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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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mit niedergeschlagenen Augen an seiner Seite ging, und die Leute, die
ihnen begegneten, machten zwar verwunderte Gesichter, wagten aber
doch erst, nachdem das Paar vorüber war, die Köpfe zusammenzustecken
und einander ihre spöttischen Bemerkungen mitzutheilen. Am Rath¬
hause ließ er ihren Arm los: So, jetzt mußt dein' Strauß allein
ausfechten, sagte er, aber wenn ich gleich nicht dabei sein darf, so hab'
nur guten Muth, du weißt ja, daß ich nicht weit bin und dir nach¬
her im Protokoll beispringen werd'; hier unten will ich deiner war¬
ten. -- O Frieder, wie ist mir das Herz so schwer, und ich schäm'
mich so vor den Herren, erwiderte sie. -- Hätt' fast was gesagt! rief
er und trieb sie die Treppe hinauf: schämt sich eine Braut auch zur
Hochzeit zu gehen? Sei du froh, daß wir endlich einmal wenigstens im
Kirchenconventsprotocoll mit einander copulirt werden!

Er wartete lange unter dem Rathhause. Da er sich den neugie¬
rigen Blicken der Pfarrerin ausgesetzt sah, die von ihrem Fenster auf
ihn herabschaute, so wechselte er seinen Standort, doch so, daß er immer
die Thüre des Rathhauses im Auge behielt. Allein er mußte von
manchem Vorübergehenden neugierige Fragen aushalten, denn auf dem
Lande steht man nicht ungestraft an einer Ecke ruhig still, und beinahe
hatte er die Geduld verloren, als nach einer vollen Stunde Christine
auf der Rathhausstaffel erschien und sich nach ihm umsah. Er winkte
ihr. Du hast aber lang gemacht, sagte er verdrießlich, ich glaub', du
hast Alles, was sich seit deiner eigenen Geburt zugetragen hat, ge¬
beichtet. -- Was kann denn ich dafür? erwiderte sie. Halt' dich nur
parat, der Büttel folgt mir auf'm Fuß, ich hab's noch gehört, wie er
Befehl erhalten hat, dich vorzuladen. -- Wart' am Bach drüben auf
mich, sagte er, da gehen nicht so viel Leut'. -- Sie eilte von ihm
weg, froh, aus der Nähe des Rathhauses zu entkommen. Kaum war
sie verschwunden, so kam der Schütz heraus und winkte ihm. Er er¬
spart mir einen Gang, sagte er. -- Und einen Schoppen? lachte
Friedrich. -- In der Sonne, erwiderte der Schütz grinsend, hätt' ich,
schätz' wohl, heut' keinen bekommen, das Geschäft trägt's nicht aus.
Uebrigens ist hier keine Zeit nicht zu verlieren, Er ist vor löbliches
Kirchenconvent citirt und hat ohne Aufenthalt zu erscheinen. -- Das
kann geschehen, erwiderte Friedrich und ging die Treppe hinauf.

Als er an der Thüre des Rathhauszimmers auf sein Klopfen keine

mit niedergeſchlagenen Augen an ſeiner Seite ging, und die Leute, die
ihnen begegneten, machten zwar verwunderte Geſichter, wagten aber
doch erſt, nachdem das Paar vorüber war, die Köpfe zuſammenzuſtecken
und einander ihre ſpöttiſchen Bemerkungen mitzutheilen. Am Rath¬
hauſe ließ er ihren Arm los: So, jetzt mußt dein' Strauß allein
ausfechten, ſagte er, aber wenn ich gleich nicht dabei ſein darf, ſo hab'
nur guten Muth, du weißt ja, daß ich nicht weit bin und dir nach¬
her im Protokoll beiſpringen werd'; hier unten will ich deiner war¬
ten. — O Frieder, wie iſt mir das Herz ſo ſchwer, und ich ſchäm'
mich ſo vor den Herren, erwiderte ſie. — Hätt' faſt was geſagt! rief
er und trieb ſie die Treppe hinauf: ſchämt ſich eine Braut auch zur
Hochzeit zu gehen? Sei du froh, daß wir endlich einmal wenigſtens im
Kirchenconventsprotocoll mit einander copulirt werden!

