Ich sag' noch einmal, tritt zurück, so lang's noch Zeit ist.
Nein, eher will ich mich stöcken und blöcken lassen. Entweder setzet mich in's Zuchthaus, wenn Ihr nichts Bessers wisset, oder gebet mir mein Mütterlichs heraus, damit die Sach' auf ein' oder die ander' Art endlich in Ordnung kommt.
Zu deinem Hochzeitstag kannst's haben, wenn du von deinem Tu¬ gendspiegel nicht lassen willst, und kannst dann gleich auch Tauf' davon halten. Ich möcht' nur auch wissen, was du an ihr find'st. Ich will nicht weiter mit dir streiten, ob du dich mit dem Crispinus vergleichen kannst, aber wenn du das sein willst, so sag' nur selber, was du von deiner Crispina hältst, die sich gestohlene Sachen zutragen läßt; denn das leid't kein Zweifel, da machst mir nichts weiß.
Angenommen, es sei so, wisset Ihr denn, ob sie's weiß woher ich's hab'?
Sie wird wohl denken, es sei dir in der Hand gewachsen?
Vater, wenn sie reich wär', so möcht' sie thun was sie wollt', Ihr würdet anders von ihr denken. Jetzt ist sie einmal mein, und das Kind, das sie unterm Herzen trägt, ist mein Kind, und muß zu seiner Mutter einen Vater haben, wie ich zu meinem Vater eine Mut¬ ter haben sollt'.
So renn' in dein Verderben, wenn du nicht anders willst, sagte der Alte, nahm das Licht und ging in seine Kammer.
25.
Richtig, das muß man sagen, hatte die Krämerin prophezeit. Nie war seit Jahren in dem doch so christlich gesinnten Flecken die Kirche so gefüllt gewesen wie an dem Sonntag, an welchem Friedrich mit Christinen proclamirt wurde. Außer den Kranken und Gebrechlichen blieb niemand zurück, von den Gesunden fehlte nur die Familie des Sonnenwirths. Der alte Hirschbauer hatte alle die Seinigen in die Kirche geschickt: die Mucken werden mich derweil nicht fressen, hatte er gesagt. Selbst der kleine Wollkopf hatte in dem Weiberstande
Ich ſag' noch einmal, tritt zurück, ſo lang's noch Zeit iſt.
Nein, eher will ich mich ſtöcken und blöcken laſſen. Entweder ſetzet mich in's Zuchthaus, wenn Ihr nichts Beſſers wiſſet, oder gebet mir mein Mütterlichs heraus, damit die Sach' auf ein' oder die ander' Art endlich in Ordnung kommt.
Zu deinem Hochzeitstag kannſt's haben, wenn du von deinem Tu¬ gendſpiegel nicht laſſen willſt, und kannſt dann gleich auch Tauf' davon halten. Ich möcht' nur auch wiſſen, was du an ihr find'ſt. Ich will nicht weiter mit dir ſtreiten, ob du dich mit dem Criſpinus vergleichen kannſt, aber wenn du das ſein willſt, ſo ſag' nur ſelber, was du von deiner Criſpina hältſt, die ſich geſtohlene Sachen zutragen läßt; denn das leid't kein Zweifel, da machſt mir nichts weiß.
Angenommen, es ſei ſo, wiſſet Ihr denn, ob ſie's weiß woher ich's hab'?
Sie wird wohl denken, es ſei dir in der Hand gewachſen?
Vater, wenn ſie reich wär', ſo möcht' ſie thun was ſie wollt', Ihr würdet anders von ihr denken. Jetzt iſt ſie einmal mein, und das Kind, das ſie unterm Herzen trägt, iſt mein Kind, und muß zu ſeiner Mutter einen Vater haben, wie ich zu meinem Vater eine Mut¬ ter haben ſollt'.
So renn' in dein Verderben, wenn du nicht anders willſt, ſagte der Alte, nahm das Licht und ging in ſeine Kammer.
25.
