Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kuhnow, Anna: Gedanken und Erfahrungen über Frauenbildung und Frauenberuf. Leipzig, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

nach statistischen Nachrichten, kein einziges gestorben; ge-
wiss ein gutes Zeichen für die Gesundheit der Mütter und
die richtige Pflege und Erziehung der Kinder.

Um auf die Frage der Concurrenz der Frau noch ein-
mal zurückzukommen, sei es an dieser Stelle unumwunden
zugegeben, dass dieselbe in einigen der höheren Berufe
fraglos eintreten wird; diese Berufe sind besonders die
Medicin und das Lehrfach, ja, auch in der Jurisprudenz
dürfte die Frau höchst wahrscheinlich eine Rolle spielen,
denn es ist eine unumstössliche Wahrheit, dass die Frau in
ihren subjectiven und objectiven Rechtsverhältnissen oft
durchaus nicht gerecht von Männern nur behandelt werden
kann, wie denkenden Frauen und Männern z. B. der Ent-
wurf zum Familienrecht in unserem neuen bürgerlichen
Gesetzbuch in zu deutlicher Weise beweist. Es fragt sich
von einem nationalökonomischen Standpunkte nur, ob diese
Concurrenz gegen die eine Kategorie von Männern nicht
reichlich aufgewogen werden wird durch die Leistungen
für die Gesammtheit der Nation
. Ich denke da zu-
nächst an die Aerztin, wie mir das ja bei meinem Berufe
am nächsten liegt: Zur Illustration dieser meiner Ansicht
möchte ich nur einige ganz concrete Beispiele aus meinen
persönlichen Erfahrungen anführen. So wurde mir z. B. eine
Patientin, eine unbemittelte Frau, Mutter von 5 Kindern,
zugeführt, die an ganz ausgesprochenen Symptomen von
Melancholie litt; eine Schwester derselben war seit Jahren
wegen Melancholie im Irrenhause. Man konnte also ganz
gut eine familiäre Disposition für Geisteskrankheiten an-
nehmen. Der Mann ging schon sehr stark mit der Idee
um, die Frau gleichfalls in die Irrenklinik zu bringen. Auf
Zureden von befreundeter Seite kam sie zu mir; ich fand
bei gründlicher Untersuchung, welche die Frau einem Manne
kaum erlaubt hätte, ein Unterleibsleiden, behandelte das-
selbe, und die Frau ist seitdem, seit Jahren, geistig und
körperlich gesund; ihrer Familie ist die Gattin und Mutter

nach statistischen Nachrichten, kein einziges gestorben; ge-
wiss ein gutes Zeichen für die Gesundheit der Mütter und
die richtige Pflege und Erziehung der Kinder.

Um auf die Frage der Concurrenz der Frau noch ein-
mal zurückzukommen, sei es an dieser Stelle unumwunden
zugegeben, dass dieselbe in einigen der höheren Berufe
fraglos eintreten wird; diese Berufe sind besonders die
Medicin und das Lehrfach, ja, auch in der Jurisprudenz
dürfte die Frau höchst wahrscheinlich eine Rolle spielen,
denn es ist eine unumstössliche Wahrheit, dass die Frau in
ihren subjectiven und objectiven Rechtsverhältnissen oft
durchaus nicht gerecht von Männern nur behandelt werden
kann, wie denkenden Frauen und Männern z. B. der Ent-
wurf zum Familienrecht in unserem neuen bürgerlichen
Gesetzbuch in zu deutlicher Weise beweist. Es fragt sich
von einem nationalökonomischen Standpunkte nur, ob diese
Concurrenz gegen die eine Kategorie von Männern nicht
reichlich aufgewogen werden wird durch die Leistungen
für die Gesammtheit der Nation
. Ich denke da zu-
nächst an die Aerztin, wie mir das ja bei meinem Berufe
am nächsten liegt: Zur Illustration dieser meiner Ansicht
möchte ich nur einige ganz concrete Beispiele aus meinen
persönlichen Erfahrungen anführen. So wurde mir z. B. eine
Patientin, eine unbemittelte Frau, Mutter von 5 Kindern,
zugeführt, die an ganz ausgesprochenen Symptomen von
Melancholie litt; eine Schwester derselben war seit Jahren
wegen Melancholie im Irrenhause. Man konnte also ganz
gut eine familiäre Disposition für Geisteskrankheiten an-
nehmen. Der Mann ging schon sehr stark mit der Idee
um, die Frau gleichfalls in die Irrenklinik zu bringen. Auf
Zureden von befreundeter Seite kam sie zu mir; ich fand
bei gründlicher Untersuchung, welche die Frau einem Manne
kaum erlaubt hätte, ein Unterleibsleiden, behandelte das-
selbe, und die Frau ist seitdem, seit Jahren, geistig und
körperlich gesund; ihrer Familie ist die Gattin und Mutter

