Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

Hätt' ich kommen und vor dich hinknieen sollen?

Aber gelacht und geschwätzt hast mit den Andern, wie wenn ich
gar nicht da wär'.

Ich hab' doch nicht schreien und heulen können, wiewohl mir das
nah' genug gewesen ist; es ist mich schwer ankommen, mich so zu ver¬
stellen, nachdem ich hingangen bin bloß um dich zu sehen, und du gar
nichts von mir gewollt hast.

Und unter den Karzgängerinnen, die gestraft worden sind, bist
du nicht?

Sie wußte von nichts. Er mußte ihr den Vorgang erzählen.
In ihrem abgelegenen Häuschen hatte sie von der Geschichte gar nichts
gehört.

Jetzt ist's recht, sagte er lachend. Aber jetzt möcht' ich erst ein¬
mal den Husarentanz von dir sehen. Wie, mach' mir ihn einmal vor.

Sie sah ihn mit großen Augen an. Sag' das nicht noch ein¬
mal, entgegnete sie ernsthaft. Es wär' mir leid, wenn's dein Ernst wär'!

Nein, sagte er und nahm sie in die Arme, ich hab' dich bloß ein
wenig necken wollen. Ich hab' dich lieb und werth, und verlaß dich
drauf, daß ich dich immer in Ehren halten werd'. Aber das mit den
ledigen Buben, das hast du mir noch nicht versprochen.

Du wirst mich noch bös machen! sagte sie. Was will ich von den
ledigen Buben! Aber ich will dir's schwören, damit die arm' Seel'
Ruh' hat. Da, sieh, ich schwör's! und jetzt wollen wir sehen, wer
seinen Eid am längsten hält, du oder ich.

Auch er gab sich nun seinerseits zufrieden. Sie plauderten zu¬
traulich mit einander und malten sich ihr künftiges häusliches Leben
aus, wobei es nicht an Scherzen und Neckereien fehlte. Während sie
so Arm in Arm in der Stube herumgingen, rief Christine auf ein¬
mal: Hu, wie kalt geht's an mich hin! was ist denn das? Auch er
empfand jetzt den kalten Luftstrom und beide untersuchten woher der¬
selbe komme. Eine von den runden Fensterscheiben fehlte und durch die
offene Lücke drang die kalte Winterluft ins Zimmer. Das ist vor¬
hin nicht gewesen! rief Christine erbleichend. Sieh' nur, da liegen
die Glasscherben auf der Bank! Herr Jesus, da ist Jemand vor dem
Fenster gewesen und hat uns zum Schabernack die Scheib' eingedrückt.
Ich hab' doch nichts gehört. Ich auch nicht, sagte er, den Thatbestand

Hätt' ich kommen und vor dich hinknieen ſollen?

Aber gelacht und geſchwätzt haſt mit den Andern, wie wenn ich
gar nicht da wär'.

Ich hab' doch nicht ſchreien und heulen können, wiewohl mir das
nah' genug geweſen iſt; es iſt mich ſchwer ankommen, mich ſo zu ver¬
ſtellen, nachdem ich hingangen bin bloß um dich zu ſehen, und du gar
nichts von mir gewollt haſt.

Und unter den Karzgängerinnen, die geſtraft worden ſind, biſt
du nicht?

Sie wußte von nichts. Er mußte ihr den Vorgang erzählen.
In ihrem abgelegenen Häuschen hatte ſie von der Geſchichte gar nichts
gehört.

Jetzt iſt's recht, ſagte er lachend. Aber jetzt möcht' ich erſt ein¬
mal den Huſarentanz von dir ſehen. Wie, mach' mir ihn einmal vor.

Sie ſah ihn mit großen Augen an. Sag' das nicht noch ein¬
mal, entgegnete ſie ernſthaft. Es wär' mir leid, wenn's dein Ernſt wär'!

Nein, ſagte er und nahm ſie in die Arme, ich hab' dich bloß ein
wenig necken wollen. Ich hab' dich lieb und werth, und verlaß dich
drauf, daß ich dich immer in Ehren halten werd'. Aber das mit den
ledigen Buben, das haſt du mir noch nicht verſprochen.

