seine gute Seite hätte. So auch das Zuchthaus. Dort bin ich mit Einem zusammen gewesen, der hat mir erzählt, ein Amtmann habe ihn, wie er einmal zum Schellenwerken verurtheilt gewesen sei, statt dessen in seinen eignen Privatgeschäften arbeiten lassen; es sei jedoch herausgekommen und man habe ihn, was ihm übrigens nicht willkom¬ men gewesen sei, zu öffentlichen Arbeiten abgeführt, der Amtmann aber -- hierbei sah er dem Amtmann scharf in die Augen -- sei um zwanzig Reichsthaler gestraft worden.
Der Amtmann wurde blauroth im Gesicht, so daß man bei seiner nicht eben magern Gestalt einen Augenblick einen gefährlichen Anfall befürchten konnte. Es ging aber vorüber und er sagte verächtlich: Ihm, einem Züchtling, einem vielfältigen Facinoroso, wird man viel Glauben schenken, wenn Er etwas wider mich vorbringen will.
Der Herr Amtmann, erwiderte Friedrich, vergißt, daß ich nicht allein darum weiß.
Es ist wahr, versetzte der Amtmann, ich habe aus gutem Herzen dem alten Müller angeboten, seine Tochter die Strafe auf eine leichte und gelinde Art abbüßen zu lassen. Dabei war es nicht sowohl mein als meiner Frau Gedanke, sie in unsrer Privatökonomie nebenher zu beschäftigen; es ist aber nicht mit einem Wort die Rede davon ge¬ wesen, daß sie das im Strafwege thun solle, sondern sie hätte Geld dabei von uns verdient, das wir jetzt Würdigeren zukommen lassen werden. Die Amtsgeschäfte aber, die ich ihr zur Abverdienung ihrer Strafe habe auferlegen wollen, sind allerdings herrschaftliche Geschäfte. Doch darüber brauche ich mit Ihm nicht zu streiten. Das Gesindel ist es nicht werth, daß man humane Absichten mit ihm hat. Sein Weibsbild kommt jetzt nach Ludwigsburg in den Herrschaftsgarten, muß dort sechs Wochen lang arbeiten, wird mit Wasser und Brod gespeist, was sie jedoch abermals abverdienen muß, Nachts in's Blockhaus ein¬ geschlossen, damit sie nicht dem Bettel und der Lüderlichkeit nachziehen kann, und außerdem muß sie den von Neuem wieder eingeführten **karren ziehen. Das hat Er mit Seiner ritterlichen Protection für sie herausgeschlagen.
Es ist mir immer noch lieber, als wenn sie vor dem ganzen Fle¬ cken Strafarbeit verrichten soll, erwiderte Friedrich trotzig. Was in Ludwigsburg vorgeht, sieht man in Ebersbach nicht. Uebrigens hat
ſeine gute Seite hätte. So auch das Zuchthaus. Dort bin ich mit Einem zuſammen geweſen, der hat mir erzählt, ein Amtmann habe ihn, wie er einmal zum Schellenwerken verurtheilt geweſen ſei, ſtatt deſſen in ſeinen eignen Privatgeſchäften arbeiten laſſen; es ſei jedoch herausgekommen und man habe ihn, was ihm übrigens nicht willkom¬ men geweſen ſei, zu öffentlichen Arbeiten abgeführt, der Amtmann aber — hierbei ſah er dem Amtmann ſcharf in die Augen — ſei um zwanzig Reichsthaler geſtraft worden.
Der Amtmann wurde blauroth im Geſicht, ſo daß man bei ſeiner nicht eben magern Geſtalt einen Augenblick einen gefährlichen Anfall befürchten konnte. Es ging aber vorüber und er ſagte verächtlich: Ihm, einem Züchtling, einem vielfältigen Facinoroso, wird man viel Glauben ſchenken, wenn Er etwas wider mich vorbringen will.
Der Herr Amtmann, erwiderte Friedrich, vergißt, daß ich nicht allein darum weiß.
