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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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unbestimmter Weise, verschmäht hatte, sich jetzt als "gemachter Mann"
zeigen wollte; ja, die Zärtlichkeiten, die er seiner Braut erwies,
gaben manchmal dem Sonnenwirth einen Stich durch's Herz, als ob
sie wie ein Spott auf ihn gemünzt wären. Er dachte aber nicht
daran, um wie viel besser er seine Tochter versorgt haben würde, wenn
er ihr diesen nach seinem eignen Geständniß so wackern, fleißigen und
angenehmen jungen Mann hätte zu Theil werden lassen, und welch'
ein gutes Beispiel für seinen Sohn ein Schwager gewesen wäre, der,
gleichfalls jung und der Lebensfreude nicht abhold, doch das Erfreu¬
liche im Nützlichen zu suchen und bei seiner Wahl, wie es wenigstens
schien, Liebreiz mit Verstand und Reichthum vereinigt zu finden wußte.
Er dachte nur daran, daß sein Sohn in allen Stücken das Gegentheil
von diesem jungen Manne, daß dessen Braut, so sehr sie ihm und
eben weil sie ihm gefiel, ein wahres Spottbild auf die Wahl seines
Sohnes vorstelle. Friedrich indessen dachte an gar nichts als an seine
und Christinens verzweifelte Lage, an den niederschlagenden Brief des
Advocaten, von dem er kaum hoffen konnte, daß er reinen Mund
halten würde, und an den liebreichen Antrag des alten Boten, der
ihn so seltsam bestürmt hatte. Während ihn diese Gedanken unauf¬
hörlich beschäftigten, mußte er dazwischen, von Georg aufgerufen, der
ihn durchaus heiter sehen wollte, mit der Gesellschaft schwatzen, einmal
über das andre Bescheid thun, auf das Geheiß des splendiden Bräu¬
tigams Wein aus dem Keller holen, wieder schwatzen und lachen und
immer wieder trinken, so daß er zuletzt kaum mehr wußte, ob er sei¬
nen Kopf oder das Mühlrad seines Freundes auf den Schultern habe.

Wie es gerade in lebhafteren Gesellschaften nicht selten vorkommt,
war nach einer Reihe ernsthafter Gespräche und lustiger Späße auf
einmal die Unterhaltungsspule abgelaufen, und es entstand jene Stille,
während welcher jedes Mitglied sich den Kopf zu zerbrechen pflegt, um
wo möglich einen neuen Stoff zur Verarbeitung aufzutischen. Der
Sonnenwirth, der den Wein gleichfalls spürte, hielt sich vor Allen als
Wirth und Hausherr verpflichtet, in die Lücke zu treten, und der An¬
laß zu einer Aeußerung lag ihm nur allzu nahe. Hatte ihm der
Bräutigam vorhin, wohl mehr aus Höflichkeit als Ueberzeugung, wie
ihn däuchte, seinen Sohn gelobt, so glaubte er diese schmeichelhaften
Reden jetzt im entgegengesetzten Sinne erwidern zu müssen. Das

unbeſtimmter Weiſe, verſchmäht hatte, ſich jetzt als „gemachter Mann“
zeigen wollte; ja, die Zärtlichkeiten, die er ſeiner Braut erwies,
gaben manchmal dem Sonnenwirth einen Stich durch's Herz, als ob
ſie wie ein Spott auf ihn gemünzt wären. Er dachte aber nicht
daran, um wie viel beſſer er ſeine Tochter verſorgt haben würde, wenn
er ihr dieſen nach ſeinem eignen Geſtändniß ſo wackern, fleißigen und
angenehmen jungen Mann hätte zu Theil werden laſſen, und welch'
ein gutes Beiſpiel für ſeinen Sohn ein Schwager geweſen wäre, der,
gleichfalls jung und der Lebensfreude nicht abhold, doch das Erfreu¬
liche im Nützlichen zu ſuchen und bei ſeiner Wahl, wie es wenigſtens
ſchien, Liebreiz mit Verſtand und Reichthum vereinigt zu finden wußte.
Er dachte nur daran, daß ſein Sohn in allen Stücken das Gegentheil
von dieſem jungen Manne, daß deſſen Braut, ſo ſehr ſie ihm und
eben weil ſie ihm gefiel, ein wahres Spottbild auf die Wahl ſeines
Sohnes vorſtelle. Friedrich indeſſen dachte an gar nichts als an ſeine
und Chriſtinens verzweifelte Lage, an den niederſchlagenden Brief des
Advocaten, von dem er kaum hoffen konnte, daß er reinen Mund
halten würde, und an den liebreichen Antrag des alten Boten, der
ihn ſo ſeltſam beſtürmt hatte. Während ihn dieſe Gedanken unauf¬
hörlich beſchäftigten, mußte er dazwiſchen, von Georg aufgerufen, der
ihn durchaus heiter ſehen wollte, mit der Geſellſchaft ſchwatzen, einmal
über das andre Beſcheid thun, auf das Geheiß des ſplendiden Bräu¬
tigams Wein aus dem Keller holen, wieder ſchwatzen und lachen und
immer wieder trinken, ſo daß er zuletzt kaum mehr wußte, ob er ſei¬
nen Kopf oder das Mühlrad ſeines Freundes auf den Schultern habe.

