verschiedener Weise Luft. Der Krämer stieß ein schrillendes Gelächter aus, das dem Geheul eines jungen Hundes nicht unähnlich klang, und seine kleinen Aeuglein verschwanden in den Fettbergen, womit sie umgeben waren. Seine Frau, Friedrich's älteste Schwester, schlug die Hände über dem Kopfe zusammen und lamentirte. Der Chirurgus bewegte den seinigen gravitätisch hin und her und begnügte sich, durch diese stumme Gebärde seine ernste, aber unvorgreifliche Mißbilligung an den Tag zu legen, während seine Frau schmerzlich ausrief: Ach Bruder, wirst denn gar nie gescheid werden?
Der Sonnenwirth hatte gleichfalls einige Zeit gebraucht, um aus einer Art von Erstarrung zu sich zu kommen. Als er sich erholt hatte, streckte er den Finger gebieterisch gegen seinen Sohn aus. Laß dir im Hirn verganten! rief er: vor Allem aber reis' dich, daß ich dich heut nicht mehr sehen muß, und hörst? komm mir ein paar ganze Tag' gar nicht vor's Angesicht.
Friedrich stand gelassen auf, um dem Gebote seines Vaters zu ge¬ horchen. Ihr werdet noch besser von der Sach' denken lernen, Vater, sagte er, indem er sich zum Gehen anschickte.
Still! rief der Alte, sei ganz still, red' gar nichts, denn jedes Wort, das aus deinem Mund geht, ist ein Nagel zu meinem Sarg.
Der Sohn schwieg und ging schnell zur Thüre hinaus.
Es ist doch schrecklich, jammerte die Krämerin, daß sich der Bub' gar nicht geben will. Kaum meint man, man hab' ihn auf dem rechten Weg, so kommt wieder ein ärgerer Streich.
Ja, sagte der Krämer, das gäb' eine Eh', die man aus dem Hei¬ ligen verhalten müßt'.
Freilich, wie die Lumpensippschaft, aus der das lüderlich' Ding abstammt, ergänzte seine Frau.
Ach Gott, ich will ihr ja sonst weiter nichts nachgered't haben, sagte ihre jüngere Schwester, die sich zur Heirath mit dem Chirurgen bequemt hatte: aber sie hat eben gar nichts als 'n Gott und 'n Rock.
Eine schöne Partie für uns! rief die Krämerin. Der Bub' ist einmal im Kopf nicht richtig. Bei seiner Tauf' ist der vorig' Amt¬ mann zu Gevatter gestanden, und jetzt will er uns ein solches Bauern¬ mensch in die Familie bringen.
verſchiedener Weiſe Luft. Der Krämer ſtieß ein ſchrillendes Gelächter aus, das dem Geheul eines jungen Hundes nicht unähnlich klang, und ſeine kleinen Aeuglein verſchwanden in den Fettbergen, womit ſie umgeben waren. Seine Frau, Friedrich's älteſte Schweſter, ſchlug die Hände über dem Kopfe zuſammen und lamentirte. Der Chirurgus bewegte den ſeinigen gravitätiſch hin und her und begnügte ſich, durch dieſe ſtumme Gebärde ſeine ernſte, aber unvorgreifliche Mißbilligung an den Tag zu legen, während ſeine Frau ſchmerzlich ausrief: Ach Bruder, wirſt denn gar nie geſcheid werden?
Der Sonnenwirth hatte gleichfalls einige Zeit gebraucht, um aus einer Art von Erſtarrung zu ſich zu kommen. Als er ſich erholt hatte, ſtreckte er den Finger gebieteriſch gegen ſeinen Sohn aus. Laß dir im Hirn verganten! rief er: vor Allem aber reiſ' dich, daß ich dich heut nicht mehr ſehen muß, und hörſt? komm mir ein paar ganze Tag' gar nicht vor's Angeſicht.
