so hätt' man doch dafür sorgen können daß er eine Weile wo unter¬ kommen wär'.
Mir scheint's auch das Nöthigste, daß man sich zuerst mit dem Amt verständigt, sagte der Chirurg. Das Uebrige wird sich finden. Er hat Verwandte hier und in der Gegend, und wird nicht im Bären bleiben, denn er weiß, daß das den Herrn Vater verdrießen muß.
Wenn nur auch der Herr Amtmann seinen Consens gibt, bemerkte der Krämer, der die Nothwendigkeit fühlte, im Familienrath endlich etwas, das einer eigenen Meinung glich, zu äußern.
Es liegt ja nichts Sonderlichs wider ihn vor, versetzte der Son¬ nenwirth.
Wenn's dem Herrn Vater geliebt, sagte der Chirurg, so bin ich erbötig in's, Amthaus mitzugehen. Ich muß nur erst einen andern Kittel anziehen, damit ich ein wenig amtsmäßiger aussehe.
Ja, wir wollen die Sach' lieber gleich abmachen, erwiderte der Sonnenwirth.
Als der Chirurg mit seiner Frau nach Hause ging, um sich "amts¬ mäßig" anzuziehen, sagte diese zu ihm: Wenn du nichts dagegen hast, so will ich meinem Bruder nach Plochingen schreiben, will ihm auch etwas Geld schicken, daß er seine Rechnung dort zahlen kann, und will ihn nach Hattenhofen hinüber zum Vetter gehen heißen; der be¬ hält ihn schon etliche Zeit, und dort ist er auch mehr abseits, daß ihn nicht so viele Menschen sehen.
Thu das meinetwegen, sagte ihr Mann.
Die beiden Männer gingen in's Amthaus und trugen dem Amt¬ mann ihr Anliegen vor. Derselbe machte ein bedenkliches Gesicht und sagte: Ich hätte rebus sic stantibus nichts Erhebliches dagegen einzu¬ wenden, daß der halb und halb exilirte junge Mensch, selbstverständ¬ lich unter der Bedingung künftigen Wohlverhaltens und radical ge¬ besserter Aufführung, wie auch völliger Vermeidung aller Turbulenzen und Extravaganzen, aus dem Quasi-Exil in sein elterliches Haus zu¬ rückkehre; allein da ich nun einmal über seine Entlassung an das Oberamt berichtet habe, so habe ich auch über seine Wiederannahme die amtliche Entscheidung nicht mehr in der Hand. Ich will jedoch an den Herrn Vogt in Göppingen schreiben und wohldemselben vor¬ stellen, daß der junge Mensch gleichsam als verlorner Sohn und reuiger
ſo hätt' man doch dafür ſorgen können daß er eine Weile wo unter¬ kommen wär'.
Mir ſcheint's auch das Nöthigſte, daß man ſich zuerſt mit dem Amt verſtändigt, ſagte der Chirurg. Das Uebrige wird ſich finden. Er hat Verwandte hier und in der Gegend, und wird nicht im Bären bleiben, denn er weiß, daß das den Herrn Vater verdrießen muß.
Wenn nur auch der Herr Amtmann ſeinen Conſens gibt, bemerkte der Krämer, der die Nothwendigkeit fühlte, im Familienrath endlich etwas, das einer eigenen Meinung glich, zu äußern.
Es liegt ja nichts Sonderlichs wider ihn vor, verſetzte der Son¬ nenwirth.
Wenn's dem Herrn Vater geliebt, ſagte der Chirurg, ſo bin ich erbötig in's, Amthaus mitzugehen. Ich muß nur erſt einen andern Kittel anziehen, damit ich ein wenig amtsmäßiger ausſehe.
Ja, wir wollen die Sach' lieber gleich abmachen, erwiderte der Sonnenwirth.
