Herz geben, wie ich gehört hab', daß du fort gehst; mein Herz hat sich ganz zusammengezogen, und seitdem thut mir's fortwährend weh. Ach Gott, was soll aus mir werden, wenn ich dich nicht mehr hab'!
Mach' mir das Herz nicht schwer, sagte er. Sieh, es ist mir ja schrecklich, daß ich von dir gehen muß, aber es kann nicht anders sein, und ich bin bei dir und du bei mir, wo ich auch sein mag in der Welt. Es ist wohl weit weg, aber doch nicht so gar weit, daß wir nicht einander schreiben oder sogar zu einander kommen könnten, wenn's Noth thut. Denk' dir alle Möglichkeiten der Reih' nach, so muß es uns doch zuletzt nach Wunsch und Willen gehen. Entweder gibt mein Vater nach, wenn er unsere Beständigkeit sieht, dann ist ja Alles recht und gut; oder wir müssen warten bis er das Zeitliche segnet, dann ist's zwar schlimm, aber doch besser als gar nichts; oder er verstoßt mich, wenn er mir den Sinn nicht brechen kann, dann kann er mir aber auch nichts mehr verbieten, und heißt's eben: Mann, nimm deine Hau', ernähr' deine Frau; oder find' ich vielleicht in der Fremde bei meinem Vatersbruder oder sonst wo eine Heimath, man kann ja nicht wissen wie's geht in der Welt, dann lass' ich dich nachkom¬ men; wenn's vielleicht für's Erst' nur ein Dienst wär', den ich dir da drunten verschaffen könnt', so wären wir doch näher bei einander und könnten's nach und nach weiter bringen. Kurzum, ich mag mir aus¬ denken was ich will, das End' vom Lied ist eben immer, daß wir Mann und Weib werden.
Ja, aber da drunten gibt's gewiß schöne Jungfern, die mich bei dir ausstechen.
Sorg' du nicht für mich, hab' du vielmehr Acht, daß du mich nicht von den Ebersbacher Buben aus deinem Herzen vertreiben läßt.
Ei so laß doch endlich das Geschwätz mit den Buben sein! sagte sie schmollend.
Was dir recht ist muß mir billig sein, erwiderte er. Such' du mich nicht hinterm Ofen, dann guck' ich auch nicht, ob du dahinter steckst. Jetzt laß uns aber die letzten Stunden nicht mit Zank und Trutz verderben, es ist ja doch keinem von uns beiden Ernst damit.
Nachdem sie noch längere Zelt in solchen Wechselreden verbracht, sagte Friedrich: Ich muß jetzt gehen, ich hab' noch Geschäfte mit mei¬ nem Pfleger. Ich nehm' aber jetzt nicht Abschied von dir, denn ich
Herz geben, wie ich gehört hab', daß du fort gehſt; mein Herz hat ſich ganz zuſammengezogen, und ſeitdem thut mir's fortwährend weh. Ach Gott, was ſoll aus mir werden, wenn ich dich nicht mehr hab'!
Mach' mir das Herz nicht ſchwer, ſagte er. Sieh, es iſt mir ja ſchrecklich, daß ich von dir gehen muß, aber es kann nicht anders ſein, und ich bin bei dir und du bei mir, wo ich auch ſein mag in der Welt. Es iſt wohl weit weg, aber doch nicht ſo gar weit, daß wir nicht einander ſchreiben oder ſogar zu einander kommen könnten, wenn's Noth thut. Denk' dir alle Möglichkeiten der Reih' nach, ſo muß es uns doch zuletzt nach Wunſch und Willen gehen. Entweder gibt mein Vater nach, wenn er unſere Beſtändigkeit ſieht, dann iſt ja Alles recht und gut; oder wir müſſen warten bis er das Zeitliche ſegnet, dann iſt's zwar ſchlimm, aber doch beſſer als gar nichts; oder er verſtoßt mich, wenn er mir den Sinn nicht brechen kann, dann kann er mir aber auch nichts mehr verbieten, und heißt's eben: Mann, nimm deine Hau', ernähr' deine Frau; oder find' ich vielleicht in der Fremde bei meinem Vatersbruder oder ſonſt wo eine Heimath, man kann ja nicht wiſſen wie's geht in der Welt, dann laſſ' ich dich nachkom¬ men; wenn's vielleicht für's Erſt' nur ein Dienſt wär', den ich dir da drunten verſchaffen könnt', ſo wären wir doch näher bei einander und könnten's nach und nach weiter bringen. Kurzum, ich mag mir aus¬ denken was ich will, das End' vom Lied iſt eben immer, daß wir Mann und Weib werden.
