lange Predigt und Vermahnung geben, ich solle fleißig arbeiten, damit mein Weib keine Gelegenheit habe, über mich zu klagen. Ist das auch recht? Statt daß er mich in Schutz nimmt oder wenigstens meinem Weib aufgibt, sie solle beweisen, was sie wider mich sage, hilft er noch auf eine gewisse Art dazu, als ob das Geschwätz einen Grund hätt', und er weiß doch selber keinen.
Ja, lachte Friedrich, wer vor Kirchenconvent kommt, kriegt immer eine Vermahnung auf den Weg und eine Salbung, wenn sie auch gar keine Heimath hat. Für was wären denn die Herren da?
Das Ding hat mich so erzürnt, sagte der Kübler, daß ich's gar nicht los werden kann. Ich wär' vielleicht heut Abend zu Haus ge¬ blieben, denn ich hätt's wohl nöthig, bin nicht mehr der lustig' und durstig' Küblerfritz, der ich in meinen ledigen Jahren und bei meinem ersten Weib gewesen bin. Aber der Pfarrer hat mir's angethan, der ist Schuld daß ich die Batzen im Wein aufgehen lass', anstatt zu sparen. Ich spür's in allen Gliedern, heut' Nacht muß noch ein Rausch getrunken sein. Juhu! Komm, Frieder, stoß' mit mir an. Du bist auf eine Art auch im gleichen Spittel krank mit mir.
Friedrich stieß an. Alle bösen Weiber sollen mit dem alten Jahr hinfahren! rief er.
Du bist übrigens heut' noch nicht am schlecht'sten wegkommen, Kübler, sagte der Schütz, der inzwischen, von dem Invaliden und dann von Friedrich gleichfalls mit einem Glase Wein begrüßt, sich am Tische seßhaft gemacht hatte, theils weil es ihn bedünken mochte, hier sei's gut Hütten bauen, theils weil er im Sitzen seine angehende Trunken¬ heit besser verbergen zu können glaubte. Dies gelang ihm auch und er wurde sehr gesprächig, wobei er freilich zuweilen stark mit der Zunge anstieß, auch seine Amtsstimme über die Gebühr anstrengte, was jedoch auf dem Lande, wo Jeder im Reden ein wenig schreit, nicht besonders aufzufallen pflegt. Dem Küfer da drüben ist's nicht so gut gegangen, fuhr er fort: den werdet ihr heut' Abend noch nir¬ gends gesehen haben.
Nein, er ist ein stiller Mann, sagte der Bäcker, der sein Glas stehend am Ofen trank und seine Frau dann und wann ein wenig in der Bedienung ablöste: man sieht ihn nie außerm Haus, als wenn
lange Predigt und Vermahnung geben, ich ſolle fleißig arbeiten, damit mein Weib keine Gelegenheit habe, über mich zu klagen. Iſt das auch recht? Statt daß er mich in Schutz nimmt oder wenigſtens meinem Weib aufgibt, ſie ſolle beweiſen, was ſie wider mich ſage, hilft er noch auf eine gewiſſe Art dazu, als ob das Geſchwätz einen Grund hätt', und er weiß doch ſelber keinen.
Ja, lachte Friedrich, wer vor Kirchenconvent kommt, kriegt immer eine Vermahnung auf den Weg und eine Salbung, wenn ſie auch gar keine Heimath hat. Für was wären denn die Herren da?
Das Ding hat mich ſo erzürnt, ſagte der Kübler, daß ich's gar nicht los werden kann. Ich wär' vielleicht heut Abend zu Haus ge¬ blieben, denn ich hätt's wohl nöthig, bin nicht mehr der luſtig' und durſtig' Küblerfritz, der ich in meinen ledigen Jahren und bei meinem erſten Weib geweſen bin. Aber der Pfarrer hat mir's angethan, der iſt Schuld daß ich die Batzen im Wein aufgehen laſſ', anſtatt zu ſparen. Ich ſpür's in allen Gliedern, heut' Nacht muß noch ein Rauſch getrunken ſein. Juhu! Komm, Frieder, ſtoß' mit mir an. Du biſt auf eine Art auch im gleichen Spittel krank mit mir.