Als der Chirurg mit ſeiner Frau nach Hauſe ging, um ſich „amts¬ mäßig“ anzuziehen, ſagte dieſe zu ihm: Wenn du nichts dagegen haſt, ſo will ich meinem Bruder nach Plochingen ſchreiben, will ihm auch etwas Geld ſchicken, daß er ſeine Rechnung dort zahlen kann, und will ihn nach Hattenhofen hinüber zum Vetter gehen heißen; der be¬ hält ihn ſchon etliche Zeit, und dort iſt er auch mehr abſeits, daß ihn nicht ſo viele Menſchen ſehen.
Thu das meinetwegen, ſagte ihr Mann.
Die beiden Männer gingen in's Amthaus und trugen dem Amt¬ mann ihr Anliegen vor. Derſelbe machte ein bedenkliches Geſicht und ſagte: Ich hätte rebus sic stantibus nichts Erhebliches dagegen einzu¬ wenden, daß der halb und halb exilirte junge Menſch, ſelbſtverſtänd¬ lich unter der Bedingung künftigen Wohlverhaltens und radical ge¬ beſſerter Aufführung, wie auch völliger Vermeidung aller Turbulenzen und Extravaganzen, aus dem Quaſi-Exil in ſein elterliches Haus zu¬ rückkehre; allein da ich nun einmal über ſeine Entlaſſung an das Oberamt berichtet habe, ſo habe ich auch über ſeine Wiederannahme die amtliche Entſcheidung nicht mehr in der Hand. Ich will jedoch an den Herrn Vogt in Göppingen ſchreiben und wohldemſelben vor¬ ſtellen, daß der junge Menſch gleichſam als verlorner Sohn und reuiger
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0183"n="167"/>ſo hätt' man doch dafür ſorgen können daß er eine Weile wo unter¬<lb/>
kommen wär'.</p><lb/><p>Mir ſcheint's auch das Nöthigſte, daß man ſich zuerſt mit dem<lb/>
Amt verſtändigt, ſagte der Chirurg. Das Uebrige wird ſich finden.<lb/>
Er hat Verwandte hier und in der Gegend, und wird nicht im Bären<lb/>
bleiben, denn er weiß, daß das den Herrn Vater verdrießen muß.</p><lb/><p>Wenn nur auch der Herr Amtmann ſeinen Conſens gibt, bemerkte<lb/>
der Krämer, der die Nothwendigkeit fühlte, im Familienrath endlich<lb/>
etwas, das einer eigenen Meinung glich, zu äußern.</p><lb/><p>Es liegt ja nichts Sonderlichs wider ihn vor, verſetzte der Son¬<lb/>
nenwirth.</p><lb/><p>Wenn's dem Herrn Vater geliebt, ſagte der Chirurg, ſo bin ich<lb/>
erbötig in's, Amthaus mitzugehen. Ich muß nur erſt einen andern<lb/>
Kittel anziehen, damit ich ein wenig amtsmäßiger ausſehe.</p><lb/><p>Ja, wir wollen die Sach' lieber gleich abmachen, erwiderte der<lb/>
Sonnenwirth.</p><lb/><p>Als der Chirurg mit ſeiner Frau nach Hauſe ging, um ſich „amts¬<lb/>
mäßig“ anzuziehen, ſagte dieſe zu ihm: Wenn du nichts dagegen haſt,<lb/>ſo will ich meinem Bruder nach Plochingen ſchreiben, will ihm auch<lb/>
etwas Geld ſchicken, daß er ſeine Rechnung dort zahlen kann, und<lb/>
will ihn nach Hattenhofen hinüber zum Vetter gehen heißen; der be¬<lb/>
hält ihn ſchon etliche Zeit, und dort iſt er auch mehr abſeits, daß<lb/>
ihn nicht ſo viele Menſchen ſehen.</p><lb/><p>Thu das meinetwegen, ſagte ihr Mann.</p><lb/><p>Die beiden Männer gingen in's Amthaus und trugen dem Amt¬<lb/>
mann ihr Anliegen vor. Derſelbe machte ein bedenkliches Geſicht und<lb/>ſagte: Ich hätte <hirendition="#aq">rebus sic stantibus</hi> nichts Erhebliches dagegen einzu¬<lb/>
wenden, daß der halb und halb exilirte junge Menſch, ſelbſtverſtänd¬<lb/>
lich unter der Bedingung künftigen Wohlverhaltens und radical ge¬<lb/>
beſſerter Aufführung, wie auch völliger Vermeidung aller Turbulenzen<lb/>
und Extravaganzen, aus dem Quaſi-Exil in ſein elterliches Haus zu¬<lb/>
rückkehre; allein da ich nun einmal über ſeine Entlaſſung an das<lb/>
Oberamt berichtet habe, ſo habe ich auch über ſeine Wiederannahme<lb/>
die amtliche Entſcheidung nicht mehr in der Hand. Ich will jedoch<lb/>
an den Herrn Vogt in Göppingen ſchreiben und wohldemſelben vor¬<lb/>ſtellen, daß der junge Menſch gleichſam als verlorner Sohn und reuiger<lb/></p></div></body></text></TEI>
[167/0183]
ſo hätt' man doch dafür ſorgen können daß er eine Weile wo unter¬
kommen wär'.
