faden abgeschnitten hat, das soll dann ein edlers Blut trinken. Sag' Nein, und ich stech' dir's ins Herz, ich treff' gut, darauf kannst dich verlassen, und das auf den ersten Stoß. Der zweite dann, der gilt mir, denn wenn du nicht mein werden willst, so soll dich auch kein Anderer haben, und wenn du todt bist, so will ich auch nicht mehr leben. Dich will ich, auf der ganzen weiten Welt nur dich, und wenn das nicht sein kann, so ist es zu dieser Stunde mit uns bei¬ den aus.
Christine war einen Augenblick starr und bleich vor Schrecken da¬ gestanden, wie er mit dem funkelnden Messer auf sie zuschritt. Bald aber änderte sich ihr Gesicht. Im Gegensatz zu ihm, der in ihren Reden nur Bitterkeit fand, sog sie aus den seinigen nur den Honig heraus. Aufgelöst durch das Uebermaß von Feuer und Liebe, das aus dieser fürchterlichen Liebeserklärung hervorbrach, und ohne sich durch die rohe, gewaltthätige Beimischung von neuem abstoßen zu lassen, warf sie sich ihm, als er geendet hatte, so heftig an den Hals, daß sie ihm kaum noch Zeit ließ, die Spitze des Messers zu wenden. Er schleuderte es rasch zu Boden, während sie ihn mit beiden Händen umklammerte. Stich zu, wenn du das Herz hast! rief sie laut weinend. Er schlug die Arme um sie und drückte sie fest ans Herz. Sie machte die eine Hand los und hielt sie ihm vor die Augen. Da sieh, du blinder Hess', du ungläubiger Thomas, sagte sie unter dem Weinen lachend, wie kannst du so an der Wand hinauffahren und so ruchlos Zeug machen, siehst denn nicht, daß ich deinen Ring am Finger hab', seit du da bist? Ich hab' dir doch vorher müssen ein wenig schandlich thun, du unartiger Bub' du!
Ist's wahr? rief er. Willst mein sein? Sag's noch einmal.
Meinst du's auch ehrlich mit mir? fragte sie, indem sie den Kopf aufhob und ihm in die Augen sah.
Er schwur es mit tausend Eiden, wovon einer den andern an Kraft und Derbheit übertraf. Bist jetzt mein? fragte er dann abermals.
Ja! schrie sie unter dem Druck seiner Arme, die sie wie eiserne Klammern preßten.
Ganz mein?
Ganz! Du kannst mich sieden oder braten, nur erstick' mich nicht.
faden abgeſchnitten hat, das ſoll dann ein edlers Blut trinken. Sag' Nein, und ich ſtech' dir's ins Herz, ich treff' gut, darauf kannſt dich verlaſſen, und das auf den erſten Stoß. Der zweite dann, der gilt mir, denn wenn du nicht mein werden willſt, ſo ſoll dich auch kein Anderer haben, und wenn du todt biſt, ſo will ich auch nicht mehr leben. Dich will ich, auf der ganzen weiten Welt nur dich, und wenn das nicht ſein kann, ſo iſt es zu dieſer Stunde mit uns bei¬ den aus.
Chriſtine war einen Augenblick ſtarr und bleich vor Schrecken da¬ geſtanden, wie er mit dem funkelnden Meſſer auf ſie zuſchritt. Bald aber änderte ſich ihr Geſicht. Im Gegenſatz zu ihm, der in ihren Reden nur Bitterkeit fand, ſog ſie aus den ſeinigen nur den Honig heraus. Aufgelöſt durch das Uebermaß von Feuer und Liebe, das aus dieſer fürchterlichen Liebeserklärung hervorbrach, und ohne ſich durch die rohe, gewaltthätige Beimiſchung von neuem abſtoßen zu laſſen, warf ſie ſich ihm, als er geendet hatte, ſo heftig an den Hals, daß ſie ihm kaum noch Zeit ließ, die Spitze des Meſſers zu wenden. Er ſchleuderte es raſch zu Boden, während ſie ihn mit beiden Händen umklammerte. Stich zu, wenn du das Herz haſt! rief ſie laut weinend. Er ſchlug die Arme um ſie und drückte ſie feſt ans Herz. Sie machte die eine Hand los und hielt ſie ihm vor die Augen. Da ſieh, du blinder Heſſ', du ungläubiger Thomas, ſagte ſie unter dem Weinen lachend, wie kannſt du ſo an der Wand hinauffahren und ſo ruchlos Zeug machen, ſiehſt denn nicht, daß ich deinen Ring am Finger hab', ſeit du da biſt? Ich hab' dir doch vorher müſſen ein wenig ſchandlich thun, du unartiger Bub' du!
