wär'. Wiewohl, ihr brauchet mir nicht viel gute Wort' zu geben, wenn ich euch soll den Gefallen thun.
Die Hirschbäuerin, die mit ihren Söhnen etwas vorausgegangen war, kam eilig zurück um abzuwehren; aber weder ihre Ermahnung noch das vielleicht kräftigere Einschreiten der beiden Söhne war von¬ nöthen, denn die Getroffenen zogen mäuschenstille ab und wagten erst in weiter Entfernung wieder zu schimpfen und zu spotten.
Friedrich aber sagte zu seiner Braut: Christine, bleib' standhaft und mach' mir kein' Streich. Du kannst mein'twegen Hochzeit und Kindbett am gleichen Tag halten, aber nur fein nach einander, damit nicht ein Segen zu früh kommt und der ander' zu spät.
Sei doch ruhig, erwiderte sie, das hat keine Noth.
Der Kukuk hat's gesehen, fuhr er fort, daß man sich dreimal proclamiren lassen muß. Gleich das erst'mal sollt' man von der Kanzel vor den Altar kommen, damit Einem die Welt keinen Prügel mehr in den Weg werfen könnt'.
Das wär' doch nicht gut, meinte Christine dagegen. Da könnt' ja kein arm's Mädle mehr Einspruch thun, wenn ihr Schatz sie sitzen ließ' und ließ' sich mit einer Andern zusammengeben.
Ist auch wahr, sagte er. Um der Untreu' der Menschen willen müssen die Treuen mitleiden. Uebrigens möcht' ich nichts mehr von Einem, der mich einmal verkauft und verrathen hätt', und was den Einspruch betrifft, so wird eine Arme wunderselten dadurch ihr Recht erlangen, weil gleich Alles zusammenhilft, daß sie geschweigt wird.
Darum ist's eben das Best', wenn man sich auf einander verlas¬ sen kann, sagte Christine, dann sind die drei Wochen Aufschub auch nicht zu lang.
Gott geb's, erwiderte er, aber ich wollt', sie wären vorbei.
Die zweite Proclamation, die am nächstfolgenden Sonntage statt fand, machte schon nicht mehr so viel Aufsehen wie die erste; denn die Menschen fügen sich in Vieles, und manche neue Erscheinung, die sie im ersten Augenblick mit Keulenschlägen empfingen, ist ihnen im Lauf der Zeiten vertraut und befreundet oder, oft richtiger gesagt, zur Gewohnheit geworden.
An diesem Tage begehrte Friedrich von seinem Vater eine Unterredung, die er die ganze Woche schüchtern aufgeschoben hatte. Er stellte ihm
wär'. Wiewohl, ihr brauchet mir nicht viel gute Wort' zu geben, wenn ich euch ſoll den Gefallen thun.
Die Hirſchbäuerin, die mit ihren Söhnen etwas vorausgegangen war, kam eilig zurück um abzuwehren; aber weder ihre Ermahnung noch das vielleicht kräftigere Einſchreiten der beiden Söhne war von¬ nöthen, denn die Getroffenen zogen mäuschenſtille ab und wagten erſt in weiter Entfernung wieder zu ſchimpfen und zu ſpotten.
Friedrich aber ſagte zu ſeiner Braut: Chriſtine, bleib' ſtandhaft und mach' mir kein' Streich. Du kannſt mein'twegen Hochzeit und Kindbett am gleichen Tag halten, aber nur fein nach einander, damit nicht ein Segen zu früh kommt und der ander' zu ſpät.
Sei doch ruhig, erwiderte ſie, das hat keine Noth.
Der Kukuk hat's geſehen, fuhr er fort, daß man ſich dreimal proclamiren laſſen muß. Gleich das erſt'mal ſollt' man von der Kanzel vor den Altar kommen, damit Einem die Welt keinen Prügel mehr in den Weg werfen könnt'.
Das wär' doch nicht gut, meinte Chriſtine dagegen. Da könnt' ja kein arm's Mädle mehr Einſpruch thun, wenn ihr Schatz ſie ſitzen ließ' und ließ' ſich mit einer Andern zuſammengeben.
