mir's in's Herz gefressen hat. Armuth und Niedrigkeit kann ich tra¬ gen, aber der Schmach und Verachtung bin ich mein Lebenlang aus dem Weg gangen, und ich spür's am Verfall in meinen morschen Knochen, daß mich auch diesmal zuletzt der Sensenmann drüber weg¬ führen wird.
Ich hoff' vielmehr, Ihr sollt auf die Trübsal noch Freud' an uns erleben, sagte Friedrich, dem die Worte des alternden, gebeugten Mannes in's Herz schnitten.
Da müßt's gar anders kommen, erwiderte der Hirschbauer. Für jetzt ist ein Tag schwärzer als der ander'. Nach dem Pfarrer hat mich der Amtmann erfordert und hat gefragt, wie es denn mit der Christine ihrer Straf' steh'.
Die zahl' ich! unterbrach ihn Friedrich. Das versteht sich von selbst. Das Geld kann ich freilich jetzt nicht geschwind herhexen, aber der Amtmann muß eben ein Einsehen haben.
Der thut arg pressant, sagte der Hirschbauer. Daß ich das Geld nicht aufbringen kann, hat er gleich von selber anerkannt und gesagt, ich müsse eben ohne Verzug um Strafverwandlung einkommen, damit sie's abverdienen könne, und wenn ich vernünftig sein und versprechen wolle, dem Sonnenwirth nicht mit ungeschickten Heirathsbegehren für sie zur Last zu fallen, so wolle er sehen, daß die Strafe, weil es das erstemal sei, glimpflich ausfalle. Nach dem, was er mir zu verstehen geben hat, soll's auf das hinauskommen: der Schütz und sein Weib sind, scheint's, faul, und da soll meine Tochter bei Amt Alles thun was sie nicht verrichten mögen, Botengänge, Ausputzen, den Gefange¬ nen ihr Sach' besorgen --
Das sind appetitliche Geschäfte zum Theil, bemerkte Friedrich.
Und außerdem soll sie dem Amtmann oder vielmehr der Amt¬ männin im Feld und Garten schaffen.
Hat er das gesagt? rief Friedrich ganz erfreut.
Wenn's nicht anders sein kann, fuhr der Hirschbauer fort, so wär' das freilich nicht das Schlimmst', wiewohl mich's hart ankommt, das Mädle gleich von jetzt an, sechs Wochen lang, denn so lang will's der Amtmann, in meinem bisle Feld entbehren zu sollen, so daß ich mit meinen Buben nicht so viel wie sonst im Taglohn verdienen könnt'.
Jetzt hab' ich ihn! rief Friedlich voll Freude. Dem will ich's
mir's in's Herz gefreſſen hat. Armuth und Niedrigkeit kann ich tra¬ gen, aber der Schmach und Verachtung bin ich mein Lebenlang aus dem Weg gangen, und ich ſpür's am Verfall in meinen morſchen Knochen, daß mich auch diesmal zuletzt der Senſenmann drüber weg¬ führen wird.
Ich hoff' vielmehr, Ihr ſollt auf die Trübſal noch Freud' an uns erleben, ſagte Friedrich, dem die Worte des alternden, gebeugten Mannes in's Herz ſchnitten.
Da müßt's gar anders kommen, erwiderte der Hirſchbauer. Für jetzt iſt ein Tag ſchwärzer als der ander'. Nach dem Pfarrer hat mich der Amtmann erfordert und hat gefragt, wie es denn mit der Chriſtine ihrer Straf' ſteh'.
Die zahl' ich! unterbrach ihn Friedrich. Das verſteht ſich von ſelbſt. Das Geld kann ich freilich jetzt nicht geſchwind herhexen, aber der Amtmann muß eben ein Einſehen haben.
