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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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gedroht, und letzten Winter ist wieder so ein Geschrei gangen, und
ist beidemal kein wahr's Wort dran gewesen. Dasmal wird's viel¬
leicht auch nicht viel besser sein. Sollt' ich aber je im Weindampf von
den sechszehn Batzen, die mir mein Vater hier vor Convent vorrechnet,
ein solches Wort haben ausgehen lassen, so ist's von da bis zur That
noch ein weiter Weg. Mein Vater hat mir des Küblers Häusle
noch nicht kauft und ich hab's noch nicht anzünd't. Wenn jedes un¬
nütz' Wort, das Einer im Zorn fallen läßt, bei Kirchenconvent ange¬
bracht würd', so stünd' am End' der ganz' Kirchenconvent da wo ich
jetzt steh'.

Frecher Bub', fuhr sein Vormund auf, du solltest froh sein, daß
dein Vater hat für dich sorgen wollen. Des Küblers Häusle ist
noch viel zu gut für dich.

So klein und schlecht es ist, sagte Friedrich, so wär' ich für
meine Person damit zufrieden gewesen. Aber der Herr Vetter weiß
wohl, in welchem Geruch das Häusle bei dem ganzen Flecken steht
und daß ich mit meiner Christine nicht hineinziehen kann. Ja, wenn
mir die Herren den Küblerfritz im Wald wieder ausgraben lassen und
lassen ihn auf'm Kirchhof in ein ehrlichs Grab legen, dann will ich
in sein Häusle einziehen. Das wär' zudem ein Werk, das die Herren
verantworten könnten, denn was er auch mit Gottes Zulassung ge¬
than hat, er ist fürwahr kein schlechter Mensch gewesen.

Natürlich! rief der Vormund: gleiche Brüder, gleiche Kappen. --
Der Anwalt und der Heiligenpfleger brachen in ein Gelächter aus, das
sie erst nach einem Blick auf den Pfarrer und Amtmann wieder dämpften.

Der Herr Vetter zeigt den richtigen Weg an, versetzte Friedrich.
Wenn ich in das Häusle einzög', so thät' mich Mancher, wie jetzt
der Herr Vetter, dann den neuen Kübler heißen. Nun bleib' ich zwar
dabei, daß er besser gewesen ist als man ihn ausgibt, aber darum will
ich doch nicht mit meiner Christine in dem Häusle wohnen und so an¬
gesehen sein wie der Kübler mit seinem Weib. So wird's gewiß
jedem Andern auch gehen, und daran können die Herren abnehmen
ob's mein Vater ehrlich mit mir meint, wenn er sagt, er woll' mir
das Häusle kaufen. Wiewohl, ich glaub' gar nicht, daß der Gedank'
in seinem Kopf gewachsen ist.

gedroht, und letzten Winter iſt wieder ſo ein Geſchrei gangen, und
iſt beidemal kein wahr's Wort dran geweſen. Dasmal wird's viel¬
leicht auch nicht viel beſſer ſein. Sollt' ich aber je im Weindampf von
den ſechszehn Batzen, die mir mein Vater hier vor Convent vorrechnet,
ein ſolches Wort haben ausgehen laſſen, ſo iſt's von da bis zur That
noch ein weiter Weg. Mein Vater hat mir des Küblers Häusle
noch nicht kauft und ich hab's noch nicht anzünd't. Wenn jedes un¬
nütz' Wort, das Einer im Zorn fallen läßt, bei Kirchenconvent ange¬
bracht würd', ſo ſtünd' am End' der ganz' Kirchenconvent da wo ich
jetzt ſteh'.

Frecher Bub', fuhr ſein Vormund auf, du ſollteſt froh ſein, daß
dein Vater hat für dich ſorgen wollen. Des Küblers Häusle iſt
noch viel zu gut für dich.

So klein und ſchlecht es iſt, ſagte Friedrich, ſo wär' ich für
meine Perſon damit zufrieden geweſen. Aber der Herr Vetter weiß
wohl, in welchem Geruch das Häusle bei dem ganzen Flecken ſteht
und daß ich mit meiner Chriſtine nicht hineinziehen kann. Ja, wenn
mir die Herren den Küblerfritz im Wald wieder ausgraben laſſen und
laſſen ihn auf'm Kirchhof in ein ehrlichs Grab legen, dann will ich
in ſein Häusle einziehen. Das wär' zudem ein Werk, das die Herren
verantworten könnten, denn was er auch mit Gottes Zulaſſung ge¬
than hat, er iſt fürwahr kein ſchlechter Menſch geweſen.