Iſt auch wahr, ſagte er. Um der Untreu' der Menſchen willen müſſen die Treuen mitleiden. Uebrigens möcht' ich nichts mehr von Einem, der mich einmal verkauft und verrathen hätt', und was den Einſpruch betrifft, ſo wird eine Arme wunderſelten dadurch ihr Recht erlangen, weil gleich Alles zuſammenhilft, daß ſie geſchweigt wird.
Darum iſt's eben das Beſt', wenn man ſich auf einander verlaſ¬ ſen kann, ſagte Chriſtine, dann ſind die drei Wochen Aufſchub auch nicht zu lang.
Gott geb's, erwiderte er, aber ich wollt', ſie wären vorbei.
Die zweite Proclamation, die am nächſtfolgenden Sonntage ſtatt fand, machte ſchon nicht mehr ſo viel Aufſehen wie die erſte; denn die Menſchen fügen ſich in Vieles, und manche neue Erſcheinung, die ſie im erſten Augenblick mit Keulenſchlägen empfingen, iſt ihnen im Lauf der Zeiten vertraut und befreundet oder, oft richtiger geſagt, zur Gewohnheit geworden.
An dieſem Tage begehrte Friedrich von ſeinem Vater eine Unterredung, die er die ganze Woche ſchüchtern aufgeſchoben hatte. Er ſtellte ihm
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ich euch ſoll den Gefallen thun.
Die Hirſchbäuerin, die mit ihren Söhnen etwas vorausgegangen
war, kam eilig zurück um abzuwehren; aber weder ihre Ermahnung
noch das vielleicht kräftigere Einſchreiten der beiden Söhne war von¬
nöthen, denn die Getroffenen zogen mäuschenſtille ab und wagten erſt
in weiter Entfernung wieder zu ſchimpfen und zu ſpotten.
Friedrich aber ſagte zu ſeiner Braut: Chriſtine, bleib' ſtandhaft
und mach' mir kein' Streich. Du kannſt mein'twegen Hochzeit und
Kindbett am gleichen Tag halten, aber nur fein nach einander, damit
nicht ein Segen zu früh kommt und der ander' zu ſpät.
Sei doch ruhig, erwiderte ſie, das hat keine Noth.
Der Kukuk hat's geſehen, fuhr er fort, daß man ſich dreimal
proclamiren laſſen muß. Gleich das erſt'mal ſollt' man von der
Kanzel vor den Altar kommen, damit Einem die Welt keinen Prügel
mehr in den Weg werfen könnt'.
Das wär' doch nicht gut, meinte Chriſtine dagegen. Da könnt'
ja kein arm's Mädle mehr Einſpruch thun, wenn ihr Schatz ſie ſitzen
ließ' und ließ' ſich mit einer Andern zuſammengeben.
Iſt auch wahr, ſagte er. Um der Untreu' der Menſchen willen
müſſen die Treuen mitleiden. Uebrigens möcht' ich nichts mehr von
Einem, der mich einmal verkauft und verrathen hätt', und was den
Einſpruch betrifft, ſo wird eine Arme wunderſelten dadurch ihr Recht
erlangen, weil gleich Alles zuſammenhilft, daß ſie geſchweigt wird.
Darum iſt's eben das Beſt', wenn man ſich auf einander verlaſ¬
ſen kann, ſagte Chriſtine, dann ſind die drei Wochen Aufſchub auch
nicht zu lang.
Gott geb's, erwiderte er, aber ich wollt', ſie wären vorbei.
Die zweite Proclamation, die am nächſtfolgenden Sonntage ſtatt
fand, machte ſchon nicht mehr ſo viel Aufſehen wie die erſte; denn
die Menſchen fügen ſich in Vieles, und manche neue Erſcheinung, die
ſie im erſten Augenblick mit Keulenſchlägen empfingen, iſt ihnen im
Lauf der Zeiten vertraut und befreundet oder, oft richtiger geſagt, zur
Gewohnheit geworden.
An dieſem Tage begehrte Friedrich von ſeinem Vater eine Unterredung,
die er die ganze Woche ſchüchtern aufgeſchoben hatte. Er ſtellte ihm
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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/250>, abgerufen am 24.11.2024.
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