Mir ſcheint's auch das Nöthigſte, daß man ſich zuerſt mit dem
Amt verſtändigt, ſagte der Chirurg. Das Uebrige wird ſich finden.
Er hat Verwandte hier und in der Gegend, und wird nicht im Bären
bleiben, denn er weiß, daß das den Herrn Vater verdrießen muß.
Wenn nur auch der Herr Amtmann ſeinen Conſens gibt, bemerkte
der Krämer, der die Nothwendigkeit fühlte, im Familienrath endlich
etwas, das einer eigenen Meinung glich, zu äußern.
Es liegt ja nichts Sonderlichs wider ihn vor, verſetzte der Son¬
nenwirth.
Wenn's dem Herrn Vater geliebt, ſagte der Chirurg, ſo bin ich
erbötig in's, Amthaus mitzugehen. Ich muß nur erſt einen andern
Kittel anziehen, damit ich ein wenig amtsmäßiger ausſehe.
Ja, wir wollen die Sach' lieber gleich abmachen, erwiderte der
Sonnenwirth.
Als der Chirurg mit ſeiner Frau nach Hauſe ging, um ſich „amts¬
mäßig“ anzuziehen, ſagte dieſe zu ihm: Wenn du nichts dagegen haſt,
ſo will ich meinem Bruder nach Plochingen ſchreiben, will ihm auch
etwas Geld ſchicken, daß er ſeine Rechnung dort zahlen kann, und
will ihn nach Hattenhofen hinüber zum Vetter gehen heißen; der be¬
hält ihn ſchon etliche Zeit, und dort iſt er auch mehr abſeits, daß
ihn nicht ſo viele Menſchen ſehen.
Thu das meinetwegen, ſagte ihr Mann.
Die beiden Männer gingen in's Amthaus und trugen dem Amt¬
mann ihr Anliegen vor. Derſelbe machte ein bedenkliches Geſicht und
ſagte: Ich hätte rebus sic stantibus nichts Erhebliches dagegen einzu¬
wenden, daß der halb und halb exilirte junge Menſch, ſelbſtverſtänd¬
lich unter der Bedingung künftigen Wohlverhaltens und radical ge¬
beſſerter Aufführung, wie auch völliger Vermeidung aller Turbulenzen
und Extravaganzen, aus dem Quaſi-Exil in ſein elterliches Haus zu¬
rückkehre; allein da ich nun einmal über ſeine Entlaſſung an das
Oberamt berichtet habe, ſo habe ich auch über ſeine Wiederannahme
die amtliche Entſcheidung nicht mehr in der Hand. Ich will jedoch
an den Herrn Vogt in Göppingen ſchreiben und wohldemſelben vor¬
ſtellen, daß der junge Menſch gleichſam als verlorner Sohn und reuiger
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/183>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.