auch gegen Seine Mutter und andere Leute aus, also daß er niemals in seinem eigenen Haus sicher sei.
Kann mein Vater sagen, daß ich mich an ihm vergriffen habe? wendete Friedrich ein.
Schweig' Er still, befahl der Pfarrer, ich werde die Punkte der Ordnung nach vornehmen. Er kramte, durch die Einrede etwas aus dem Concept gebracht, eine Weile in seinen Notizen und fuhr dann fort: Pro primo, so sagt Sein Vater, Er habe Geld von ihm gefor¬ dert, und da er Ihm gesagt, Er habe ja erst ein Jahrmarktstrinkgeld bekommen, sechszehn Batzen, warum er es vertrunken? so habe Er gesagt, er habe recht gethan, und wenn er ein größeres Trinkgeld be¬ kommen hätte, so hätte er's auch verthan. Ist dem so?
Ich muß mich wundern, sagte Friedrich, daß mein Vater so elende Händel vor Kirchenconvent bringt. Er weiß wohl, daß ich mehr Geld von ihm verlangt hab' und nicht zum Trinken; statt dessen hat er mich mit einem Trinkgeld abfinden wollen, und dem hab' ich dann mit guten Freunden sein Recht angethan und hätt's mit einem größe¬ ren auch so gemacht, weil mich ein Lumpengeld nichts geholfen hätt'.
So sagen alle Verschwender, bemerkte der Vormund halblaut.
Item, fuhr der Pfarrer fort, wie Er erfahren hat, Sein Vater wolle Ihm des Küblers Häusle kaufen, habe Er gesagt, der Donner solle Ihn erschlagen, wenn er's Ihm kaufe, so zünde Er es an, sollten auch der Nachbarn Häuser mit verbrennen, und wenn Sein Vater Ihm nicht dazu helfe, daß Er das Weib bekomme, so wolle Er noch einen größeren Tuck thun. Das gibt nicht blos Sein Vater an, son¬ dern ich kann Ihm eine stattliche Reihe von Zeugen stellen, die ich habe kommen lassen und die mir solches bezeuget haben.
Es sind vermuthlich die Nämlichen, die mich aufgesteift haben, ich soll' mir's nicht gefallen lassen, antwortete Friedrich. Was ich im Zorn gesagt hab', weiß ich nicht mehr. Die Reden, die der Mensch im Zorn führt, muß man nicht auflesen, sondern liegen lassen, dann sind's Funken, die schnell wieder auslöschen. Man hat mich schon viel böse Reden führen lassen. Schon damals, wie ich als ein junger Bub' vom Gaul heruntergeschossen worden bin, hat man zur Ent¬ schuldigung nachher gesagt, ich hab' dem Flecken mit Mord und Brand
auch gegen Seine Mutter und andere Leute aus, alſo daß er niemals in ſeinem eigenen Haus ſicher ſei.
Kann mein Vater ſagen, daß ich mich an ihm vergriffen habe? wendete Friedrich ein.
Schweig' Er ſtill, befahl der Pfarrer, ich werde die Punkte der Ordnung nach vornehmen. Er kramte, durch die Einrede etwas aus dem Concept gebracht, eine Weile in ſeinen Notizen und fuhr dann fort: Pro primo, ſo ſagt Sein Vater, Er habe Geld von ihm gefor¬ dert, und da er Ihm geſagt, Er habe ja erſt ein Jahrmarktstrinkgeld bekommen, ſechszehn Batzen, warum er es vertrunken? ſo habe Er geſagt, er habe recht gethan, und wenn er ein größeres Trinkgeld be¬ kommen hätte, ſo hätte er's auch verthan. Iſt dem ſo?
Ich muß mich wundern, ſagte Friedrich, daß mein Vater ſo elende Händel vor Kirchenconvent bringt. Er weiß wohl, daß ich mehr Geld von ihm verlangt hab' und nicht zum Trinken; ſtatt deſſen hat er mich mit einem Trinkgeld abfinden wollen, und dem hab' ich dann mit guten Freunden ſein Recht angethan und hätt's mit einem größe¬ ren auch ſo gemacht, weil mich ein Lumpengeld nichts geholfen hätt'.
