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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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seine gute Seite hätte. So auch das Zuchthaus. Dort bin ich mit
Einem zusammen gewesen, der hat mir erzählt, ein Amtmann habe
ihn, wie er einmal zum Schellenwerken verurtheilt gewesen sei, statt
dessen in seinen eignen Privatgeschäften arbeiten lassen; es sei jedoch
herausgekommen und man habe ihn, was ihm übrigens nicht willkom¬
men gewesen sei, zu öffentlichen Arbeiten abgeführt, der Amtmann
aber -- hierbei sah er dem Amtmann scharf in die Augen -- sei um
zwanzig Reichsthaler gestraft worden.

Der Amtmann wurde blauroth im Gesicht, so daß man bei seiner
nicht eben magern Gestalt einen Augenblick einen gefährlichen Anfall
befürchten konnte. Es ging aber vorüber und er sagte verächtlich:
Ihm, einem Züchtling, einem vielfältigen Facinoroso, wird man viel
Glauben schenken, wenn Er etwas wider mich vorbringen will.

Der Herr Amtmann, erwiderte Friedrich, vergißt, daß ich nicht
allein darum weiß.

Es ist wahr, versetzte der Amtmann, ich habe aus gutem Herzen
dem alten Müller angeboten, seine Tochter die Strafe auf eine leichte
und gelinde Art abbüßen zu lassen. Dabei war es nicht sowohl mein
als meiner Frau Gedanke, sie in unsrer Privatökonomie nebenher zu
beschäftigen; es ist aber nicht mit einem Wort die Rede davon ge¬
wesen, daß sie das im Strafwege thun solle, sondern sie hätte Geld
dabei von uns verdient, das wir jetzt Würdigeren zukommen lassen
werden. Die Amtsgeschäfte aber, die ich ihr zur Abverdienung ihrer
Strafe habe auferlegen wollen, sind allerdings herrschaftliche Geschäfte.
Doch darüber brauche ich mit Ihm nicht zu streiten. Das Gesindel
ist es nicht werth, daß man humane Absichten mit ihm hat. Sein
Weibsbild kommt jetzt nach Ludwigsburg in den Herrschaftsgarten, muß
dort sechs Wochen lang arbeiten, wird mit Wasser und Brod gespeist,
was sie jedoch abermals abverdienen muß, Nachts in's Blockhaus ein¬
geschlossen, damit sie nicht dem Bettel und der Lüderlichkeit nachziehen
kann, und außerdem muß sie den von Neuem wieder eingeführten
**karren ziehen. Das hat Er mit Seiner ritterlichen Protection
für sie herausgeschlagen.

Es ist mir immer noch lieber, als wenn sie vor dem ganzen Fle¬
cken Strafarbeit verrichten soll, erwiderte Friedrich trotzig. Was in
Ludwigsburg vorgeht, sieht man in Ebersbach nicht. Uebrigens hat

ſeine gute Seite hätte. So auch das Zuchthaus. Dort bin ich mit
Einem zuſammen geweſen, der hat mir erzählt, ein Amtmann habe
ihn, wie er einmal zum Schellenwerken verurtheilt geweſen ſei, ſtatt
deſſen in ſeinen eignen Privatgeſchäften arbeiten laſſen; es ſei jedoch
herausgekommen und man habe ihn, was ihm übrigens nicht willkom¬
men geweſen ſei, zu öffentlichen Arbeiten abgeführt, der Amtmann
aber — hierbei ſah er dem Amtmann ſcharf in die Augen — ſei um
zwanzig Reichsthaler geſtraft worden.

Der Amtmann wurde blauroth im Geſicht, ſo daß man bei ſeiner
nicht eben magern Geſtalt einen Augenblick einen gefährlichen Anfall
befürchten konnte. Es ging aber vorüber und er ſagte verächtlich:
Ihm, einem Züchtling, einem vielfältigen Facinoroso, wird man viel
Glauben ſchenken, wenn Er etwas wider mich vorbringen will.

Der Herr Amtmann, erwiderte Friedrich, vergißt, daß ich nicht
allein darum weiß.

