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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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Du solltest eher auf das denken, wie du ihn gewinnst, damit er
uns nicht weiter verschwätzt.

Dafür ist schon gesorgt: meine Frau Mutter hat zu verstehen
geben, sie hab' ihn abgefunden, damit er dem Pfarrer nichts zutrage.
Der schreit schon, wenn Einer am Sonntag eine Bettlad' anstreicht.
Wie würd' er erst einen Lärm machen, wenn er erführe, was wir für
einen Gottesdienst mit einander gehalten haben.

Red' doch nicht so gottlos heraus! unterbrach ihn Christine. Es
ist ja eine Sünd' und eine Schand', wie du schwätzst!

Was? wenn ein Bub' sein Mädle in Arm nimmt, die unser Herr¬
gott für einander geschaffen hat? Da müßtest du ja Reu' und Leid
tragen für jeden Kuß, den du mir heut unter der Kirch' geben hast!

Ach, Gott verzeih' mir's! ich hab' dich eben so lieb, und darum
hab' ich's gethan. Aber recht ist's doch nicht, und so davon zu reden,
das ist sündlich.

Du Annemergele du! Aber wir wollen nicht streiten. Komm,
wollen lieber küssen.

Mein'twegen, die Kirch' ist ja schon lang aus.

Sie gingen, sich küssend und umschlingend, weit ins beschneite
Feld, ohne dem Frost eine Gewalt über ihr Jugendfeuer zu gönnen;
ja sie warfen einander, wenn sie sich müde geküßt hatten, mit Schnee¬
ballen, und traf er sie mit einem gar zu derben Wurfe, so gab dies
wieder Anlaß zu Söhnungsbitten und neuen Liebkosungen. Dazwischen
zerstreute er ihre stets auftauchenden Besorgnisse wegen der Zukunft
durch die bündigsten Versicherungen und Schwüre. Der Mond sank
erblassend gegen Westen hinab und die ersten Schauer der Morgenkälte
wehten über die Flur, als sie sich endlich trennten. Immer später
kam in den nächsten Nächten die abnehmende Sichel auf den Schau¬
platz und immer noch traf sie das Paar und beleuchtete eine Glück¬
seligkeit, die sich um die Welt nichts kümmerte. Wenn aber je Chri¬
stine wieder zu sorgen und zu zagen begann, so wußte Friedrich sie
zugleich zu necken und zu trösten. Ich glaub', der Muth verfriert
dir, sagte er, wir werden uns in der Hüterhütte bergen müssen. Sieh',
du bist mein Weib vor Gott, ich werd' nicht von dir lassen und nicht
eher ruhen, bis du es auch vor den Menschen bist. Ich hab' einmal
gesagt: Ich will! und das Wollen in eigner Sach' ist viel stärker,

Du ſollteſt eher auf das denken, wie du ihn gewinnſt, damit er
uns nicht weiter verſchwätzt.

Dafür iſt ſchon geſorgt: meine Frau Mutter hat zu verſtehen
geben, ſie hab' ihn abgefunden, damit er dem Pfarrer nichts zutrage.
Der ſchreit ſchon, wenn Einer am Sonntag eine Bettlad' anſtreicht.
Wie würd' er erſt einen Lärm machen, wenn er erführe, was wir für
einen Gottesdienſt mit einander gehalten haben.

Red' doch nicht ſo gottlos heraus! unterbrach ihn Chriſtine. Es
iſt ja eine Sünd' und eine Schand', wie du ſchwätzſt!

Was? wenn ein Bub' ſein Mädle in Arm nimmt, die unſer Herr¬
gott für einander geſchaffen hat? Da müßteſt du ja Reu' und Leid
tragen für jeden Kuß, den du mir heut unter der Kirch' geben haſt!

Ach, Gott verzeih' mir's! ich hab' dich eben ſo lieb, und darum
hab' ich's gethan. Aber recht iſt's doch nicht, und ſo davon zu reden,
das iſt ſündlich.

Du Annemergele du! Aber wir wollen nicht ſtreiten. Komm,
wollen lieber küſſen.

Mein'twegen, die Kirch' iſt ja ſchon lang aus.

