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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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vertreiben, aus meiner Christine einen Fleckensträfling zu machen, der
den Gefangenen ausmisten soll. Habt nur ein wenig Geduld, die
Trübsal soll schnell vorübergehen!

Er stürmte fort, ohne der erstaunten Familie zu erklären, was er
vorhabe. Hierauf begab er sich zu seinem Vormund, um das Geld
zur Bezahlung seiner Strafe von ihm zu fordern. Es ist Nothsach',
ich kann's dir nicht verweigern, sagte das Gerichts- und Kirchencon¬
ventsmitglied, aber nimm dich in Acht, ich schick' hinter dir drein, ob
du's auch gewiß auf's Rathhaus trägst und nicht anderswo verthust.

Ich hab' Ihm noch nichts unterschlagen, Herr Vetter, bemerkte
Friedrich.

Sollst's auch wohl bleiben lassen, erwiderte der Richter.

Friedrich blieb einen Augenblick stehen und besann sich. Zwar
sagte er sich voraus, daß ein Versuch, auch das Geld zur Bezahlung
von Christinens Strafe zu erlangen, ein ganz vergeblicher sein würde,
aber doch meinte er ihn machen zu müssen. Der Unglaube, mit dem
er seine Bitte vorbrachte, wurde jedoch vollkommen gerechtfertigt, denn
der Vormund hielt ihm eine derbe Strafrede und meinte, es werde
für sie ganz gesund sein, wenn sie auf einige Zeit nach Ludwigs¬
burg komme, um sich alldorten alle dummen Gedanken vergehen zu
lassen. Friedrich wünschte ihm einige tausend Teufel auf den Hals
und empfahl sich.

Mit dem Gelde versehen, ging er in das Amthaus, wo er den
Amtmann allein in seinem Zimmer traf. Hier, sagte er, indem er
das Geld auf den Tisch legte, will ich dem Herrn Amtmann das
Strafgeld für mein' Schatz überbringen.

Der Amtmann lachte. Und wo ist denn das Seinige? fragte er.

Dazu hat's nicht gereicht, ich will's abverdienen.

Er ist ein Querkopf, sagte der Amtmann, die Stirne schnell wie¬
der in Falten legend. Das sind Flausen, man kennt Seine Vermö¬
gensumstände und die ihrigen. Das ist ja, fuhr er sehr verdrießlich
fort, das Geld aus einander legend, das sind ja dieselben Sorten,
die ich Seinem Pfleger heut geschickt habe. Es scheint, dem ist mein
Geld nicht gut genug, daß er die erste Gelegenheit benutzt, es mir
wieder zurückzuschicken; mit ein wenig Geduld und Umsicht hätt' er's
wohl los werden können. Nun ja, das ist also die Strafe für Ihn,

vertreiben, aus meiner Chriſtine einen Fleckenſträfling zu machen, der
den Gefangenen ausmiſten ſoll. Habt nur ein wenig Geduld, die
Trübſal ſoll ſchnell vorübergehen!

Er ſtürmte fort, ohne der erſtaunten Familie zu erklären, was er
vorhabe. Hierauf begab er ſich zu ſeinem Vormund, um das Geld
zur Bezahlung ſeiner Strafe von ihm zu fordern. Es iſt Nothſach',
ich kann's dir nicht verweigern, ſagte das Gerichts- und Kirchencon¬
ventsmitglied, aber nimm dich in Acht, ich ſchick' hinter dir drein, ob
du's auch gewiß auf's Rathhaus trägſt und nicht anderswo verthuſt.

Ich hab' Ihm noch nichts unterſchlagen, Herr Vetter, bemerkte
Friedrich.

Sollſt's auch wohl bleiben laſſen, erwiderte der Richter.

Friedrich blieb einen Augenblick ſtehen und beſann ſich. Zwar
ſagte er ſich voraus, daß ein Verſuch, auch das Geld zur Bezahlung
von Chriſtinens Strafe zu erlangen, ein ganz vergeblicher ſein würde,
aber doch meinte er ihn machen zu müſſen. Der Unglaube, mit dem
er ſeine Bitte vorbrachte, wurde jedoch vollkommen gerechtfertigt, denn
der Vormund hielt ihm eine derbe Strafrede und meinte, es werde
für ſie ganz geſund ſein, wenn ſie auf einige Zeit nach Ludwigs¬
burg komme, um ſich alldorten alle dummen Gedanken vergehen zu
laſſen. Friedrich wünſchte ihm einige tauſend Teufel auf den Hals
und empfahl ſich.