Der thut arg preſſant, ſagte der Hirſchbauer. Daß ich das Geld nicht aufbringen kann, hat er gleich von ſelber anerkannt und geſagt, ich müſſe eben ohne Verzug um Strafverwandlung einkommen, damit ſie's abverdienen könne, und wenn ich vernünftig ſein und verſprechen wolle, dem Sonnenwirth nicht mit ungeſchickten Heirathsbegehren für ſie zur Laſt zu fallen, ſo wolle er ſehen, daß die Strafe, weil es das erſtemal ſei, glimpflich ausfalle. Nach dem, was er mir zu verſtehen geben hat, ſoll's auf das hinauskommen: der Schütz und ſein Weib ſind, ſcheint's, faul, und da ſoll meine Tochter bei Amt Alles thun was ſie nicht verrichten mögen, Botengänge, Ausputzen, den Gefange¬ nen ihr Sach' beſorgen —
Das ſind appetitliche Geſchäfte zum Theil, bemerkte Friedrich.
Und außerdem ſoll ſie dem Amtmann oder vielmehr der Amt¬ männin im Feld und Garten ſchaffen.
Hat er das geſagt? rief Friedrich ganz erfreut.
Wenn's nicht anders ſein kann, fuhr der Hirſchbauer fort, ſo wär' das freilich nicht das Schlimmſt', wiewohl mich's hart ankommt, das Mädle gleich von jetzt an, ſechs Wochen lang, denn ſo lang will's der Amtmann, in meinem bisle Feld entbehren zu ſollen, ſo daß ich mit meinen Buben nicht ſo viel wie ſonſt im Taglohn verdienen könnt'.
Jetzt hab' ich ihn! rief Friedlich voll Freude. Dem will ich's
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mir's in's Herz gefreſſen hat. Armuth und Niedrigkeit kann ich tra¬
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dem Weg gangen, und ich ſpür's am Verfall in meinen morſchen
Knochen, daß mich auch diesmal zuletzt der Senſenmann drüber weg¬
führen wird.
Ich hoff' vielmehr, Ihr ſollt auf die Trübſal noch Freud' an uns
erleben, ſagte Friedrich, dem die Worte des alternden, gebeugten
Mannes in's Herz ſchnitten.
Da müßt's gar anders kommen, erwiderte der Hirſchbauer. Für
jetzt iſt ein Tag ſchwärzer als der ander'. Nach dem Pfarrer hat
mich der Amtmann erfordert und hat gefragt, wie es denn mit der
Chriſtine ihrer Straf' ſteh'.
Die zahl' ich! unterbrach ihn Friedrich. Das verſteht ſich von
ſelbſt. Das Geld kann ich freilich jetzt nicht geſchwind herhexen, aber
der Amtmann muß eben ein Einſehen haben.
Der thut arg preſſant, ſagte der Hirſchbauer. Daß ich das Geld
nicht aufbringen kann, hat er gleich von ſelber anerkannt und geſagt,
ich müſſe eben ohne Verzug um Strafverwandlung einkommen, damit
ſie's abverdienen könne, und wenn ich vernünftig ſein und verſprechen
wolle, dem Sonnenwirth nicht mit ungeſchickten Heirathsbegehren für
ſie zur Laſt zu fallen, ſo wolle er ſehen, daß die Strafe, weil es das
erſtemal ſei, glimpflich ausfalle. Nach dem, was er mir zu verſtehen
geben hat, ſoll's auf das hinauskommen: der Schütz und ſein Weib
ſind, ſcheint's, faul, und da ſoll meine Tochter bei Amt Alles thun
was ſie nicht verrichten mögen, Botengänge, Ausputzen, den Gefange¬
nen ihr Sach' beſorgen —
Das ſind appetitliche Geſchäfte zum Theil, bemerkte Friedrich.
Und außerdem ſoll ſie dem Amtmann oder vielmehr der Amt¬
männin im Feld und Garten ſchaffen.
Hat er das geſagt? rief Friedrich ganz erfreut.
Wenn's nicht anders ſein kann, fuhr der Hirſchbauer fort, ſo wär'
das freilich nicht das Schlimmſt', wiewohl mich's hart ankommt, das
Mädle gleich von jetzt an, ſechs Wochen lang, denn ſo lang will's
der Amtmann, in meinem bisle Feld entbehren zu ſollen, ſo daß ich
mit meinen Buben nicht ſo viel wie ſonſt im Taglohn verdienen könnt'.
Jetzt hab' ich ihn! rief Friedlich voll Freude. Dem will ich's
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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/213>, abgerufen am 18.12.2024.
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