Sie gingen, ſich küſſend und umſchlingend, weit ins beſchneite
Feld, ohne dem Froſt eine Gewalt über ihr Jugendfeuer zu gönnen;
ja ſie warfen einander, wenn ſie ſich müde geküßt hatten, mit Schnee¬
ballen, und traf er ſie mit einem gar zu derben Wurfe, ſo gab dies
wieder Anlaß zu Söhnungsbitten und neuen Liebkoſungen. Dazwiſchen
zerſtreute er ihre ſtets auftauchenden Beſorgniſſe wegen der Zukunft
durch die bündigſten Verſicherungen und Schwüre. Der Mond ſank
erblaſſend gegen Weſten hinab und die erſten Schauer der Morgenkälte
wehten über die Flur, als ſie ſich endlich trennten. Immer ſpäter
kam in den nächſten Nächten die abnehmende Sichel auf den Schau¬
platz und immer noch traf ſie das Paar und beleuchtete eine Glück¬
ſeligkeit, die ſich um die Welt nichts kümmerte. Wenn aber je Chri¬
ſtine wieder zu ſorgen und zu zagen begann, ſo wußte Friedrich ſie
zugleich zu necken und zu tröſten. Ich glaub', der Muth verfriert
dir, ſagte er, wir werden uns in der Hüterhütte bergen müſſen. Sieh',
du biſt mein Weib vor Gott, ich werd' nicht von dir laſſen und nicht
eher ruhen, bis du es auch vor den Menſchen biſt. Ich hab' einmal
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[139/0155] Du ſollteſt eher auf das denken, wie du ihn gewinnſt, damit er uns nicht weiter verſchwätzt. Dafür iſt ſchon geſorgt: meine Frau Mutter hat zu verſtehen geben, ſie hab' ihn abgefunden, damit er dem Pfarrer nichts zutrage. Der ſchreit ſchon, wenn Einer am Sonntag eine Bettlad' anſtreicht. Wie würd' er erſt einen Lärm machen, wenn er erführe, was wir für einen Gottesdienſt mit einander gehalten haben. Red' doch nicht ſo gottlos heraus! unterbrach ihn Chriſtine. Es iſt ja eine Sünd' und eine Schand', wie du ſchwätzſt! Was? wenn ein Bub' ſein Mädle in Arm nimmt, die unſer Herr¬ gott für einander geſchaffen hat? Da müßteſt du ja Reu' und Leid tragen für jeden Kuß, den du mir heut unter der Kirch' geben haſt! Ach, Gott verzeih' mir's! ich hab' dich eben ſo lieb, und darum hab' ich's gethan. Aber recht iſt's doch nicht, und ſo davon zu reden, das iſt ſündlich. Du Annemergele du! Aber wir wollen nicht ſtreiten. Komm, wollen lieber küſſen. Mein'twegen, die Kirch' iſt ja ſchon lang aus. Sie gingen, ſich küſſend und umſchlingend, weit ins beſchneite Feld, ohne dem Froſt eine Gewalt über ihr Jugendfeuer zu gönnen; ja ſie warfen einander, wenn ſie ſich müde geküßt hatten, mit Schnee¬ ballen, und traf er ſie mit einem gar zu derben Wurfe, ſo gab dies wieder Anlaß zu Söhnungsbitten und neuen Liebkoſungen. Dazwiſchen zerſtreute er ihre ſtets auftauchenden Beſorgniſſe wegen der Zukunft durch die bündigſten Verſicherungen und Schwüre. Der Mond ſank erblaſſend gegen Weſten hinab und die erſten Schauer der Morgenkälte wehten über die Flur, als ſie ſich endlich trennten. Immer ſpäter kam in den nächſten Nächten die abnehmende Sichel auf den Schau¬ platz und immer noch traf ſie das Paar und beleuchtete eine Glück¬ ſeligkeit, die ſich um die Welt nichts kümmerte. Wenn aber je Chri¬ ſtine wieder zu ſorgen und zu zagen begann, ſo wußte Friedrich ſie zugleich zu necken und zu tröſten. Ich glaub', der Muth verfriert dir, ſagte er, wir werden uns in der Hüterhütte bergen müſſen. Sieh', du biſt mein Weib vor Gott, ich werd' nicht von dir laſſen und nicht eher ruhen, bis du es auch vor den Menſchen biſt. Ich hab' einmal geſagt: Ich will! und das Wollen in eigner Sach' iſt viel ſtärker,

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/155>, abgerufen am 24.11.2024.