Er wartete lange unter dem Rathhauſe. Da er ſich den neugie¬
rigen Blicken der Pfarrerin ausgeſetzt ſah, die von ihrem Fenſter auf
ihn herabſchaute, ſo wechſelte er ſeinen Standort, doch ſo, daß er immer
die Thüre des Rathhauſes im Auge behielt. Allein er mußte von
manchem Vorübergehenden neugierige Fragen aushalten, denn auf dem
Lande ſteht man nicht ungeſtraft an einer Ecke ruhig ſtill, und beinahe
hatte er die Geduld verloren, als nach einer vollen Stunde Chriſtine
auf der Rathhausſtaffel erſchien und ſich nach ihm umſah. Er winkte
ihr. Du haſt aber lang gemacht, ſagte er verdrießlich, ich glaub', du
haſt Alles, was ſich ſeit deiner eigenen Geburt zugetragen hat, ge¬
beichtet. — Was kann denn ich dafür? erwiderte ſie. Halt' dich nur
parat, der Büttel folgt mir auf'm Fuß, ich hab's noch gehört, wie er
Befehl erhalten hat, dich vorzuladen. — Wart' am Bach drüben auf
mich, ſagte er, da gehen nicht ſo viel Leut'. — Sie eilte von ihm
weg, froh, aus der Nähe des Rathhauſes zu entkommen. Kaum war
ſie verſchwunden, ſo kam der Schütz heraus und winkte ihm. Er er¬
ſpart mir einen Gang, ſagte er. — Und einen Schoppen? lachte
Friedrich. — In der Sonne, erwiderte der Schütz grinſend, hätt' ich,
ſchätz' wohl, heut' keinen bekommen, das Geſchäft trägt's nicht aus.
Uebrigens iſt hier keine Zeit nicht zu verlieren, Er iſt vor löbliches
Kirchenconvent citirt und hat ohne Aufenthalt zu erſcheinen. — Das
kann geſchehen, erwiderte Friedrich und ging die Treppe hinauf.

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[184/0200] mit niedergeſchlagenen Augen an ſeiner Seite ging, und die Leute, die ihnen begegneten, machten zwar verwunderte Geſichter, wagten aber doch erſt, nachdem das Paar vorüber war, die Köpfe zuſammenzuſtecken und einander ihre ſpöttiſchen Bemerkungen mitzutheilen. Am Rath¬ hauſe ließ er ihren Arm los: So, jetzt mußt dein' Strauß allein ausfechten, ſagte er, aber wenn ich gleich nicht dabei ſein darf, ſo hab' nur guten Muth, du weißt ja, daß ich nicht weit bin und dir nach¬ her im Protokoll beiſpringen werd'; hier unten will ich deiner war¬ ten. — O Frieder, wie iſt mir das Herz ſo ſchwer, und ich ſchäm' mich ſo vor den Herren, erwiderte ſie. — Hätt' faſt was geſagt! rief er und trieb ſie die Treppe hinauf: ſchämt ſich eine Braut auch zur Hochzeit zu gehen? Sei du froh, daß wir endlich einmal wenigſtens im Kirchenconventsprotocoll mit einander copulirt werden! Er wartete lange unter dem Rathhauſe. Da er ſich den neugie¬ rigen Blicken der Pfarrerin ausgeſetzt ſah, die von ihrem Fenſter auf ihn herabſchaute, ſo wechſelte er ſeinen Standort, doch ſo, daß er immer die Thüre des Rathhauſes im Auge behielt. Allein er mußte von manchem Vorübergehenden neugierige Fragen aushalten, denn auf dem Lande ſteht man nicht ungeſtraft an einer Ecke ruhig ſtill, und beinahe hatte er die Geduld verloren, als nach einer vollen Stunde Chriſtine auf der Rathhausſtaffel erſchien und ſich nach ihm umſah. Er winkte ihr. Du haſt aber lang gemacht, ſagte er verdrießlich, ich glaub', du haſt Alles, was ſich ſeit deiner eigenen Geburt zugetragen hat, ge¬ beichtet. — Was kann denn ich dafür? erwiderte ſie. Halt' dich nur parat, der Büttel folgt mir auf'm Fuß, ich hab's noch gehört, wie er Befehl erhalten hat, dich vorzuladen. — Wart' am Bach drüben auf mich, ſagte er, da gehen nicht ſo viel Leut'. — Sie eilte von ihm weg, froh, aus der Nähe des Rathhauſes zu entkommen. Kaum war ſie verſchwunden, ſo kam der Schütz heraus und winkte ihm. Er er¬ ſpart mir einen Gang, ſagte er. — Und einen Schoppen? lachte Friedrich. — In der Sonne, erwiderte der Schütz grinſend, hätt' ich, ſchätz' wohl, heut' keinen bekommen, das Geſchäft trägt's nicht aus. Uebrigens iſt hier keine Zeit nicht zu verlieren, Er iſt vor löbliches Kirchenconvent citirt und hat ohne Aufenthalt zu erſcheinen. — Das kann geſchehen, erwiderte Friedrich und ging die Treppe hinauf. Als er an der Thüre des Rathhauszimmers auf ſein Klopfen keine

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/200>, abgerufen am 25.11.2024.