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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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zu spät und er habe wohl schon viel zu viel gesagt. Auch reichte seine
Vernehmlassung vollkommen hin, um die Anklage wegen eines Atten¬
tats zu begründen, bei welchem er eine Tödtung wo nicht beabsichtigt,
so doch auch nicht geflissentlich vermieden, jedenfalls aber eine mehr oder
minder lebensgefährliche Verwundung vorausgesehen habe.

Zufrieden mit dem bisherigen Erfolge der Untersuchung, legte der
Amtmann die Feder nieder und nahm das Verhör wieder auf. Jetzt
kommen wir an den Fruchthandel, sagte er: Er wird nicht in Abrede
zu ziehen gemeint sein, daß es ein etwas einseitiger Handel ist, wenn
man Frucht einsackt, ohne Bezahlung dafür zu leisten. Pro primo
aber, um die Aussagen unter sich in Einklang zu bringen, muß ich
fragen: wie viel ist's denn eigentlich gewesen?

Herr Amtmann, antwortete Friedrich, ich hab' meinem Vater gleich
im ersten Augenblick erklärt, daß er durch den Handel um keinen
Kreuzer kommen solle, und wenn's jetzt an dem ist, daß er aus mei¬
nem Mütterlichen schadlos gehalten werden soll, so will ich kein Körnle
verschweigen. Natürlich hab' ich's in der Nacht und in der Eil' nicht
so accurat abzählen können, auch ist in einem Sack mehr gewesen und
im andern weniger, aber ich thu' meinem Vater gewiß nicht Unrecht,
wenn ich's im Ganzen auf ein Scheffel sechs oder sieben schätz', Din¬
kel und Haber, ungefähr zu gleichen Theilen -- ganz genau kann ich
das natürlich jetzt nicht mehr sagen.

Sechs bis sieben Scheffel Dinkel und Haber, sagte der Amtmann,
den Kopf auf die Hand stützend. Ja, ja, das müssen wir so praeter
propter
berechnen. Wo sind die pretia rerum? fragte er, in den
auf dem Tische liegenden Acten kramend. Ja so, meine Frau wird
die Zeitung haben. Herr Senator, geh' Er geschwind zu meiner Frau
hinüber: ich lasse sie auf einen Augenblick um die Wöchentlichen An¬
zeigen bitten.

Der Richter ging und brachte das amtliche Landesblatt, auf dessen
Rückseite die Frucht-, Wein-, Holz- und Salzpreise verzeichnet waren.
Der Amtmann nahm das Folioblatt, legte es vor sich auf den Tisch,
stärkte sich zuvor durch eine Prise und suchte dann mit dem Finger im
Schrannenzettel. Da steht's, sagte er: Göppinger Schranne, Dinkel
drei Gulden dreißig, Haber zwei Gulden dreißig.

Ja, sagte der andre Gerichtsbeisitzer verdrießlich, seit der Ernt'

zu ſpät und er habe wohl ſchon viel zu viel geſagt. Auch reichte ſeine
Vernehmlaſſung vollkommen hin, um die Anklage wegen eines Atten¬
tats zu begründen, bei welchem er eine Tödtung wo nicht beabſichtigt,
ſo doch auch nicht gefliſſentlich vermieden, jedenfalls aber eine mehr oder
minder lebensgefährliche Verwundung vorausgeſehen habe.

Zufrieden mit dem bisherigen Erfolge der Unterſuchung, legte der
Amtmann die Feder nieder und nahm das Verhör wieder auf. Jetzt
kommen wir an den Fruchthandel, ſagte er: Er wird nicht in Abrede
zu ziehen gemeint ſein, daß es ein etwas einſeitiger Handel iſt, wenn
man Frucht einſackt, ohne Bezahlung dafür zu leiſten. Pro primo
aber, um die Ausſagen unter ſich in Einklang zu bringen, muß ich
fragen: wie viel iſt's denn eigentlich geweſen?

Herr Amtmann, antwortete Friedrich, ich hab' meinem Vater gleich
im erſten Augenblick erklärt, daß er durch den Handel um keinen
Kreuzer kommen ſolle, und wenn's jetzt an dem iſt, daß er aus mei¬
nem Mütterlichen ſchadlos gehalten werden ſoll, ſo will ich kein Körnle
verſchweigen. Natürlich hab' ich's in der Nacht und in der Eil' nicht
ſo accurat abzählen können, auch iſt in einem Sack mehr geweſen und
im andern weniger, aber ich thu' meinem Vater gewiß nicht Unrecht,
wenn ich's im Ganzen auf ein Scheffel ſechs oder ſieben ſchätz', Din¬
kel und Haber, ungefähr zu gleichen Theilen — ganz genau kann ich
das natürlich jetzt nicht mehr ſagen.