Friedrich ſtieß an. Alle böſen Weiber ſollen mit dem alten Jahr hinfahren! rief er.
Du biſt übrigens heut' noch nicht am ſchlecht'ſten wegkommen, Kübler, ſagte der Schütz, der inzwiſchen, von dem Invaliden und dann von Friedrich gleichfalls mit einem Glaſe Wein begrüßt, ſich am Tiſche ſeßhaft gemacht hatte, theils weil es ihn bedünken mochte, hier ſei's gut Hütten bauen, theils weil er im Sitzen ſeine angehende Trunken¬ heit beſſer verbergen zu können glaubte. Dies gelang ihm auch und er wurde ſehr geſprächig, wobei er freilich zuweilen ſtark mit der Zunge anſtieß, auch ſeine Amtsſtimme über die Gebühr anſtrengte, was jedoch auf dem Lande, wo Jeder im Reden ein wenig ſchreit, nicht beſonders aufzufallen pflegt. Dem Küfer da drüben iſt's nicht ſo gut gegangen, fuhr er fort: den werdet ihr heut' Abend noch nir¬ gends geſehen haben.
Nein, er iſt ein ſtiller Mann, ſagte der Bäcker, der ſein Glas ſtehend am Ofen trank und ſeine Frau dann und wann ein wenig in der Bedienung ablöſte: man ſieht ihn nie außerm Haus, als wenn
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0110"n="94"/>
lange Predigt und Vermahnung geben, ich ſolle fleißig arbeiten, damit<lb/>
mein Weib keine Gelegenheit habe, über mich zu klagen. Iſt das auch<lb/>
recht? Statt daß er mich in Schutz nimmt oder wenigſtens meinem<lb/>
Weib aufgibt, ſie ſolle beweiſen, was ſie wider mich ſage, hilft er noch<lb/>
auf eine gewiſſe Art dazu, als ob das Geſchwätz einen Grund hätt',<lb/>
und er weiß doch ſelber keinen.</p><lb/><p>Ja, lachte Friedrich, wer vor Kirchenconvent kommt, kriegt immer<lb/>
eine Vermahnung auf den Weg und eine Salbung, wenn ſie auch<lb/>
gar keine Heimath hat. Für was wären denn die Herren da?</p><lb/><p>Das Ding hat mich ſo erzürnt, ſagte der Kübler, daß ich's gar<lb/>
nicht los werden kann. Ich wär' vielleicht heut Abend zu Haus ge¬<lb/>
blieben, denn ich hätt's wohl nöthig, bin nicht mehr der luſtig' und<lb/>
durſtig' Küblerfritz, der ich in meinen ledigen Jahren und bei meinem<lb/>
erſten Weib geweſen bin. Aber der Pfarrer hat mir's angethan, der<lb/>
iſt Schuld daß ich die Batzen im Wein aufgehen laſſ', anſtatt zu<lb/>ſparen. Ich ſpür's in allen Gliedern, heut' Nacht muß noch ein<lb/>
Rauſch getrunken ſein. Juhu! Komm, Frieder, ſtoß' mit mir an.<lb/>
Du biſt auf eine Art auch im gleichen Spittel krank mit mir.</p><lb/><p>Friedrich ſtieß an. Alle böſen Weiber ſollen mit dem alten Jahr<lb/>
hinfahren! rief er.</p><lb/><p>Du biſt übrigens heut' noch nicht am ſchlecht'ſten wegkommen,<lb/>
Kübler, ſagte der Schütz, der inzwiſchen, von dem Invaliden und dann<lb/>
von Friedrich gleichfalls mit einem Glaſe Wein begrüßt, ſich am Tiſche<lb/>ſeßhaft gemacht hatte, theils weil es ihn bedünken mochte, hier ſei's<lb/>
gut Hütten bauen, theils weil er im Sitzen ſeine angehende Trunken¬<lb/>
heit beſſer verbergen zu können glaubte. Dies gelang ihm auch und<lb/>