Richtig, das muß man ſagen, hatte die Krämerin prophezeit. Nie war ſeit Jahren in dem doch ſo chriſtlich geſinnten Flecken die Kirche ſo gefüllt geweſen wie an dem Sonntag, an welchem Friedrich mit Chriſtinen proclamirt wurde. Außer den Kranken und Gebrechlichen blieb niemand zurück, von den Geſunden fehlte nur die Familie des Sonnenwirths. Der alte Hirſchbauer hatte alle die Seinigen in die Kirche geſchickt: die Mucken werden mich derweil nicht freſſen, hatte er geſagt. Selbſt der kleine Wollkopf hatte in dem Weiberſtande
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0247"n="231"/><p>Ich ſag' noch einmal, tritt zurück, ſo lang's noch Zeit iſt.</p><lb/><p>Nein, eher will ich mich ſtöcken und blöcken laſſen. Entweder<lb/>ſetzet mich in's Zuchthaus, wenn Ihr nichts Beſſers wiſſet, oder gebet<lb/>
mir mein Mütterlichs heraus, damit die Sach' auf ein' oder die<lb/>
ander' Art endlich in Ordnung kommt.</p><lb/><p>Zu deinem Hochzeitstag kannſt's haben, wenn du von deinem Tu¬<lb/>
gendſpiegel nicht laſſen willſt, und kannſt dann gleich auch Tauf' davon<lb/>
halten. Ich möcht' nur auch wiſſen, was du an ihr find'ſt. Ich will<lb/>
nicht weiter mit dir ſtreiten, ob du dich mit dem Criſpinus vergleichen<lb/>
kannſt, aber wenn du das ſein willſt, ſo ſag' nur ſelber, was du von<lb/>
deiner Criſpina hältſt, die ſich geſtohlene Sachen zutragen läßt; denn<lb/><hirendition="#g">das</hi> leid't kein Zweifel, <hirendition="#g">da</hi> machſt mir nichts weiß.</p><lb/><p>Angenommen, es ſei ſo, wiſſet Ihr denn, ob ſie's weiß woher<lb/>
ich's hab'?</p><lb/><p>Sie wird wohl denken, es ſei dir in der Hand gewachſen?</p><lb/><p>Vater, wenn ſie reich wär', ſo möcht' ſie thun was ſie wollt',<lb/>
Ihr würdet anders von ihr denken. Jetzt iſt ſie einmal mein, und<lb/>
das Kind, das ſie unterm Herzen trägt, iſt mein Kind, und muß zu<lb/>ſeiner Mutter einen Vater haben, wie ich zu meinem Vater eine Mut¬<lb/>
ter haben ſollt'.</p><lb/><p>So renn' in dein Verderben, wenn du nicht anders willſt, ſagte<lb/>
der Alte, nahm das Licht und ging in ſeine Kammer.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div><divn="1"><head>25.<lb/></head><p>Richtig, das muß man ſagen, hatte die Krämerin prophezeit. Nie<lb/>
war ſeit Jahren in dem doch ſo chriſtlich geſinnten Flecken die Kirche<lb/>ſo gefüllt geweſen wie an dem Sonntag, an welchem Friedrich mit<lb/>
Chriſtinen proclamirt wurde. Außer den Kranken und Gebrechlichen<lb/>
blieb niemand zurück, von den Geſunden fehlte nur die Familie des<lb/>
Sonnenwirths. Der alte Hirſchbauer hatte alle die Seinigen in die<lb/>
Kirche geſchickt: die Mucken werden mich derweil nicht freſſen, hatte<lb/>
er geſagt. Selbſt der kleine Wollkopf hatte in dem Weiberſtande<lb/></p></div></body></text></TEI>
[231/0247]
Ich ſag' noch einmal, tritt zurück, ſo lang's noch Zeit iſt.
Nein, eher will ich mich ſtöcken und blöcken laſſen. Entweder
ſetzet mich in's Zuchthaus, wenn Ihr nichts Beſſers wiſſet, oder gebet
mir mein Mütterlichs heraus, damit die Sach' auf ein' oder die
ander' Art endlich in Ordnung kommt.
Zu deinem Hochzeitstag kannſt's haben, wenn du von deinem Tu¬
gendſpiegel nicht laſſen willſt, und kannſt dann gleich auch Tauf' davon
halten. Ich möcht' nur auch wiſſen, was du an ihr find'ſt. Ich will
nicht weiter mit dir ſtreiten, ob du dich mit dem Criſpinus vergleichen
kannſt, aber wenn du das ſein willſt, ſo ſag' nur ſelber, was du von
deiner Criſpina hältſt, die ſich geſtohlene Sachen zutragen läßt; denn
das leid't kein Zweifel, da machſt mir nichts weiß.
Angenommen, es ſei ſo, wiſſet Ihr denn, ob ſie's weiß woher
ich's hab'?
Sie wird wohl denken, es ſei dir in der Hand gewachſen?
Vater, wenn ſie reich wär', ſo möcht' ſie thun was ſie wollt',
Ihr würdet anders von ihr denken. Jetzt iſt ſie einmal mein, und
das Kind, das ſie unterm Herzen trägt, iſt mein Kind, und muß zu
ſeiner Mutter einen Vater haben, wie ich zu meinem Vater eine Mut¬
ter haben ſollt'.
So renn' in dein Verderben, wenn du nicht anders willſt, ſagte
der Alte, nahm das Licht und ging in ſeine Kammer.
25.
Richtig, das muß man ſagen, hatte die Krämerin prophezeit. Nie
war ſeit Jahren in dem doch ſo chriſtlich geſinnten Flecken die Kirche
ſo gefüllt geweſen wie an dem Sonntag, an welchem Friedrich mit
Chriſtinen proclamirt wurde. Außer den Kranken und Gebrechlichen
blieb niemand zurück, von den Geſunden fehlte nur die Familie des
Sonnenwirths. Der alte Hirſchbauer hatte alle die Seinigen in die
Kirche geſchickt: die Mucken werden mich derweil nicht freſſen, hatte
er geſagt. Selbſt der kleine Wollkopf hatte in dem Weiberſtande
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/247>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.