Du wirſt mich noch bös machen! ſagte ſie. Was will ich von den
ledigen Buben! Aber ich will dir's ſchwören, damit die arm' Seel'
Ruh' hat. Da, ſieh, ich ſchwör's! und jetzt wollen wir ſehen, wer
ſeinen Eid am längſten hält, du oder ich.

Auch er gab ſich nun ſeinerſeits zufrieden. Sie plauderten zu¬
traulich mit einander und malten ſich ihr künftiges häusliches Leben
aus, wobei es nicht an Scherzen und Neckereien fehlte. Während ſie
ſo Arm in Arm in der Stube herumgingen, rief Chriſtine auf ein¬
mal: Hu, wie kalt geht's an mich hin! was iſt denn das? Auch er
empfand jetzt den kalten Luftſtrom und beide unterſuchten woher der¬
ſelbe komme. Eine von den runden Fenſterſcheiben fehlte und durch die
offene Lücke drang die kalte Winterluft ins Zimmer. Das iſt vor¬
hin nicht geweſen! rief Chriſtine erbleichend. Sieh' nur, da liegen
die Glasſcherben auf der Bank! Herr Jeſus, da iſt Jemand vor dem
Fenſter geweſen und hat uns zum Schabernack die Scheib' eingedrückt.
Ich hab' doch nichts gehört. Ich auch nicht, ſagte er, den Thatbeſtand