er wurde ſehr geſprächig, wobei er freilich zuweilen ſtark mit der<lb/>
Zunge anſtieß, auch ſeine Amtsſtimme über die Gebühr anſtrengte,<lb/>
was jedoch auf dem Lande, wo Jeder im Reden ein wenig ſchreit,<lb/>
nicht beſonders aufzufallen pflegt. Dem Küfer da drüben iſt's nicht<lb/>ſo gut gegangen, fuhr er fort: den werdet ihr heut' Abend noch nir¬<lb/>
gends geſehen haben.</p><lb/><p>Nein, er iſt ein ſtiller Mann, ſagte der Bäcker, der ſein Glas<lb/>ſtehend am Ofen trank und ſeine Frau dann und wann ein wenig<lb/>
in der Bedienung ablöſte: man ſieht ihn nie außerm Haus, als wenn<lb/></p></div></body></text></TEI>
[94/0110]
lange Predigt und Vermahnung geben, ich ſolle fleißig arbeiten, damit
mein Weib keine Gelegenheit habe, über mich zu klagen. Iſt das auch
recht? Statt daß er mich in Schutz nimmt oder wenigſtens meinem
Weib aufgibt, ſie ſolle beweiſen, was ſie wider mich ſage, hilft er noch
auf eine gewiſſe Art dazu, als ob das Geſchwätz einen Grund hätt',
und er weiß doch ſelber keinen.
Ja, lachte Friedrich, wer vor Kirchenconvent kommt, kriegt immer
eine Vermahnung auf den Weg und eine Salbung, wenn ſie auch
gar keine Heimath hat. Für was wären denn die Herren da?
Das Ding hat mich ſo erzürnt, ſagte der Kübler, daß ich's gar
nicht los werden kann. Ich wär' vielleicht heut Abend zu Haus ge¬
blieben, denn ich hätt's wohl nöthig, bin nicht mehr der luſtig' und
durſtig' Küblerfritz, der ich in meinen ledigen Jahren und bei meinem
erſten Weib geweſen bin. Aber der Pfarrer hat mir's angethan, der
iſt Schuld daß ich die Batzen im Wein aufgehen laſſ', anſtatt zu
ſparen. Ich ſpür's in allen Gliedern, heut' Nacht muß noch ein
Rauſch getrunken ſein. Juhu! Komm, Frieder, ſtoß' mit mir an.
Du biſt auf eine Art auch im gleichen Spittel krank mit mir.
Friedrich ſtieß an. Alle böſen Weiber ſollen mit dem alten Jahr
hinfahren! rief er.
Du biſt übrigens heut' noch nicht am ſchlecht'ſten wegkommen,
Kübler, ſagte der Schütz, der inzwiſchen, von dem Invaliden und dann
von Friedrich gleichfalls mit einem Glaſe Wein begrüßt, ſich am Tiſche
ſeßhaft gemacht hatte, theils weil es ihn bedünken mochte, hier ſei's
gut Hütten bauen, theils weil er im Sitzen ſeine angehende Trunken¬
heit beſſer verbergen zu können glaubte. Dies gelang ihm auch und
er wurde ſehr geſprächig, wobei er freilich zuweilen ſtark mit der
Zunge anſtieß, auch ſeine Amtsſtimme über die Gebühr anſtrengte,
was jedoch auf dem Lande, wo Jeder im Reden ein wenig ſchreit,
nicht beſonders aufzufallen pflegt. Dem Küfer da drüben iſt's nicht
ſo gut gegangen, fuhr er fort: den werdet ihr heut' Abend noch nir¬
gends geſehen haben.
Nein, er iſt ein ſtiller Mann, ſagte der Bäcker, der ſein Glas
ſtehend am Ofen trank und ſeine Frau dann und wann ein wenig
in der Bedienung ablöſte: man ſieht ihn nie außerm Haus, als wenn
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/110>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.