Es iſt wahr, verſetzte der Amtmann, ich habe aus gutem Herzen
dem alten Müller angeboten, ſeine Tochter die Strafe auf eine leichte
und gelinde Art abbüßen zu laſſen. Dabei war es nicht ſowohl mein
als meiner Frau Gedanke, ſie in unſrer Privatökonomie nebenher zu
beſchäftigen; es iſt aber nicht mit einem Wort die Rede davon ge¬
weſen, daß ſie das im Strafwege thun ſolle, ſondern ſie hätte Geld
dabei von uns verdient, das wir jetzt Würdigeren zukommen laſſen
werden. Die Amtsgeſchäfte aber, die ich ihr zur Abverdienung ihrer
Strafe habe auferlegen wollen, ſind allerdings herrſchaftliche Geſchäfte.
Doch darüber brauche ich mit Ihm nicht zu ſtreiten. Das Geſindel
iſt es nicht werth, daß man humane Abſichten mit ihm hat. Sein
Weibsbild kommt jetzt nach Ludwigsburg in den Herrſchaftsgarten, muß
dort ſechs Wochen lang arbeiten, wird mit Waſſer und Brod geſpeiſt,
was ſie jedoch abermals abverdienen muß, Nachts in's Blockhaus ein¬
geſchloſſen, damit ſie nicht dem Bettel und der Lüderlichkeit nachziehen
kann, und außerdem muß ſie den von Neuem wieder eingeführten
**karren ziehen. Das hat Er mit Seiner ritterlichen Protection
für ſie herausgeſchlagen.

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cken Strafarbeit verrichten ſoll, erwiderte Friedrich trotzig. Was in
Ludwigsburg vorgeht, ſieht man in Ebersbach nicht. Uebrigens hat

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[200/0216] ſeine gute Seite hätte. So auch das Zuchthaus. Dort bin ich mit Einem zuſammen geweſen, der hat mir erzählt, ein Amtmann habe ihn, wie er einmal zum Schellenwerken verurtheilt geweſen ſei, ſtatt deſſen in ſeinen eignen Privatgeſchäften arbeiten laſſen; es ſei jedoch herausgekommen und man habe ihn, was ihm übrigens nicht willkom¬ men geweſen ſei, zu öffentlichen Arbeiten abgeführt, der Amtmann aber — hierbei ſah er dem Amtmann ſcharf in die Augen — ſei um zwanzig Reichsthaler geſtraft worden. Der Amtmann wurde blauroth im Geſicht, ſo daß man bei ſeiner nicht eben magern Geſtalt einen Augenblick einen gefährlichen Anfall befürchten konnte. Es ging aber vorüber und er ſagte verächtlich: Ihm, einem Züchtling, einem vielfältigen Facinoroso, wird man viel Glauben ſchenken, wenn Er etwas wider mich vorbringen will. Der Herr Amtmann, erwiderte Friedrich, vergißt, daß ich nicht allein darum weiß. Es iſt wahr, verſetzte der Amtmann, ich habe aus gutem Herzen dem alten Müller angeboten, ſeine Tochter die Strafe auf eine leichte und gelinde Art abbüßen zu laſſen. Dabei war es nicht ſowohl mein als meiner Frau Gedanke, ſie in unſrer Privatökonomie nebenher zu beſchäftigen; es iſt aber nicht mit einem Wort die Rede davon ge¬ weſen, daß ſie das im Strafwege thun ſolle, ſondern ſie hätte Geld dabei von uns verdient, das wir jetzt Würdigeren zukommen laſſen werden. Die Amtsgeſchäfte aber, die ich ihr zur Abverdienung ihrer Strafe habe auferlegen wollen, ſind allerdings herrſchaftliche Geſchäfte. Doch darüber brauche ich mit Ihm nicht zu ſtreiten. Das Geſindel iſt es nicht werth, daß man humane Abſichten mit ihm hat. Sein Weibsbild kommt jetzt nach Ludwigsburg in den Herrſchaftsgarten, muß dort ſechs Wochen lang arbeiten, wird mit Waſſer und Brod geſpeiſt, was ſie jedoch abermals abverdienen muß, Nachts in's Blockhaus ein¬ geſchloſſen, damit ſie nicht dem Bettel und der Lüderlichkeit nachziehen kann, und außerdem muß ſie den von Neuem wieder eingeführten **karren ziehen. Das hat Er mit Seiner ritterlichen Protection für ſie herausgeſchlagen. Es iſt mir immer noch lieber, als wenn ſie vor dem ganzen Fle¬ cken Strafarbeit verrichten ſoll, erwiderte Friedrich trotzig. Was in Ludwigsburg vorgeht, ſieht man in Ebersbach nicht. Uebrigens hat

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/216>, abgerufen am 24.11.2024.