Mit dem Gelde verſehen, ging er in das Amthaus, wo er den
Amtmann allein in ſeinem Zimmer traf. Hier, ſagte er, indem er
das Geld auf den Tiſch legte, will ich dem Herrn Amtmann das
Strafgeld für mein' Schatz überbringen.

Der Amtmann lachte. Und wo iſt denn das Seinige? fragte er.

Dazu hat's nicht gereicht, ich will's abverdienen.

Er iſt ein Querkopf, ſagte der Amtmann, die Stirne ſchnell wie¬
der in Falten legend. Das ſind Flauſen, man kennt Seine Vermö¬
gensumſtände und die ihrigen. Das iſt ja, fuhr er ſehr verdrießlich
fort, das Geld aus einander legend, das ſind ja dieſelben Sorten,
die ich Seinem Pfleger heut geſchickt habe. Es ſcheint, dem iſt mein
Geld nicht gut genug, daß er die erſte Gelegenheit benutzt, es mir
wieder zurückzuſchicken; mit ein wenig Geduld und Umſicht hätt' er's
wohl los werden können. Nun ja, das iſt alſo die Strafe für Ihn,

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[198/0214] vertreiben, aus meiner Chriſtine einen Fleckenſträfling zu machen, der den Gefangenen ausmiſten ſoll. Habt nur ein wenig Geduld, die Trübſal ſoll ſchnell vorübergehen! Er ſtürmte fort, ohne der erſtaunten Familie zu erklären, was er vorhabe. Hierauf begab er ſich zu ſeinem Vormund, um das Geld zur Bezahlung ſeiner Strafe von ihm zu fordern. Es iſt Nothſach', ich kann's dir nicht verweigern, ſagte das Gerichts- und Kirchencon¬ ventsmitglied, aber nimm dich in Acht, ich ſchick' hinter dir drein, ob du's auch gewiß auf's Rathhaus trägſt und nicht anderswo verthuſt. Ich hab' Ihm noch nichts unterſchlagen, Herr Vetter, bemerkte Friedrich. Sollſt's auch wohl bleiben laſſen, erwiderte der Richter. Friedrich blieb einen Augenblick ſtehen und beſann ſich. Zwar ſagte er ſich voraus, daß ein Verſuch, auch das Geld zur Bezahlung von Chriſtinens Strafe zu erlangen, ein ganz vergeblicher ſein würde, aber doch meinte er ihn machen zu müſſen. Der Unglaube, mit dem er ſeine Bitte vorbrachte, wurde jedoch vollkommen gerechtfertigt, denn der Vormund hielt ihm eine derbe Strafrede und meinte, es werde für ſie ganz geſund ſein, wenn ſie auf einige Zeit nach Ludwigs¬ burg komme, um ſich alldorten alle dummen Gedanken vergehen zu laſſen. Friedrich wünſchte ihm einige tauſend Teufel auf den Hals und empfahl ſich. Mit dem Gelde verſehen, ging er in das Amthaus, wo er den Amtmann allein in ſeinem Zimmer traf. Hier, ſagte er, indem er das Geld auf den Tiſch legte, will ich dem Herrn Amtmann das Strafgeld für mein' Schatz überbringen. Der Amtmann lachte. Und wo iſt denn das Seinige? fragte er. Dazu hat's nicht gereicht, ich will's abverdienen. Er iſt ein Querkopf, ſagte der Amtmann, die Stirne ſchnell wie¬ der in Falten legend. Das ſind Flauſen, man kennt Seine Vermö¬ gensumſtände und die ihrigen. Das iſt ja, fuhr er ſehr verdrießlich fort, das Geld aus einander legend, das ſind ja dieſelben Sorten, die ich Seinem Pfleger heut geſchickt habe. Es ſcheint, dem iſt mein Geld nicht gut genug, daß er die erſte Gelegenheit benutzt, es mir wieder zurückzuſchicken; mit ein wenig Geduld und Umſicht hätt' er's wohl los werden können. Nun ja, das iſt alſo die Strafe für Ihn,

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/214>, abgerufen am 24.11.2024.