Sechs bis ſieben Scheffel Dinkel und Haber, ſagte der Amtmann,
den Kopf auf die Hand ſtützend. Ja, ja, das müſſen wir ſo praeter
propter
berechnen. Wo ſind die pretia rerum? fragte er, in den
auf dem Tiſche liegenden Acten kramend. Ja ſo, meine Frau wird
die Zeitung haben. Herr Senator, geh' Er geſchwind zu meiner Frau
hinüber: ich laſſe ſie auf einen Augenblick um die Wöchentlichen An¬
zeigen bitten.

Der Richter ging und brachte das amtliche Landesblatt, auf deſſen
Rückſeite die Frucht-, Wein-, Holz- und Salzpreiſe verzeichnet waren.
Der Amtmann nahm das Folioblatt, legte es vor ſich auf den Tiſch,
ſtärkte ſich zuvor durch eine Priſe und ſuchte dann mit dem Finger im
Schrannenzettel. Da ſteht's, ſagte er: Göppinger Schranne, Dinkel
drei Gulden dreißig, Haber zwei Gulden dreißig.

Ja, ſagte der andre Gerichtsbeiſitzer verdrießlich, ſeit der Ernt'

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[274/0290] zu ſpät und er habe wohl ſchon viel zu viel geſagt. Auch reichte ſeine Vernehmlaſſung vollkommen hin, um die Anklage wegen eines Atten¬ tats zu begründen, bei welchem er eine Tödtung wo nicht beabſichtigt, ſo doch auch nicht gefliſſentlich vermieden, jedenfalls aber eine mehr oder minder lebensgefährliche Verwundung vorausgeſehen habe. Zufrieden mit dem bisherigen Erfolge der Unterſuchung, legte der Amtmann die Feder nieder und nahm das Verhör wieder auf. Jetzt kommen wir an den Fruchthandel, ſagte er: Er wird nicht in Abrede zu ziehen gemeint ſein, daß es ein etwas einſeitiger Handel iſt, wenn man Frucht einſackt, ohne Bezahlung dafür zu leiſten. Pro primo aber, um die Ausſagen unter ſich in Einklang zu bringen, muß ich fragen: wie viel iſt's denn eigentlich geweſen? Herr Amtmann, antwortete Friedrich, ich hab' meinem Vater gleich im erſten Augenblick erklärt, daß er durch den Handel um keinen Kreuzer kommen ſolle, und wenn's jetzt an dem iſt, daß er aus mei¬ nem Mütterlichen ſchadlos gehalten werden ſoll, ſo will ich kein Körnle verſchweigen. Natürlich hab' ich's in der Nacht und in der Eil' nicht ſo accurat abzählen können, auch iſt in einem Sack mehr geweſen und im andern weniger, aber ich thu' meinem Vater gewiß nicht Unrecht, wenn ich's im Ganzen auf ein Scheffel ſechs oder ſieben ſchätz', Din¬ kel und Haber, ungefähr zu gleichen Theilen — ganz genau kann ich das natürlich jetzt nicht mehr ſagen. Sechs bis ſieben Scheffel Dinkel und Haber, ſagte der Amtmann, den Kopf auf die Hand ſtützend. Ja, ja, das müſſen wir ſo praeter propter berechnen. Wo ſind die pretia rerum? fragte er, in den auf dem Tiſche liegenden Acten kramend. Ja ſo, meine Frau wird die Zeitung haben. Herr Senator, geh' Er geſchwind zu meiner Frau hinüber: ich laſſe ſie auf einen Augenblick um die Wöchentlichen An¬ zeigen bitten. Der Richter ging und brachte das amtliche Landesblatt, auf deſſen Rückſeite die Frucht-, Wein-, Holz- und Salzpreiſe verzeichnet waren. Der Amtmann nahm das Folioblatt, legte es vor ſich auf den Tiſch, ſtärkte ſich zuvor durch eine Priſe und ſuchte dann mit dem Finger im Schrannenzettel. Da ſteht's, ſagte er: Göppinger Schranne, Dinkel drei Gulden dreißig, Haber zwei Gulden dreißig. Ja, ſagte der andre Gerichtsbeiſitzer verdrießlich, ſeit der Ernt'

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/290>, abgerufen am 25.11.2024.