' wohl, was Sie ſchreiben, ſagte er dann: „Unerachtet ſeiner äußerſten Bosheit will er immer noch Recht haben.“
Der Amtmann fuhr zurück, daß ein Theil der Acten zu Boden fiel. Iſt der Kerl vom Teufel beſeſſen? murmelte er vor ſich hin. Die Gerichtsbeiſitzer ſahen ihn erſchrocken an. Friedrich lächelte: ich kann mir's nämlich denken, fügte er hinzu, da er die Worte von der Kirchenconventsverhandlung her im Gedächtniß behalten hatte.
Heb' Er mir die Acten auf, befahl der Amtmann dem einen Ge¬ richtsbeiſitzer. Den Schützen! rief er dem andern zu. Er führt den Arreſtanten vorläufig in ſein Loch zurück und holt mir den Johannes Müller! wies er den eintretenden Schützen an. — Wo der Teufel nicht
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weder eine Mordthat noch einen Diebſtahl begangen.
Diebſtahl mit nächtlichem Einbruch! rief der Amtmann, mit der
Spitze des Fingers auf das Protokoll klopfend.
Da drinnen ſteht's vielleicht ſo, entgegnete Friedrich, aber in mei¬
nem Herzen heißt's anders, wenn ich Weib und Kind mit dem, was
mir mein Vater ſchon als Vater ſchuldig wär', vom Hungertod er¬
retten muß.
Der Amtmann milderte ſeinen Ton etwas. Wenn Er mit dieſer
Auslegung durchzudringen hofft, ſo gratulir' ich Ihm dazu, ſagte er.
Bei Gericht aber nimmt man die Dinge nicht nach der Auslegung,
ſondern wie ſie ſind. Angenommen, es habe Einer einen Prozeß mit
einem Andern, und es ſei auch das Recht ganz auf ſeiner Seite, ſo
darf er darum doch nicht in ſeiner eigenen Sache den Executor machen,
oder den Erretter, wie Er's heißt, und ſich ſelbſt am Hab' und Gut
des Andern regreſſiren.
Dawider will ich nicht ſtreiten, Herr Amtmann, erwiderte Friedrich,
's hat Alles Händ' und Füß', was Sie ſagen. Aber nicht wahr?
wenn ich meinen Vater bei Ihnen verklagt hätt', daß er meiner Chri¬
ſtine nichts zu ihrem Unterhalt gibt, ſo hätt' ſie lang verhungern
können, bis ich hätt' Recht bei Ihnen gefunden.
Halt' Er Sein Maul, Er ewiger Rechthaber! ſchrie der Amtmann
entrüſtet. Er ſteht als Angeklagter hier und nicht als Advocat!
Er griff wieder zu der Feder und ſchrieb eifrig und zornig fort.
Friedrich ſah ihm eine Weile zu. Ich ſeh' wohl, was Sie ſchreiben,
ſagte er dann: „Unerachtet ſeiner äußerſten Bosheit will er immer
noch Recht haben.“
Der Amtmann fuhr zurück, daß ein Theil der Acten zu Boden
fiel. Iſt der Kerl vom Teufel beſeſſen? murmelte er vor ſich hin.
Die Gerichtsbeiſitzer ſahen ihn erſchrocken an. Friedrich lächelte: ich
kann mir's nämlich denken, fügte er hinzu, da er die Worte von der
Kirchenconventsverhandlung her im Gedächtniß behalten hatte.
Heb' Er mir die Acten auf, befahl der Amtmann dem einen Ge¬
richtsbeiſitzer. Den Schützen! rief er dem andern zu. Er führt den
Arreſtanten vorläufig in ſein Loch zurück und holt mir den Johannes
Müller! wies er den eintretenden Schützen an. — Wo der Teufel nicht
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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/299>, abgerufen am 22.11.2024.
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