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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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Straße ein furchtbarer Knall, der das Haus erschütterte. Alle spran¬
gen vom Tisch auf, ausgenommen den Kübler, der stumm verwundert
um sich sah. Friedrich war der Erste, welcher hinausstürmte, da er
glaubte, unmittelbar nach dem Knall, dessen Ursache ihm nur zu gut
bekannt war, einen Schrei von einer weiblichen Stimme vernommen
zu haben, der ihm das Mark durchschnitt. Draußen stand der Schütz
unbeweglich wie eine Salzsäule. Er überließ es den Andern, sich mit ihm
zu beschäftigen und eilte mit klopfendem Herzen weiter. Obgleich es
hell war, sah er Niemand und wollte eben wieder umkehren, als er
nicht weit von sich schluchzen hörte. Er ging dem Tone nach. Im
Schatten eines Hauses stand ein Mädchen angelehnt, das die Hände
vor's Gesicht hielt und heftig zitterte. Um Gottes Jesu Willen!
sagte er, ist ein Unglück geschehen? Er eilte auf sie zu und zog ihr
die Hände vom Gesicht. Es war Christine.

Hat's dir etwas gethan? fragte er verzweiflungsvoll.

Nein, es ist nur der Schreck, antwortete sie. Es ist mir in alle
Glieder gefahren und hat mich so angegriffen, daß ich weinen muß.

Gott sei Lob und Dank! flüsterte er. Da hätt' ich eine schöne
Dummheit anrichten können.

So? sagte sie, noch immer weinend, jetzt weiß ich, wer mir das
gethan hat; für solche Streich' bedank' ich mich. Vor so einem Muth¬
willen ist man ja seines Lebens nicht sicher.

Der Brauskopf, der so eben noch bereit gewesen wäre, sie fu߬
fällig um Verzeihung seiner unsinnigen Thorheit zu bitten, war plötz¬
lich umgewandelt. Du thust ja wie wenn's dich mitten aus einander
gerissen hätt', sagte er kalt. Sei du froh, daß dir's nichts gethan
hat, und lauf' nicht 'rum bei der Nacht, dann widerfährt dir nichts.

Ich kann ja heimgehen, erwiderte sie tiefbeleidigt. Den Gang
hätt' ich mir ersparen können. Ich will mir's merken. Gut' Nacht!
Sie bog um das Haus und war verschwunden.

Er wandte sich trotzig und ging zurück. Die Gesellschaft hatte
indessen den Schützen wieder in die Wirthsstube gebracht. Auch an
ihm war die Gefahr glücklich vorüber gegangen, und nur der Knall
hatte ihn Anfangs bis zur Sinnlosigkeit betäubt. Doch führte er noch
etwas verwirrte Reden und versicherte, er habe einen Geist gesehen,
einen weiblichen Geist, der ihn durch den Blitz des Feuers mit großen

Straße ein furchtbarer Knall, der das Haus erſchütterte. Alle ſpran¬
gen vom Tiſch auf, ausgenommen den Kübler, der ſtumm verwundert
um ſich ſah. Friedrich war der Erſte, welcher hinausſtürmte, da er
glaubte, unmittelbar nach dem Knall, deſſen Urſache ihm nur zu gut
bekannt war, einen Schrei von einer weiblichen Stimme vernommen
zu haben, der ihm das Mark durchſchnitt. Draußen ſtand der Schütz
unbeweglich wie eine Salzſäule. Er überließ es den Andern, ſich mit ihm
zu beſchäftigen und eilte mit klopfendem Herzen weiter. Obgleich es
hell war, ſah er Niemand und wollte eben wieder umkehren, als er
nicht weit von ſich ſchluchzen hörte. Er ging dem Tone nach. Im
Schatten eines Hauſes ſtand ein Mädchen angelehnt, das die Hände
vor's Geſicht hielt und heftig zitterte. Um Gottes Jeſu Willen!
ſagte er, iſt ein Unglück geſchehen? Er eilte auf ſie zu und zog ihr
die Hände vom Geſicht. Es war Chriſtine.

Hat's dir etwas gethan? fragte er verzweiflungsvoll.

Nein, es iſt nur der Schreck, antwortete ſie. Es iſt mir in alle
Glieder gefahren und hat mich ſo angegriffen, daß ich weinen muß.