Es iſt wahr, verſetzte der Amtmann, ich habe aus gutem Herzen dem alten Müller angeboten, ſeine Tochter die Strafe auf eine leichte und gelinde Art abbüßen zu laſſen. Dabei war es nicht ſowohl mein als meiner Frau Gedanke, ſie in unſrer Privatökonomie nebenher zu beſchäftigen; es iſt aber nicht mit einem Wort die Rede davon ge¬ weſen, daß ſie das im Strafwege thun ſolle, ſondern ſie hätte Geld dabei von uns verdient, das wir jetzt Würdigeren zukommen laſſen werden. Die Amtsgeſchäfte aber, die ich ihr zur Abverdienung ihrer Strafe habe auferlegen wollen, ſind allerdings herrſchaftliche Geſchäfte. Doch darüber brauche ich mit Ihm nicht zu ſtreiten. Das Geſindel iſt es nicht werth, daß man humane Abſichten mit ihm hat. Sein Weibsbild kommt jetzt nach Ludwigsburg in den Herrſchaftsgarten, muß dort ſechs Wochen lang arbeiten, wird mit Waſſer und Brod geſpeiſt, was ſie jedoch abermals abverdienen muß, Nachts in's Blockhaus ein¬ geſchloſſen, damit ſie nicht dem Bettel und der Lüderlichkeit nachziehen kann, und außerdem muß ſie den von Neuem wieder eingeführten **karren ziehen. Das hat Er mit Seiner ritterlichen Protection für ſie herausgeſchlagen.
Es iſt mir immer noch lieber, als wenn ſie vor dem ganzen Fle¬ cken Strafarbeit verrichten ſoll, erwiderte Friedrich trotzig. Was in Ludwigsburg vorgeht, ſieht man in Ebersbach nicht. Uebrigens hat
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0216"n="200"/>ſeine gute Seite hätte. So auch das Zuchthaus. Dort bin ich mit<lb/>
Einem zuſammen geweſen, der hat mir erzählt, ein Amtmann habe<lb/>
ihn, wie er einmal zum Schellenwerken verurtheilt geweſen ſei, ſtatt<lb/>
deſſen in ſeinen eignen Privatgeſchäften arbeiten laſſen; es ſei jedoch<lb/>
herausgekommen und man habe ihn, was ihm übrigens nicht willkom¬<lb/>
men geweſen ſei, zu öffentlichen Arbeiten abgeführt, der Amtmann<lb/>
aber — hierbei ſah er dem Amtmann ſcharf in die Augen —ſei um<lb/>
zwanzig Reichsthaler geſtraft worden.</p><lb/><p>Der Amtmann wurde blauroth im Geſicht, ſo daß man bei ſeiner<lb/>
nicht eben magern Geſtalt einen Augenblick einen gefährlichen Anfall<lb/>
befürchten konnte. Es ging aber vorüber und er ſagte verächtlich:<lb/>
Ihm, einem Züchtling, einem vielfältigen <hirendition="#aq">Facinoroso</hi>, wird man viel<lb/>
Glauben ſchenken, wenn Er etwas wider mich vorbringen will.</p><lb/><p>Der Herr Amtmann, erwiderte Friedrich, vergißt, daß ich nicht<lb/>
allein darum weiß.</p><lb/><p>Es iſt wahr, verſetzte der Amtmann, ich habe aus gutem Herzen<lb/>
dem alten Müller angeboten, ſeine Tochter die Strafe auf eine leichte<lb/>
und gelinde Art abbüßen zu laſſen. Dabei war es nicht ſowohl mein<lb/>
als meiner Frau Gedanke, ſie in unſrer Privatökonomie nebenher zu<lb/>
beſchäftigen; es iſt aber nicht mit einem Wort die Rede davon ge¬<lb/>
weſen, daß ſie das im Strafwege thun ſolle, ſondern ſie hätte Geld<lb/>
dabei von uns verdient, das wir jetzt Würdigeren zukommen laſſen<lb/>
werden. Die Amtsgeſchäfte aber, die ich ihr zur Abverdienung ihrer<lb/>
Strafe habe auferlegen wollen, ſind allerdings herrſchaftliche Geſchäfte.<lb/>
Doch darüber brauche ich mit Ihm nicht zu ſtreiten. Das Geſindel<lb/>