Natürlich! rief der Vormund: gleiche Brüder, gleiche Kappen. —
Der Anwalt und der Heiligenpfleger brachen in ein Gelächter aus, das
ſie erſt nach einem Blick auf den Pfarrer und Amtmann wieder dämpften.

Der Herr Vetter zeigt den richtigen Weg an, verſetzte Friedrich.
Wenn ich in das Häusle einzög', ſo thät' mich Mancher, wie jetzt
der Herr Vetter, dann den neuen Kübler heißen. Nun bleib' ich zwar
dabei, daß er beſſer geweſen iſt als man ihn ausgibt, aber darum will
ich doch nicht mit meiner Chriſtine in dem Häusle wohnen und ſo an¬
geſehen ſein wie der Kübler mit ſeinem Weib. So wird's gewiß
jedem Andern auch gehen, und daran können die Herren abnehmen
ob's mein Vater ehrlich mit mir meint, wenn er ſagt, er woll' mir
das Häusle kaufen. Wiewohl, ich glaub' gar nicht, daß der Gedank'
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[207/0223] gedroht, und letzten Winter iſt wieder ſo ein Geſchrei gangen, und iſt beidemal kein wahr's Wort dran geweſen. Dasmal wird's viel¬ leicht auch nicht viel beſſer ſein. Sollt' ich aber je im Weindampf von den ſechszehn Batzen, die mir mein Vater hier vor Convent vorrechnet, ein ſolches Wort haben ausgehen laſſen, ſo iſt's von da bis zur That noch ein weiter Weg. Mein Vater hat mir des Küblers Häusle noch nicht kauft und ich hab's noch nicht anzünd't. Wenn jedes un¬ nütz' Wort, das Einer im Zorn fallen läßt, bei Kirchenconvent ange¬ bracht würd', ſo ſtünd' am End' der ganz' Kirchenconvent da wo ich jetzt ſteh'. Frecher Bub', fuhr ſein Vormund auf, du ſollteſt froh ſein, daß dein Vater hat für dich ſorgen wollen. Des Küblers Häusle iſt noch viel zu gut für dich. So klein und ſchlecht es iſt, ſagte Friedrich, ſo wär' ich für meine Perſon damit zufrieden geweſen. Aber der Herr Vetter weiß wohl, in welchem Geruch das Häusle bei dem ganzen Flecken ſteht und daß ich mit meiner Chriſtine nicht hineinziehen kann. Ja, wenn mir die Herren den Küblerfritz im Wald wieder ausgraben laſſen und laſſen ihn auf'm Kirchhof in ein ehrlichs Grab legen, dann will ich in ſein Häusle einziehen. Das wär' zudem ein Werk, das die Herren verantworten könnten, denn was er auch mit Gottes Zulaſſung ge¬ than hat, er iſt fürwahr kein ſchlechter Menſch geweſen. Natürlich! rief der Vormund: gleiche Brüder, gleiche Kappen. — Der Anwalt und der Heiligenpfleger brachen in ein Gelächter aus, das ſie erſt nach einem Blick auf den Pfarrer und Amtmann wieder dämpften. Der Herr Vetter zeigt den richtigen Weg an, verſetzte Friedrich. Wenn ich in das Häusle einzög', ſo thät' mich Mancher, wie jetzt der Herr Vetter, dann den neuen Kübler heißen. Nun bleib' ich zwar dabei, daß er beſſer geweſen iſt als man ihn ausgibt, aber darum will ich doch nicht mit meiner Chriſtine in dem Häusle wohnen und ſo an¬ geſehen ſein wie der Kübler mit ſeinem Weib. So wird's gewiß jedem Andern auch gehen, und daran können die Herren abnehmen ob's mein Vater ehrlich mit mir meint, wenn er ſagt, er woll' mir das Häusle kaufen. Wiewohl, ich glaub' gar nicht, daß der Gedank' in ſeinem Kopf gewachſen iſt.

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/223>, abgerufen am 28.11.2024.