Gott ſei Lob und Dank! flüſterte er. Da hätt' ich eine ſchöne
Dummheit anrichten können.

So? ſagte ſie, noch immer weinend, jetzt weiß ich, wer mir das
gethan hat; für ſolche Streich' bedank' ich mich. Vor ſo einem Muth¬
willen iſt man ja ſeines Lebens nicht ſicher.

Der Brauskopf, der ſo eben noch bereit geweſen wäre, ſie fu߬
fällig um Verzeihung ſeiner unſinnigen Thorheit zu bitten, war plötz¬
lich umgewandelt. Du thuſt ja wie wenn's dich mitten aus einander
geriſſen hätt', ſagte er kalt. Sei du froh, daß dir's nichts gethan
hat, und lauf' nicht 'rum bei der Nacht, dann widerfährt dir nichts.

Ich kann ja heimgehen, erwiderte ſie tiefbeleidigt. Den Gang
hätt' ich mir erſparen können. Ich will mir's merken. Gut' Nacht!
Sie bog um das Haus und war verſchwunden.

Er wandte ſich trotzig und ging zurück. Die Geſellſchaft hatte
indeſſen den Schützen wieder in die Wirthsſtube gebracht. Auch an
ihm war die Gefahr glücklich vorüber gegangen, und nur der Knall
hatte ihn Anfangs bis zur Sinnloſigkeit betäubt. Doch führte er noch
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[112/0128] Straße ein furchtbarer Knall, der das Haus erſchütterte. Alle ſpran¬ gen vom Tiſch auf, ausgenommen den Kübler, der ſtumm verwundert um ſich ſah. Friedrich war der Erſte, welcher hinausſtürmte, da er glaubte, unmittelbar nach dem Knall, deſſen Urſache ihm nur zu gut bekannt war, einen Schrei von einer weiblichen Stimme vernommen zu haben, der ihm das Mark durchſchnitt. Draußen ſtand der Schütz unbeweglich wie eine Salzſäule. Er überließ es den Andern, ſich mit ihm zu beſchäftigen und eilte mit klopfendem Herzen weiter. Obgleich es hell war, ſah er Niemand und wollte eben wieder umkehren, als er nicht weit von ſich ſchluchzen hörte. Er ging dem Tone nach. Im Schatten eines Hauſes ſtand ein Mädchen angelehnt, das die Hände vor's Geſicht hielt und heftig zitterte. Um Gottes Jeſu Willen! ſagte er, iſt ein Unglück geſchehen? Er eilte auf ſie zu und zog ihr die Hände vom Geſicht. Es war Chriſtine. Hat's dir etwas gethan? fragte er verzweiflungsvoll. Nein, es iſt nur der Schreck, antwortete ſie. Es iſt mir in alle Glieder gefahren und hat mich ſo angegriffen, daß ich weinen muß. Gott ſei Lob und Dank! flüſterte er. Da hätt' ich eine ſchöne Dummheit anrichten können. So? ſagte ſie, noch immer weinend, jetzt weiß ich, wer mir das gethan hat; für ſolche Streich' bedank' ich mich. Vor ſo einem Muth¬ willen iſt man ja ſeines Lebens nicht ſicher. Der Brauskopf, der ſo eben noch bereit geweſen wäre, ſie fu߬ fällig um Verzeihung ſeiner unſinnigen Thorheit zu bitten, war plötz¬ lich umgewandelt. Du thuſt ja wie wenn's dich mitten aus einander geriſſen hätt', ſagte er kalt. Sei du froh, daß dir's nichts gethan hat, und lauf' nicht 'rum bei der Nacht, dann widerfährt dir nichts. Ich kann ja heimgehen, erwiderte ſie tiefbeleidigt. Den Gang hätt' ich mir erſparen können. Ich will mir's merken. Gut' Nacht! Sie bog um das Haus und war verſchwunden. Er wandte ſich trotzig und ging zurück. Die Geſellſchaft hatte indeſſen den Schützen wieder in die Wirthsſtube gebracht. Auch an ihm war die Gefahr glücklich vorüber gegangen, und nur der Knall hatte ihn Anfangs bis zur Sinnloſigkeit betäubt. Doch führte er noch etwas verwirrte Reden und verſicherte, er habe einen Geiſt geſehen, einen weiblichen Geiſt, der ihn durch den Blitz des Feuers mit großen

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/128>, abgerufen am 24.11.2024.