Friedrich ſtand gelaſſen auf, um dem Gebote ſeines Vaters zu ge¬ horchen. Ihr werdet noch beſſer von der Sach' denken lernen, Vater, ſagte er, indem er ſich zum Gehen anſchickte.
Still! rief der Alte, ſei ganz ſtill, red' gar nichts, denn jedes Wort, das aus deinem Mund geht, iſt ein Nagel zu meinem Sarg.
Der Sohn ſchwieg und ging ſchnell zur Thüre hinaus.
Es iſt doch ſchrecklich, jammerte die Krämerin, daß ſich der Bub' gar nicht geben will. Kaum meint man, man hab' ihn auf dem rechten Weg, ſo kommt wieder ein ärgerer Streich.
Ja, ſagte der Krämer, das gäb' eine Eh', die man aus dem Hei¬ ligen verhalten müßt'.
Freilich, wie die Lumpenſippſchaft, aus der das lüderlich' Ding abſtammt, ergänzte ſeine Frau.
Ach Gott, ich will ihr ja ſonſt weiter nichts nachgered't haben, ſagte ihre jüngere Schweſter, die ſich zur Heirath mit dem Chirurgen bequemt hatte: aber ſie hat eben gar nichts als 'n Gott und 'n Rock.
Eine ſchöne Partie für uns! rief die Krämerin. Der Bub' iſt einmal im Kopf nicht richtig. Bei ſeiner Tauf' iſt der vorig' Amt¬ mann zu Gevatter geſtanden, und jetzt will er uns ein ſolches Bauern¬ menſch in die Familie bringen.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0150"n="134"/>
verſchiedener Weiſe Luft. Der Krämer ſtieß ein ſchrillendes Gelächter<lb/>
aus, das dem Geheul eines jungen Hundes nicht unähnlich klang,<lb/>
und ſeine kleinen Aeuglein verſchwanden in den Fettbergen, womit ſie<lb/>
umgeben waren. Seine Frau, Friedrich's älteſte Schweſter, ſchlug die<lb/>
Hände über dem Kopfe zuſammen und lamentirte. Der Chirurgus<lb/>
bewegte den ſeinigen gravitätiſch hin und her und begnügte ſich, durch<lb/>
dieſe ſtumme Gebärde ſeine ernſte, aber unvorgreifliche Mißbilligung an<lb/>
den Tag zu legen, während ſeine Frau ſchmerzlich ausrief: Ach<lb/>
Bruder, wirſt denn gar nie geſcheid werden?</p><lb/><p>Der Sonnenwirth hatte gleichfalls einige Zeit gebraucht, um aus<lb/>
einer Art von Erſtarrung zu ſich zu kommen. Als er ſich erholt<lb/>
hatte, ſtreckte er den Finger gebieteriſch gegen ſeinen Sohn aus. Laß<lb/>
dir im Hirn verganten! rief er: vor Allem aber reiſ' dich, daß<lb/>
ich dich heut nicht mehr ſehen muß, und hörſt? komm mir ein paar<lb/>
ganze Tag' gar nicht vor's Angeſicht.</p><lb/><p>Friedrich ſtand gelaſſen auf, um dem Gebote ſeines Vaters zu ge¬<lb/>
horchen. Ihr werdet noch beſſer von der Sach' denken lernen, Vater,<lb/>ſagte er, indem er ſich zum Gehen anſchickte.</p><lb/><p>Still! rief der Alte, ſei ganz ſtill, red' gar nichts, denn jedes<lb/>
Wort, das aus deinem Mund geht, iſt ein Nagel zu meinem Sarg.</p><lb/><p>Der Sohn ſchwieg und ging ſchnell zur Thüre hinaus.</p><lb/><p>Es iſt doch ſchrecklich, jammerte die Krämerin, daß ſich der Bub'<lb/>
gar nicht geben will. Kaum meint man, man hab' ihn auf dem<lb/>
rechten Weg, ſo kommt wieder ein ärgerer Streich.</p><lb/><p>Ja, ſagte der Krämer, das gäb' eine Eh', die man aus dem Hei¬<lb/>