So ſagen alle Verſchwender, bemerkte der Vormund halblaut.
Item, fuhr der Pfarrer fort, wie Er erfahren hat, Sein Vater wolle Ihm des Küblers Häusle kaufen, habe Er geſagt, der Donner ſolle Ihn erſchlagen, wenn er's Ihm kaufe, ſo zünde Er es an, ſollten auch der Nachbarn Häuſer mit verbrennen, und wenn Sein Vater Ihm nicht dazu helfe, daß Er das Weib bekomme, ſo wolle Er noch einen größeren Tuck thun. Das gibt nicht blos Sein Vater an, ſon¬ dern ich kann Ihm eine ſtattliche Reihe von Zeugen ſtellen, die ich habe kommen laſſen und die mir ſolches bezeuget haben.
Es ſind vermuthlich die Nämlichen, die mich aufgeſteift haben, ich ſoll' mir's nicht gefallen laſſen, antwortete Friedrich. Was ich im Zorn geſagt hab', weiß ich nicht mehr. Die Reden, die der Menſch im Zorn führt, muß man nicht aufleſen, ſondern liegen laſſen, dann ſind's Funken, die ſchnell wieder auslöſchen. Man hat mich ſchon viel böſe Reden führen laſſen. Schon damals, wie ich als ein junger Bub' vom Gaul heruntergeſchoſſen worden bin, hat man zur Ent¬ ſchuldigung nachher geſagt, ich hab' dem Flecken mit Mord und Brand
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0222"n="206"/>
auch gegen Seine Mutter und andere Leute aus, alſo daß er niemals<lb/>
in ſeinem eigenen Haus ſicher ſei.</p><lb/><p>Kann mein Vater ſagen, daß ich mich an ihm vergriffen habe?<lb/>
wendete Friedrich ein.</p><lb/><p>Schweig' Er ſtill, befahl der Pfarrer, ich werde die Punkte der<lb/>
Ordnung nach vornehmen. Er kramte, durch die Einrede etwas aus<lb/>
dem Concept gebracht, eine Weile in ſeinen Notizen und fuhr dann<lb/>
fort: <hirendition="#aq">Pro primo</hi>, ſo ſagt Sein Vater, Er habe Geld von ihm gefor¬<lb/>
dert, und da er Ihm geſagt, Er habe ja erſt ein Jahrmarktstrinkgeld<lb/>
bekommen, ſechszehn Batzen, warum er es vertrunken? ſo habe Er<lb/>
geſagt, er habe recht gethan, und wenn er ein größeres Trinkgeld be¬<lb/>
kommen hätte, ſo hätte er's auch verthan. Iſt dem ſo?</p><lb/><p>Ich muß mich wundern, ſagte Friedrich, daß mein Vater ſo elende<lb/>
Händel vor Kirchenconvent bringt. Er weiß wohl, daß ich mehr Geld<lb/>
von ihm verlangt hab' und nicht zum Trinken; ſtatt deſſen hat er<lb/>
mich mit einem Trinkgeld abfinden wollen, und dem hab' ich dann<lb/>
mit guten Freunden ſein Recht angethan und hätt's mit einem größe¬<lb/>
ren auch ſo gemacht, weil mich ein Lumpengeld nichts geholfen hätt'.</p><lb/><p>So ſagen alle Verſchwender, bemerkte der Vormund halblaut.</p><lb/><p>Item, fuhr der Pfarrer fort, wie Er erfahren hat, Sein Vater<lb/>
wolle Ihm des Küblers Häusle kaufen, habe Er geſagt, der Donner<lb/>ſolle Ihn erſchlagen, wenn er's Ihm kaufe, ſo zünde Er es an, ſollten<lb/>
auch der Nachbarn Häuſer mit verbrennen, und wenn Sein Vater<lb/>
Ihm nicht dazu helfe, daß Er das Weib bekomme, ſo wolle Er noch<lb/>
einen größeren Tuck thun. Das gibt nicht blos Sein Vater an, ſon¬<lb/>
dern ich kann Ihm eine ſtattliche Reihe von Zeugen ſtellen, die ich<lb/>
habe kommen laſſen und die mir ſolches bezeuget haben.</p><lb/><p>Es ſind vermuthlich die Nämlichen, die mich aufgeſteift haben, ich<lb/>ſoll' mir's nicht gefallen laſſen, antwortete Friedrich. Was ich im<lb/>
Zorn geſagt hab', weiß ich nicht mehr. Die Reden, die der Menſch<lb/>
im Zorn führt, muß man nicht aufleſen, ſondern liegen laſſen, dann<lb/>ſind's Funken, die ſchnell wieder auslöſchen. Man hat mich ſchon viel<lb/>
böſe Reden führen laſſen. Schon damals, wie ich als ein junger<lb/>
Bub' vom Gaul heruntergeſchoſſen worden bin, hat man zur Ent¬<lb/>ſchuldigung nachher geſagt, ich hab' dem Flecken mit Mord und Brand<lb/></p></div></body></text></TEI>
[206/0222]
auch gegen Seine Mutter und andere Leute aus, alſo daß er niemals
in ſeinem eigenen Haus ſicher ſei.