Ja, aber da drunten gibt's gewiß ſchöne Jungfern, die mich bei dir ausſtechen.
Sorg' du nicht für mich, hab' du vielmehr Acht, daß du mich nicht von den Ebersbacher Buben aus deinem Herzen vertreiben läßt.
Ei ſo laß doch endlich das Geſchwätz mit den Buben ſein! ſagte ſie ſchmollend.
Was dir recht iſt muß mir billig ſein, erwiderte er. Such' du mich nicht hinterm Ofen, dann guck' ich auch nicht, ob du dahinter ſteckſt. Jetzt laß uns aber die letzten Stunden nicht mit Zank und Trutz verderben, es iſt ja doch keinem von uns beiden Ernſt damit.
Nachdem ſie noch längere Zelt in ſolchen Wechſelreden verbracht, ſagte Friedrich: Ich muß jetzt gehen, ich hab' noch Geſchäfte mit mei¬ nem Pfleger. Ich nehm' aber jetzt nicht Abſchied von dir, denn ich
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0164"n="148"/>
Herz geben, wie ich gehört hab', daß du fort gehſt; mein Herz hat<lb/>ſich ganz zuſammengezogen, und ſeitdem thut mir's fortwährend weh.<lb/>
Ach Gott, was ſoll aus mir werden, wenn ich dich nicht mehr hab'!</p><lb/><p>Mach' mir das Herz nicht ſchwer, ſagte er. Sieh, es iſt mir<lb/>
ja ſchrecklich, daß ich von dir gehen muß, aber es kann nicht anders<lb/>ſein, und ich bin bei dir und du bei mir, wo ich auch ſein mag in<lb/>
der Welt. Es iſt wohl weit weg, aber doch nicht ſo gar weit, daß<lb/>
wir nicht einander ſchreiben oder ſogar zu einander kommen könnten,<lb/>
wenn's Noth thut. Denk' dir alle Möglichkeiten der Reih' nach, ſo<lb/>
muß es uns doch zuletzt nach Wunſch und Willen gehen. Entweder<lb/>
gibt mein Vater nach, wenn er unſere Beſtändigkeit ſieht, dann iſt<lb/>
ja Alles recht und gut; oder wir müſſen warten bis er das Zeitliche<lb/>ſegnet, dann iſt's zwar ſchlimm, aber doch beſſer als gar nichts;<lb/>
oder er verſtoßt mich, wenn er mir den Sinn nicht brechen kann, dann<lb/>
kann er mir aber auch nichts mehr verbieten, und heißt's eben: Mann,<lb/>
nimm deine Hau', ernähr' deine Frau; oder find' ich vielleicht in der<lb/>
Fremde bei meinem Vatersbruder oder ſonſt wo eine Heimath, man<lb/>
kann ja nicht wiſſen wie's geht in der Welt, dann laſſ' ich dich nachkom¬<lb/>
men; wenn's vielleicht für's Erſt' nur ein Dienſt wär', den ich dir da<lb/>
drunten verſchaffen könnt', ſo wären wir doch näher bei einander und<lb/>
könnten's nach und nach weiter bringen. Kurzum, ich mag mir aus¬<lb/>
denken was ich will, das End' vom Lied iſt eben immer, daß wir<lb/>
Mann und Weib werden.</p><lb/><p>Ja, aber da drunten gibt's gewiß ſchöne Jungfern, die mich bei<lb/>
dir ausſtechen.</p><lb/><p>Sorg' du nicht für mich, hab' du vielmehr Acht, daß du mich<lb/>
nicht von den Ebersbacher Buben aus deinem Herzen vertreiben läßt.</p><lb/><p>Ei ſo laß doch endlich das Geſchwätz mit den Buben ſein! ſagte<lb/>ſie ſchmollend.</p><lb/><p>Was dir recht iſt muß mir billig ſein, erwiderte er. Such' du<lb/>