ligen verhalten müßt'.</p><lb/><p>Freilich, wie die Lumpenſippſchaft, aus der das lüderlich' Ding<lb/>
abſtammt, ergänzte ſeine Frau.</p><lb/><p>Ach Gott, ich will ihr ja ſonſt weiter nichts nachgered't haben,<lb/>ſagte ihre jüngere Schweſter, die ſich zur Heirath mit dem Chirurgen<lb/>
bequemt hatte: aber ſie hat eben gar nichts als 'n Gott und 'n Rock.</p><lb/><p>Eine ſchöne Partie für uns! rief die Krämerin. Der Bub' iſt<lb/>
einmal im Kopf nicht richtig. Bei ſeiner Tauf' iſt der vorig' Amt¬<lb/>
mann zu Gevatter geſtanden, und jetzt will er uns ein ſolches Bauern¬<lb/>
menſch in die Familie bringen.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[134/0150]
verſchiedener Weiſe Luft. Der Krämer ſtieß ein ſchrillendes Gelächter
aus, das dem Geheul eines jungen Hundes nicht unähnlich klang,
und ſeine kleinen Aeuglein verſchwanden in den Fettbergen, womit ſie
umgeben waren. Seine Frau, Friedrich's älteſte Schweſter, ſchlug die
Hände über dem Kopfe zuſammen und lamentirte. Der Chirurgus
bewegte den ſeinigen gravitätiſch hin und her und begnügte ſich, durch
dieſe ſtumme Gebärde ſeine ernſte, aber unvorgreifliche Mißbilligung an
den Tag zu legen, während ſeine Frau ſchmerzlich ausrief: Ach
Bruder, wirſt denn gar nie geſcheid werden?
Der Sonnenwirth hatte gleichfalls einige Zeit gebraucht, um aus
einer Art von Erſtarrung zu ſich zu kommen. Als er ſich erholt
hatte, ſtreckte er den Finger gebieteriſch gegen ſeinen Sohn aus. Laß
dir im Hirn verganten! rief er: vor Allem aber reiſ' dich, daß
ich dich heut nicht mehr ſehen muß, und hörſt? komm mir ein paar
ganze Tag' gar nicht vor's Angeſicht.
Friedrich ſtand gelaſſen auf, um dem Gebote ſeines Vaters zu ge¬
horchen. Ihr werdet noch beſſer von der Sach' denken lernen, Vater,
ſagte er, indem er ſich zum Gehen anſchickte.
Still! rief der Alte, ſei ganz ſtill, red' gar nichts, denn jedes
Wort, das aus deinem Mund geht, iſt ein Nagel zu meinem Sarg.
Der Sohn ſchwieg und ging ſchnell zur Thüre hinaus.
Es iſt doch ſchrecklich, jammerte die Krämerin, daß ſich der Bub'
gar nicht geben will. Kaum meint man, man hab' ihn auf dem
rechten Weg, ſo kommt wieder ein ärgerer Streich.
Ja, ſagte der Krämer, das gäb' eine Eh', die man aus dem Hei¬
ligen verhalten müßt'.
Freilich, wie die Lumpenſippſchaft, aus der das lüderlich' Ding
abſtammt, ergänzte ſeine Frau.
Ach Gott, ich will ihr ja ſonſt weiter nichts nachgered't haben,
ſagte ihre jüngere Schweſter, die ſich zur Heirath mit dem Chirurgen
bequemt hatte: aber ſie hat eben gar nichts als 'n Gott und 'n Rock.
Eine ſchöne Partie für uns! rief die Krämerin. Der Bub' iſt
einmal im Kopf nicht richtig. Bei ſeiner Tauf' iſt der vorig' Amt¬
mann zu Gevatter geſtanden, und jetzt will er uns ein ſolches Bauern¬
menſch in die Familie bringen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/150>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.