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0144" n="128"/>
Hätt' ich kommen und vor dich hinknieen &#x017F;ollen?</p><lb/>
        <p>Aber gelacht und ge&#x017F;chwätzt ha&#x017F;t mit den Andern, wie wenn ich<lb/>
gar nicht da wär'.</p><lb/>
        <p>Ich hab' doch nicht &#x017F;chreien und heulen können, wiewohl mir das<lb/>
nah' genug gewe&#x017F;en i&#x017F;t; es i&#x017F;t mich &#x017F;chwer ankommen, mich &#x017F;o zu ver¬<lb/>
&#x017F;tellen, nachdem ich hingangen bin bloß um dich zu &#x017F;ehen, und du gar<lb/>
nichts von mir gewollt ha&#x017F;t.</p><lb/>
        <p>Und unter den Karzgängerinnen, die ge&#x017F;traft worden &#x017F;ind, bi&#x017F;t<lb/>
du nicht?</p><lb/>
        <p>Sie wußte von nichts. Er mußte ihr den Vorgang erzählen.<lb/>
In ihrem abgelegenen Häuschen hatte &#x017F;ie von der Ge&#x017F;chichte gar nichts<lb/>
gehört.</p><lb/>
        <p>Jetzt i&#x017F;t's recht, &#x017F;agte er lachend. Aber jetzt möcht' ich er&#x017F;t ein¬<lb/>
mal den Hu&#x017F;arentanz von dir &#x017F;ehen. Wie, mach' mir ihn einmal vor.</p><lb/>
        <p>Sie &#x017F;ah ihn mit großen Augen an. Sag' das nicht noch ein¬<lb/>
mal, entgegnete &#x017F;ie ern&#x017F;thaft. Es wär' mir leid, wenn's dein Ern&#x017F;t wär'!</p><lb/>
        <p>Nein, &#x017F;agte er und nahm &#x017F;ie in die Arme, ich hab' dich bloß ein<lb/>
wenig necken wollen. Ich hab' dich lieb und werth, und verlaß dich<lb/>
drauf, daß ich dich immer in Ehren halten werd'. Aber das mit den<lb/>
ledigen Buben, das ha&#x017F;t du mir noch nicht ver&#x017F;prochen.</p><lb/>
        <p>Du wir&#x017F;t mich noch bös machen! &#x017F;agte &#x017F;ie. Was will ich von den<lb/>
ledigen Buben! Aber ich will dir's &#x017F;chwören, damit die arm' Seel'<lb/>
Ruh' hat. Da, &#x017F;ieh, ich &#x017F;chwör's! und jetzt wollen wir &#x017F;ehen, wer<lb/>
&#x017F;einen Eid am läng&#x017F;ten hält, du oder ich.</p><lb/>
        <p>Auch er gab &#x017F;ich nun &#x017F;einer&#x017F;eits zufrieden. Sie plauderten zu¬<lb/>
traulich mit einander und malten &#x017F;ich ihr künftiges häusliches Leben<lb/>
aus, wobei es nicht an Scherzen und Neckereien fehlte. Während &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;o Arm in Arm in der Stube herumgingen, rief Chri&#x017F;tine auf ein¬<lb/>
mal: Hu, wie kalt geht's an mich hin! was i&#x017F;t denn das? Auch er<lb/>
empfand jetzt den kalten Luft&#x017F;trom und beide unter&#x017F;uchten woher der¬<lb/>
&#x017F;elbe komme. Eine von den runden Fen&#x017F;ter&#x017F;cheiben fehlte und durch die<lb/>
offene Lücke drang die kalte Winterluft ins Zimmer. Das i&#x017F;t vor¬<lb/>
hin nicht gewe&#x017F;en! rief Chri&#x017F;tine erbleichend. Sieh' nur, da liegen<lb/>
die Glas&#x017F;cherben auf der Bank! Herr Je&#x017F;us, da i&#x017F;t Jemand vor dem<lb/>
Fen&#x017F;ter gewe&#x017F;en und hat uns zum Schabernack die Scheib' eingedrückt.<lb/>
Ich hab' doch nichts gehört. Ich auch nicht, &#x017F;agte er, den Thatbe&#x017F;tand<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[128/0144] Hätt' ich kommen und vor dich hinknieen ſollen? Aber gelacht und geſchwätzt haſt mit den Andern, wie wenn ich gar nicht da wär'. Ich hab' doch nicht ſchreien und heulen können, wiewohl mir das nah' genug geweſen iſt; es iſt mich ſchwer ankommen, mich ſo zu ver¬ ſtellen, nachdem ich hingangen bin bloß um dich zu ſehen, und du gar nichts von mir gewollt haſt. Und unter den Karzgängerinnen, die geſtraft worden ſind, biſt du nicht? Sie wußte von nichts. Er mußte ihr den Vorgang erzählen. In ihrem abgelegenen Häuschen hatte ſie von der Geſchichte gar nichts gehört. Jetzt iſt's recht, ſagte er lachend. Aber jetzt möcht' ich erſt ein¬ mal den Huſarentanz von dir ſehen. Wie, mach' mir ihn einmal vor. Sie ſah ihn mit großen Augen an. Sag' das nicht noch ein¬ mal, entgegnete ſie ernſthaft. Es wär' mir leid, wenn's dein Ernſt wär'! Nein, ſagte er und nahm ſie in die Arme, ich hab' dich bloß ein wenig necken wollen. Ich hab' dich lieb und werth, und verlaß dich drauf, daß ich dich immer in Ehren halten werd'. Aber das mit den ledigen Buben, das haſt du mir noch nicht verſprochen. Du wirſt mich noch bös machen! ſagte ſie. Was will ich von den ledigen Buben! Aber ich will dir's ſchwören, damit die arm' Seel' Ruh' hat. Da, ſieh, ich ſchwör's! und jetzt wollen wir ſehen, wer ſeinen Eid am längſten hält, du oder ich. Auch er gab ſich nun ſeinerſeits zufrieden. Sie plauderten zu¬ traulich mit einander und malten ſich ihr künftiges häusliches Leben aus, wobei es nicht an Scherzen und Neckereien fehlte. Während ſie ſo Arm in Arm in der Stube herumgingen, rief Chriſtine auf ein¬ mal: Hu, wie kalt geht's an mich hin! was iſt denn das? Auch er empfand jetzt den kalten Luftſtrom und beide unterſuchten woher der¬ ſelbe komme. Eine von den runden Fenſterſcheiben fehlte und durch die offene Lücke drang die kalte Winterluft ins Zimmer. Das iſt vor¬ hin nicht geweſen! rief Chriſtine erbleichend. Sieh' nur, da liegen die Glasſcherben auf der Bank! Herr Jeſus, da iſt Jemand vor dem Fenſter geweſen und hat uns zum Schabernack die Scheib' eingedrückt. Ich hab' doch nichts gehört. Ich auch nicht, ſagte er, den Thatbeſtand

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/144
Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/144>, abgerufen am 18.12.2024.