will ich Ihn um Gottes Willen gebeten haben, mir einen Rath zu ertheilen, dann ich laufe in der Irr, als wie ein verlornes Schaf; so rufe ich zu Gott, er möchte mir einen Hirten senden, der mich wieder auf den rechten Weg bringen sollte. Meine Reise ist nicht bestanden, wie ich geglaubt hab: mein Herr Vetter hat des Gerichtsschreibers Sohn von Boll zum Knecht, und hat ihn nicht fortschicken können, weil er auch ein Freund von ihm sei. So bin ich diesesmal in mich selber gangen, und mußt erst erkennen was ich bei meinem Vater vor gute Tag gehabt hab und ihm nicht gefolgt, so bitt ich nur noch dieses¬ mal zu helfen und mich nicht zu verlassen. Meine Eine Bitt an die Meinen ist, mir nur noch so viel zu helfen, daß ich nur einer von seinen Taglöhnern sein möchte. Ich werde gewiß meinem Vater in allen Stücken gehorsam sein; wann ich es nicht thue und ihm im Ge¬ ringsten was anstelle, so sprich ich das Urtel wider mich und schreibe meine eignige Hand unter, daß ich auf den ewigen Arrest soll gesetzt werden. Ich weiß wohl, ich hab es gegen den Herrn Schwager nicht verdient, weil ich Ihn schon in vielen Stücken erzürnt und beleidiget hab, es ist mir aber herzlich leid, es wird inskünftige nicht mehr ge¬ schehen. So mein ich nun ob der Schwager nicht eine Bitte vor mich bei dem Herrn Amtmann thun möchte. Man redt wider mich in Eberspbach, es sollte einen Heiden erbarmen über solche Reden: ich soll gesagt haben, ich wolle alle Häuser in Brand stecken und den und jenen todt stechen. Mein Hertze hat noch niemal daran gedacht. Geliebter Herr Schwager, ich gedenke auch noch an Gott, und gedenke bei mir selbst, ich möcht hinkommen wo ich wollt, und Gott möchte mich auf das Krankenbette legen, ich gewiß mein Vaterland durch solche Streich nicht verschertzen will. So bitte ich den Schwager mich auf diesesmal nicht zu verlassen und mir einen Rad zu geben und zu helfen" --
"Rad" schreibt er, unterbrach sich der Chirurg im Lesen: er kann doch sonst besser schreiben und hat das Wort weiter oben auch richtig geschrieben.
Seine Hand weiß mehr als er und hat das Rechte troffen, be¬ merkte die Sonnenwirthin: der Weg, den er geht, führt wohl noch zu Galgen und Rad.
Ist der Brief aus? fragte der Sonnenwirth.
will ich Ihn um Gottes Willen gebeten haben, mir einen Rath zu ertheilen, dann ich laufe in der Irr, als wie ein verlornes Schaf; ſo rufe ich zu Gott, er möchte mir einen Hirten ſenden, der mich wieder auf den rechten Weg bringen ſollte. Meine Reiſe iſt nicht beſtanden, wie ich geglaubt hab: mein Herr Vetter hat des Gerichtsſchreibers Sohn von Boll zum Knecht, und hat ihn nicht fortſchicken können, weil er auch ein Freund von ihm ſei. So bin ich dieſesmal in mich ſelber gangen, und mußt erſt erkennen was ich bei meinem Vater vor gute Tag gehabt hab und ihm nicht gefolgt, ſo bitt ich nur noch dieſes¬ mal zu helfen und mich nicht zu verlaſſen. Meine Eine Bitt an die Meinen iſt, mir nur noch ſo viel zu helfen, daß ich nur einer von ſeinen Taglöhnern ſein möchte. Ich werde gewiß meinem Vater in allen Stücken gehorſam ſein; wann ich es nicht thue und ihm im Ge¬ ringſten was anſtelle, ſo ſprich ich das Urtel wider mich und ſchreibe meine eignige Hand unter, daß ich auf den ewigen Arreſt ſoll geſetzt werden. Ich weiß wohl, ich hab es gegen den Herrn Schwager nicht verdient, weil ich Ihn ſchon in vielen Stücken erzürnt und beleidiget hab, es iſt mir aber herzlich leid, es wird inskünftige nicht mehr ge¬ ſchehen. So mein ich nun ob der Schwager nicht eine Bitte vor mich bei dem Herrn Amtmann thun möchte. Man redt wider mich in Eberſpbach, es ſollte einen Heiden erbarmen über ſolche Reden: ich ſoll geſagt haben, ich wolle alle Häuſer in Brand ſtecken und den und jenen todt ſtechen. Mein Hertze hat noch niemal daran gedacht. Geliebter Herr Schwager, ich gedenke auch noch an Gott, und gedenke bei mir ſelbſt, ich möcht hinkommen wo ich wollt, und Gott möchte mich auf das Krankenbette legen, ich gewiß mein Vaterland durch ſolche Streich nicht verſchertzen will. So bitte ich den Schwager mich auf dieſesmal nicht zu verlaſſen und mir einen Rad zu geben und zu helfen“ —
„Rad“ ſchreibt er, unterbrach ſich der Chirurg im Leſen: er kann doch ſonſt beſſer ſchreiben und hat das Wort weiter oben auch richtig geſchrieben.