Iſt's wahr? rief er. Willſt mein ſein? Sag's noch einmal.
Meinſt du's auch ehrlich mit mir? fragte ſie, indem ſie den Kopf aufhob und ihm in die Augen ſah.
Er ſchwur es mit tauſend Eiden, wovon einer den andern an Kraft und Derbheit übertraf. Biſt jetzt mein? fragte er dann abermals.
Ja! ſchrie ſie unter dem Druck ſeiner Arme, die ſie wie eiſerne Klammern preßten.
Ganz mein?
Ganz! Du kannſt mich ſieden oder braten, nur erſtick' mich nicht.
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faden abgeſchnitten hat, das ſoll dann ein edlers Blut trinken. Sag'
Nein, und ich ſtech' dir's ins Herz, ich treff' gut, darauf kannſt dich
verlaſſen, und das auf den erſten Stoß. Der zweite dann, der gilt
mir, denn wenn du nicht mein werden willſt, ſo ſoll dich auch kein
Anderer haben, und wenn du todt biſt, ſo will ich auch nicht mehr
leben. Dich will ich, auf der ganzen weiten Welt nur dich, und
wenn das nicht ſein kann, ſo iſt es zu dieſer Stunde mit uns bei¬
den aus.
Chriſtine war einen Augenblick ſtarr und bleich vor Schrecken da¬
geſtanden, wie er mit dem funkelnden Meſſer auf ſie zuſchritt. Bald
aber änderte ſich ihr Geſicht. Im Gegenſatz zu ihm, der in ihren
Reden nur Bitterkeit fand, ſog ſie aus den ſeinigen nur den Honig
heraus. Aufgelöſt durch das Uebermaß von Feuer und Liebe, das
aus dieſer fürchterlichen Liebeserklärung hervorbrach, und ohne ſich
durch die rohe, gewaltthätige Beimiſchung von neuem abſtoßen zu
laſſen, warf ſie ſich ihm, als er geendet hatte, ſo heftig an den Hals,
daß ſie ihm kaum noch Zeit ließ, die Spitze des Meſſers zu wenden.
Er ſchleuderte es raſch zu Boden, während ſie ihn mit beiden Händen
umklammerte. Stich zu, wenn du das Herz haſt! rief ſie laut weinend.
Er ſchlug die Arme um ſie und drückte ſie feſt ans Herz. Sie machte
die eine Hand los und hielt ſie ihm vor die Augen. Da ſieh, du
blinder Heſſ', du ungläubiger Thomas, ſagte ſie unter dem Weinen
lachend, wie kannſt du ſo an der Wand hinauffahren und ſo ruchlos
Zeug machen, ſiehſt denn nicht, daß ich deinen Ring am Finger hab',
ſeit du da biſt? Ich hab' dir doch vorher müſſen ein wenig ſchandlich
thun, du unartiger Bub' du!
Iſt's wahr? rief er. Willſt mein ſein? Sag's noch einmal.
Meinſt du's auch ehrlich mit mir? fragte ſie, indem ſie den Kopf
aufhob und ihm in die Augen ſah.
Er ſchwur es mit tauſend Eiden, wovon einer den andern an
Kraft und Derbheit übertraf. Biſt jetzt mein? fragte er dann
abermals.
Ja! ſchrie ſie unter dem Druck ſeiner Arme, die ſie wie eiſerne
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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/139>, abgerufen am 24.11.2024.
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