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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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lange Predigt und Vermahnung geben, ich solle fleißig arbeiten, damit
mein Weib keine Gelegenheit habe, über mich zu klagen. Ist das auch
recht? Statt daß er mich in Schutz nimmt oder wenigstens meinem
Weib aufgibt, sie solle beweisen, was sie wider mich sage, hilft er noch
auf eine gewisse Art dazu, als ob das Geschwätz einen Grund hätt',
und er weiß doch selber keinen.

Ja, lachte Friedrich, wer vor Kirchenconvent kommt, kriegt immer
eine Vermahnung auf den Weg und eine Salbung, wenn sie auch
gar keine Heimath hat. Für was wären denn die Herren da?

Das Ding hat mich so erzürnt, sagte der Kübler, daß ich's gar
nicht los werden kann. Ich wär' vielleicht heut Abend zu Haus ge¬
blieben, denn ich hätt's wohl nöthig, bin nicht mehr der lustig' und
durstig' Küblerfritz, der ich in meinen ledigen Jahren und bei meinem
ersten Weib gewesen bin. Aber der Pfarrer hat mir's angethan, der
ist Schuld daß ich die Batzen im Wein aufgehen lass', anstatt zu
sparen. Ich spür's in allen Gliedern, heut' Nacht muß noch ein
Rausch getrunken sein. Juhu! Komm, Frieder, stoß' mit mir an.
Du bist auf eine Art auch im gleichen Spittel krank mit mir.

Friedrich stieß an. Alle bösen Weiber sollen mit dem alten Jahr
hinfahren! rief er.

Du bist übrigens heut' noch nicht am schlecht'sten wegkommen,
Kübler, sagte der Schütz, der inzwischen, von dem Invaliden und dann
von Friedrich gleichfalls mit einem Glase Wein begrüßt, sich am Tische
seßhaft gemacht hatte, theils weil es ihn bedünken mochte, hier sei's
gut Hütten bauen, theils weil er im Sitzen seine angehende Trunken¬
heit besser verbergen zu können glaubte. Dies gelang ihm auch und
er wurde sehr gesprächig, wobei er freilich zuweilen stark mit der
Zunge anstieß, auch seine Amtsstimme über die Gebühr anstrengte,
was jedoch auf dem Lande, wo Jeder im Reden ein wenig schreit,
nicht besonders aufzufallen pflegt. Dem Küfer da drüben ist's nicht
so gut gegangen, fuhr er fort: den werdet ihr heut' Abend noch nir¬
gends gesehen haben.

Nein, er ist ein stiller Mann, sagte der Bäcker, der sein Glas
stehend am Ofen trank und seine Frau dann und wann ein wenig
in der Bedienung ablöste: man sieht ihn nie außerm Haus, als wenn

lange Predigt und Vermahnung geben, ich ſolle fleißig arbeiten, damit
mein Weib keine Gelegenheit habe, über mich zu klagen. Iſt das auch
recht? Statt daß er mich in Schutz nimmt oder wenigſtens meinem
Weib aufgibt, ſie ſolle beweiſen, was ſie wider mich ſage, hilft er noch
auf eine gewiſſe Art dazu, als ob das Geſchwätz einen Grund hätt',
und er weiß doch ſelber keinen.

Ja, lachte Friedrich, wer vor Kirchenconvent kommt, kriegt immer
eine Vermahnung auf den Weg und eine Salbung, wenn ſie auch
gar keine Heimath hat. Für was wären denn die Herren da?

Das Ding hat mich ſo erzürnt, ſagte der Kübler, daß ich's gar
nicht los werden kann. Ich wär' vielleicht heut Abend zu Haus ge¬
blieben, denn ich hätt's wohl nöthig, bin nicht mehr der luſtig' und
durſtig' Küblerfritz, der ich in meinen ledigen Jahren und bei meinem
erſten Weib geweſen bin. Aber der Pfarrer hat mir's angethan, der
iſt Schuld daß ich die Batzen im Wein aufgehen laſſ', anſtatt zu
ſparen. Ich ſpür's in allen Gliedern, heut' Nacht muß noch ein
Rauſch getrunken ſein. Juhu! Komm, Frieder, ſtoß' mit mir an.
Du biſt auf eine Art auch im gleichen Spittel krank mit mir.