iſt es nicht werth, daß man humane Abſichten mit ihm hat. Sein<lb/>
Weibsbild kommt jetzt nach Ludwigsburg in den Herrſchaftsgarten, muß<lb/>
dort ſechs Wochen lang arbeiten, wird mit Waſſer und Brod geſpeiſt,<lb/>
was ſie jedoch abermals abverdienen muß, Nachts in's Blockhaus ein¬<lb/>
geſchloſſen, damit ſie nicht dem Bettel und der Lüderlichkeit nachziehen<lb/>
kann, und außerdem muß ſie den von Neuem wieder eingeführten<lb/>
**karren ziehen. Das hat Er mit Seiner ritterlichen Protection<lb/>
für ſie herausgeſchlagen.</p><lb/><p>Es iſt mir immer noch lieber, als wenn ſie vor dem ganzen Fle¬<lb/>
cken Strafarbeit verrichten ſoll, erwiderte Friedrich trotzig. Was in<lb/>
Ludwigsburg vorgeht, ſieht man in Ebersbach nicht. Uebrigens hat<lb/></p></div></body></text></TEI>
[200/0216]
ſeine gute Seite hätte. So auch das Zuchthaus. Dort bin ich mit
Einem zuſammen geweſen, der hat mir erzählt, ein Amtmann habe
ihn, wie er einmal zum Schellenwerken verurtheilt geweſen ſei, ſtatt
deſſen in ſeinen eignen Privatgeſchäften arbeiten laſſen; es ſei jedoch
herausgekommen und man habe ihn, was ihm übrigens nicht willkom¬
men geweſen ſei, zu öffentlichen Arbeiten abgeführt, der Amtmann
aber — hierbei ſah er dem Amtmann ſcharf in die Augen — ſei um
zwanzig Reichsthaler geſtraft worden.
Der Amtmann wurde blauroth im Geſicht, ſo daß man bei ſeiner
nicht eben magern Geſtalt einen Augenblick einen gefährlichen Anfall
befürchten konnte. Es ging aber vorüber und er ſagte verächtlich:
Ihm, einem Züchtling, einem vielfältigen Facinoroso, wird man viel
Glauben ſchenken, wenn Er etwas wider mich vorbringen will.
Der Herr Amtmann, erwiderte Friedrich, vergißt, daß ich nicht
allein darum weiß.
Es iſt wahr, verſetzte der Amtmann, ich habe aus gutem Herzen
dem alten Müller angeboten, ſeine Tochter die Strafe auf eine leichte
und gelinde Art abbüßen zu laſſen. Dabei war es nicht ſowohl mein
als meiner Frau Gedanke, ſie in unſrer Privatökonomie nebenher zu
beſchäftigen; es iſt aber nicht mit einem Wort die Rede davon ge¬
weſen, daß ſie das im Strafwege thun ſolle, ſondern ſie hätte Geld
dabei von uns verdient, das wir jetzt Würdigeren zukommen laſſen
werden. Die Amtsgeſchäfte aber, die ich ihr zur Abverdienung ihrer
Strafe habe auferlegen wollen, ſind allerdings herrſchaftliche Geſchäfte.
Doch darüber brauche ich mit Ihm nicht zu ſtreiten. Das Geſindel
iſt es nicht werth, daß man humane Abſichten mit ihm hat. Sein
Weibsbild kommt jetzt nach Ludwigsburg in den Herrſchaftsgarten, muß
dort ſechs Wochen lang arbeiten, wird mit Waſſer und Brod geſpeiſt,
was ſie jedoch abermals abverdienen muß, Nachts in's Blockhaus ein¬
geſchloſſen, damit ſie nicht dem Bettel und der Lüderlichkeit nachziehen
kann, und außerdem muß ſie den von Neuem wieder eingeführten
**karren ziehen. Das hat Er mit Seiner ritterlichen Protection
für ſie herausgeſchlagen.
Es iſt mir immer noch lieber, als wenn ſie vor dem ganzen Fle¬
cken Strafarbeit verrichten ſoll, erwiderte Friedrich trotzig. Was in
Ludwigsburg vorgeht, ſieht man in Ebersbach nicht. Uebrigens hat
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/216>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.