mich nicht hinterm Ofen, dann guck' ich auch nicht, ob du dahinter<lb/>ſteckſt. Jetzt laß uns aber die letzten Stunden nicht mit Zank und<lb/>
Trutz verderben, es iſt ja doch keinem von uns beiden Ernſt damit.</p><lb/><p>Nachdem ſie noch längere Zelt in ſolchen Wechſelreden verbracht,<lb/>ſagte Friedrich: Ich muß jetzt gehen, ich hab' noch Geſchäfte mit mei¬<lb/>
nem Pfleger. Ich nehm' aber jetzt nicht Abſchied von dir, denn ich<lb/></p></div></body></text></TEI>
[148/0164]
Herz geben, wie ich gehört hab', daß du fort gehſt; mein Herz hat
ſich ganz zuſammengezogen, und ſeitdem thut mir's fortwährend weh.
Ach Gott, was ſoll aus mir werden, wenn ich dich nicht mehr hab'!
Mach' mir das Herz nicht ſchwer, ſagte er. Sieh, es iſt mir
ja ſchrecklich, daß ich von dir gehen muß, aber es kann nicht anders
ſein, und ich bin bei dir und du bei mir, wo ich auch ſein mag in
der Welt. Es iſt wohl weit weg, aber doch nicht ſo gar weit, daß
wir nicht einander ſchreiben oder ſogar zu einander kommen könnten,
wenn's Noth thut. Denk' dir alle Möglichkeiten der Reih' nach, ſo
muß es uns doch zuletzt nach Wunſch und Willen gehen. Entweder
gibt mein Vater nach, wenn er unſere Beſtändigkeit ſieht, dann iſt
ja Alles recht und gut; oder wir müſſen warten bis er das Zeitliche
ſegnet, dann iſt's zwar ſchlimm, aber doch beſſer als gar nichts;
oder er verſtoßt mich, wenn er mir den Sinn nicht brechen kann, dann
kann er mir aber auch nichts mehr verbieten, und heißt's eben: Mann,
nimm deine Hau', ernähr' deine Frau; oder find' ich vielleicht in der
Fremde bei meinem Vatersbruder oder ſonſt wo eine Heimath, man
kann ja nicht wiſſen wie's geht in der Welt, dann laſſ' ich dich nachkom¬
men; wenn's vielleicht für's Erſt' nur ein Dienſt wär', den ich dir da
drunten verſchaffen könnt', ſo wären wir doch näher bei einander und
könnten's nach und nach weiter bringen. Kurzum, ich mag mir aus¬
denken was ich will, das End' vom Lied iſt eben immer, daß wir
Mann und Weib werden.
Ja, aber da drunten gibt's gewiß ſchöne Jungfern, die mich bei
dir ausſtechen.
Sorg' du nicht für mich, hab' du vielmehr Acht, daß du mich
nicht von den Ebersbacher Buben aus deinem Herzen vertreiben läßt.
Ei ſo laß doch endlich das Geſchwätz mit den Buben ſein! ſagte
ſie ſchmollend.
Was dir recht iſt muß mir billig ſein, erwiderte er. Such' du
mich nicht hinterm Ofen, dann guck' ich auch nicht, ob du dahinter
ſteckſt. Jetzt laß uns aber die letzten Stunden nicht mit Zank und
Trutz verderben, es iſt ja doch keinem von uns beiden Ernſt damit.
Nachdem ſie noch längere Zelt in ſolchen Wechſelreden verbracht,
ſagte Friedrich: Ich muß jetzt gehen, ich hab' noch Geſchäfte mit mei¬
nem Pfleger. Ich nehm' aber jetzt nicht Abſchied von dir, denn ich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/164>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.