Friedrich ſtieß an. Alle böſen Weiber ſollen mit dem alten Jahr
hinfahren! rief er.

Du biſt übrigens heut' noch nicht am ſchlecht'ſten wegkommen,
Kübler, ſagte der Schütz, der inzwiſchen, von dem Invaliden und dann
von Friedrich gleichfalls mit einem Glaſe Wein begrüßt, ſich am Tiſche
ſeßhaft gemacht hatte, theils weil es ihn bedünken mochte, hier ſei's
gut Hütten bauen, theils weil er im Sitzen ſeine angehende Trunken¬
heit beſſer verbergen zu können glaubte. Dies gelang ihm auch und
er wurde ſehr geſprächig, wobei er freilich zuweilen ſtark mit der
Zunge anſtieß, auch ſeine Amtsſtimme über die Gebühr anſtrengte,
was jedoch auf dem Lande, wo Jeder im Reden ein wenig ſchreit,
nicht beſonders aufzufallen pflegt. Dem Küfer da drüben iſt's nicht
ſo gut gegangen, fuhr er fort: den werdet ihr heut' Abend noch nir¬
gends geſehen haben.

Nein, er iſt ein ſtiller Mann, ſagte der Bäcker, der ſein Glas
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[94/0110] lange Predigt und Vermahnung geben, ich ſolle fleißig arbeiten, damit mein Weib keine Gelegenheit habe, über mich zu klagen. Iſt das auch recht? Statt daß er mich in Schutz nimmt oder wenigſtens meinem Weib aufgibt, ſie ſolle beweiſen, was ſie wider mich ſage, hilft er noch auf eine gewiſſe Art dazu, als ob das Geſchwätz einen Grund hätt', und er weiß doch ſelber keinen. Ja, lachte Friedrich, wer vor Kirchenconvent kommt, kriegt immer eine Vermahnung auf den Weg und eine Salbung, wenn ſie auch gar keine Heimath hat. Für was wären denn die Herren da? Das Ding hat mich ſo erzürnt, ſagte der Kübler, daß ich's gar nicht los werden kann. Ich wär' vielleicht heut Abend zu Haus ge¬ blieben, denn ich hätt's wohl nöthig, bin nicht mehr der luſtig' und durſtig' Küblerfritz, der ich in meinen ledigen Jahren und bei meinem erſten Weib geweſen bin. Aber der Pfarrer hat mir's angethan, der iſt Schuld daß ich die Batzen im Wein aufgehen laſſ', anſtatt zu ſparen. Ich ſpür's in allen Gliedern, heut' Nacht muß noch ein Rauſch getrunken ſein. Juhu! Komm, Frieder, ſtoß' mit mir an. Du biſt auf eine Art auch im gleichen Spittel krank mit mir. Friedrich ſtieß an. Alle böſen Weiber ſollen mit dem alten Jahr hinfahren! rief er. Du biſt übrigens heut' noch nicht am ſchlecht'ſten wegkommen, Kübler, ſagte der Schütz, der inzwiſchen, von dem Invaliden und dann von Friedrich gleichfalls mit einem Glaſe Wein begrüßt, ſich am Tiſche ſeßhaft gemacht hatte, theils weil es ihn bedünken mochte, hier ſei's gut Hütten bauen, theils weil er im Sitzen ſeine angehende Trunken¬ heit beſſer verbergen zu können glaubte. Dies gelang ihm auch und er wurde ſehr geſprächig, wobei er freilich zuweilen ſtark mit der Zunge anſtieß, auch ſeine Amtsſtimme über die Gebühr anſtrengte, was jedoch auf dem Lande, wo Jeder im Reden ein wenig ſchreit, nicht beſonders aufzufallen pflegt. Dem Küfer da drüben iſt's nicht ſo gut gegangen, fuhr er fort: den werdet ihr heut' Abend noch nir¬ gends geſehen haben. Nein, er iſt ein ſtiller Mann, ſagte der Bäcker, der ſein Glas ſtehend am Ofen trank und ſeine Frau dann und wann ein wenig in der Bedienung ablöſte: man ſieht ihn nie außerm Haus, als wenn

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/110>, abgerufen am 24.11.2024.