Kann mein Vater ſagen, daß ich mich an ihm vergriffen habe?
wendete Friedrich ein.
Schweig' Er ſtill, befahl der Pfarrer, ich werde die Punkte der
Ordnung nach vornehmen. Er kramte, durch die Einrede etwas aus
dem Concept gebracht, eine Weile in ſeinen Notizen und fuhr dann
fort: Pro primo, ſo ſagt Sein Vater, Er habe Geld von ihm gefor¬
dert, und da er Ihm geſagt, Er habe ja erſt ein Jahrmarktstrinkgeld
bekommen, ſechszehn Batzen, warum er es vertrunken? ſo habe Er
geſagt, er habe recht gethan, und wenn er ein größeres Trinkgeld be¬
kommen hätte, ſo hätte er's auch verthan. Iſt dem ſo?
Ich muß mich wundern, ſagte Friedrich, daß mein Vater ſo elende
Händel vor Kirchenconvent bringt. Er weiß wohl, daß ich mehr Geld
von ihm verlangt hab' und nicht zum Trinken; ſtatt deſſen hat er
mich mit einem Trinkgeld abfinden wollen, und dem hab' ich dann
mit guten Freunden ſein Recht angethan und hätt's mit einem größe¬
ren auch ſo gemacht, weil mich ein Lumpengeld nichts geholfen hätt'.
So ſagen alle Verſchwender, bemerkte der Vormund halblaut.
Item, fuhr der Pfarrer fort, wie Er erfahren hat, Sein Vater
wolle Ihm des Küblers Häusle kaufen, habe Er geſagt, der Donner
ſolle Ihn erſchlagen, wenn er's Ihm kaufe, ſo zünde Er es an, ſollten
auch der Nachbarn Häuſer mit verbrennen, und wenn Sein Vater
Ihm nicht dazu helfe, daß Er das Weib bekomme, ſo wolle Er noch
einen größeren Tuck thun. Das gibt nicht blos Sein Vater an, ſon¬
dern ich kann Ihm eine ſtattliche Reihe von Zeugen ſtellen, die ich
habe kommen laſſen und die mir ſolches bezeuget haben.
Es ſind vermuthlich die Nämlichen, die mich aufgeſteift haben, ich
ſoll' mir's nicht gefallen laſſen, antwortete Friedrich. Was ich im
Zorn geſagt hab', weiß ich nicht mehr. Die Reden, die der Menſch
im Zorn führt, muß man nicht aufleſen, ſondern liegen laſſen, dann
ſind's Funken, die ſchnell wieder auslöſchen. Man hat mich ſchon viel
böſe Reden führen laſſen. Schon damals, wie ich als ein junger
Bub' vom Gaul heruntergeſchoſſen worden bin, hat man zur Ent¬
ſchuldigung nachher geſagt, ich hab' dem Flecken mit Mord und Brand
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/222>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.