Seine Hand weiß mehr als er und hat das Rechte troffen, be¬ merkte die Sonnenwirthin: der Weg, den er geht, führt wohl noch zu Galgen und Rad.
Iſt der Brief aus? fragte der Sonnenwirth.
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rufe ich zu Gott, er möchte mir einen Hirten ſenden, der mich wieder
auf den rechten Weg bringen ſollte. Meine Reiſe iſt nicht beſtanden,
wie ich geglaubt hab: mein Herr Vetter hat des Gerichtsſchreibers
Sohn von Boll zum Knecht, und hat ihn nicht fortſchicken können,
weil er auch ein Freund von ihm ſei. So bin ich dieſesmal in mich
ſelber gangen, und mußt erſt erkennen was ich bei meinem Vater vor
gute Tag gehabt hab und ihm nicht gefolgt, ſo bitt ich nur noch dieſes¬
mal zu helfen und mich nicht zu verlaſſen. Meine Eine Bitt an die
Meinen iſt, mir nur noch ſo viel zu helfen, daß ich nur einer von
ſeinen Taglöhnern ſein möchte. Ich werde gewiß meinem Vater in
allen Stücken gehorſam ſein; wann ich es nicht thue und ihm im Ge¬
ringſten was anſtelle, ſo ſprich ich das Urtel wider mich und ſchreibe
meine eignige Hand unter, daß ich auf den ewigen Arreſt ſoll geſetzt
werden. Ich weiß wohl, ich hab es gegen den Herrn Schwager nicht
verdient, weil ich Ihn ſchon in vielen Stücken erzürnt und beleidiget
hab, es iſt mir aber herzlich leid, es wird inskünftige nicht mehr ge¬
ſchehen. So mein ich nun ob der Schwager nicht eine Bitte vor
mich bei dem Herrn Amtmann thun möchte. Man redt wider mich
in Eberſpbach, es ſollte einen Heiden erbarmen über ſolche Reden: ich
ſoll geſagt haben, ich wolle alle Häuſer in Brand ſtecken und den
und jenen todt ſtechen. Mein Hertze hat noch niemal daran gedacht.
Geliebter Herr Schwager, ich gedenke auch noch an Gott, und gedenke
bei mir ſelbſt, ich möcht hinkommen wo ich wollt, und Gott möchte
mich auf das Krankenbette legen, ich gewiß mein Vaterland durch ſolche
Streich nicht verſchertzen will. So bitte ich den Schwager mich auf
dieſesmal nicht zu verlaſſen und mir einen Rad zu geben und zu
helfen“ —
„Rad“ ſchreibt er, unterbrach ſich der Chirurg im Leſen: er kann
doch ſonſt beſſer ſchreiben und hat das Wort weiter oben auch richtig
geſchrieben.
Seine Hand weiß mehr als er und hat das Rechte troffen, be¬
merkte die Sonnenwirthin: der Weg, den er geht, führt wohl noch zu
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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/178>, abgerufen am 26.11.2024.
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