Wie es gerade in lebhafteren Geſellſchaften nicht ſelten vorkommt,
war nach einer Reihe ernſthafter Geſpräche und luſtiger Späße auf
einmal die Unterhaltungsſpule abgelaufen, und es entſtand jene Stille,
während welcher jedes Mitglied ſich den Kopf zu zerbrechen pflegt, um
wo möglich einen neuen Stoff zur Verarbeitung aufzutiſchen. Der
Sonnenwirth, der den Wein gleichfalls ſpürte, hielt ſich vor Allen als
Wirth und Hausherr verpflichtet, in die Lücke zu treten, und der An¬
laß zu einer Aeußerung lag ihm nur allzu nahe. Hatte ihm der
Bräutigam vorhin, wohl mehr aus Höflichkeit als Ueberzeugung, wie
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Reden jetzt im entgegengeſetzten Sinne erwidern zu müſſen. Das

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[254/0270] unbeſtimmter Weiſe, verſchmäht hatte, ſich jetzt als „gemachter Mann“ zeigen wollte; ja, die Zärtlichkeiten, die er ſeiner Braut erwies, gaben manchmal dem Sonnenwirth einen Stich durch's Herz, als ob ſie wie ein Spott auf ihn gemünzt wären. Er dachte aber nicht daran, um wie viel beſſer er ſeine Tochter verſorgt haben würde, wenn er ihr dieſen nach ſeinem eignen Geſtändniß ſo wackern, fleißigen und angenehmen jungen Mann hätte zu Theil werden laſſen, und welch' ein gutes Beiſpiel für ſeinen Sohn ein Schwager geweſen wäre, der, gleichfalls jung und der Lebensfreude nicht abhold, doch das Erfreu¬ liche im Nützlichen zu ſuchen und bei ſeiner Wahl, wie es wenigſtens ſchien, Liebreiz mit Verſtand und Reichthum vereinigt zu finden wußte. Er dachte nur daran, daß ſein Sohn in allen Stücken das Gegentheil von dieſem jungen Manne, daß deſſen Braut, ſo ſehr ſie ihm und eben weil ſie ihm gefiel, ein wahres Spottbild auf die Wahl ſeines Sohnes vorſtelle. Friedrich indeſſen dachte an gar nichts als an ſeine und Chriſtinens verzweifelte Lage, an den niederſchlagenden Brief des Advocaten, von dem er kaum hoffen konnte, daß er reinen Mund halten würde, und an den liebreichen Antrag des alten Boten, der ihn ſo ſeltſam beſtürmt hatte. Während ihn dieſe Gedanken unauf¬ hörlich beſchäftigten, mußte er dazwiſchen, von Georg aufgerufen, der ihn durchaus heiter ſehen wollte, mit der Geſellſchaft ſchwatzen, einmal über das andre Beſcheid thun, auf das Geheiß des ſplendiden Bräu¬ tigams Wein aus dem Keller holen, wieder ſchwatzen und lachen und immer wieder trinken, ſo daß er zuletzt kaum mehr wußte, ob er ſei¬ nen Kopf oder das Mühlrad ſeines Freundes auf den Schultern habe. Wie es gerade in lebhafteren Geſellſchaften nicht ſelten vorkommt, war nach einer Reihe ernſthafter Geſpräche und luſtiger Späße auf einmal die Unterhaltungsſpule abgelaufen, und es entſtand jene Stille, während welcher jedes Mitglied ſich den Kopf zu zerbrechen pflegt, um wo möglich einen neuen Stoff zur Verarbeitung aufzutiſchen. Der Sonnenwirth, der den Wein gleichfalls ſpürte, hielt ſich vor Allen als Wirth und Hausherr verpflichtet, in die Lücke zu treten, und der An¬ laß zu einer Aeußerung lag ihm nur allzu nahe. Hatte ihm der Bräutigam vorhin, wohl mehr aus Höflichkeit als Ueberzeugung, wie ihn däuchte, ſeinen Sohn gelobt, ſo glaubte er dieſe ſchmeichelhaften Reden jetzt im entgegengeſetzten Sinne erwidern zu müſſen. Das

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/270>, abgerufen am 22.11.2024.