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0021" n="20"/>
nach statistischen Nachrichten, kein einziges gestorben; ge-<lb/>
wiss ein gutes Zeichen für die Gesundheit der Mütter und<lb/>
die richtige Pflege und Erziehung der Kinder.</p><lb/>
          <p>Um auf die Frage der Concurrenz der Frau noch ein-<lb/>
mal zurückzukommen, sei es an dieser Stelle unumwunden<lb/>
zugegeben, dass dieselbe in einigen der höheren Berufe<lb/><hi rendition="#g">fraglos</hi> eintreten wird; diese Berufe sind besonders die<lb/>
Medicin und das Lehrfach, ja, auch in der Jurisprudenz<lb/>
dürfte die Frau höchst wahrscheinlich eine Rolle spielen,<lb/>
denn es ist eine unumstössliche Wahrheit, dass die Frau in<lb/>
ihren subjectiven und objectiven Rechtsverhältnissen oft<lb/>
durchaus nicht gerecht von Männern <hi rendition="#g">nur</hi> behandelt werden<lb/>
kann, wie denkenden Frauen und Männern z. B. der Ent-<lb/>
wurf zum Familienrecht in unserem neuen bürgerlichen<lb/>
Gesetzbuch in zu deutlicher Weise beweist. Es fragt sich<lb/>
von einem nationalökonomischen Standpunkte nur, ob diese<lb/>
Concurrenz gegen die eine Kategorie von Männern nicht<lb/>
reichlich aufgewogen werden wird durch die <hi rendition="#g">Leistungen<lb/>
für die Gesammtheit der Nation</hi>. Ich denke da zu-<lb/>
nächst an die Aerztin, wie mir das ja bei meinem Berufe<lb/>
am nächsten liegt: Zur Illustration dieser meiner Ansicht<lb/>
möchte ich nur einige ganz concrete Beispiele aus meinen<lb/>
persönlichen Erfahrungen anführen. So wurde mir z. B. eine<lb/>
Patientin, eine unbemittelte Frau, Mutter von 5 Kindern,<lb/>
zugeführt, die an ganz ausgesprochenen Symptomen von<lb/>
Melancholie litt; eine Schwester derselben war seit Jahren<lb/>
wegen Melancholie im Irrenhause. Man konnte also ganz<lb/>
gut eine familiäre Disposition für Geisteskrankheiten an-<lb/>
nehmen. Der Mann ging schon sehr stark mit der Idee<lb/>
um, die Frau gleichfalls in die Irrenklinik zu bringen. Auf<lb/>
Zureden von befreundeter Seite kam sie zu mir; ich fand<lb/>
bei gründlicher Untersuchung, welche die Frau einem Manne<lb/>
kaum erlaubt hätte, ein Unterleibsleiden, behandelte das-<lb/>
selbe, und die Frau ist seitdem, <hi rendition="#g">seit Jahren</hi>, geistig und<lb/>
körperlich gesund; ihrer Familie ist die Gattin und Mutter<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[20/0021] nach statistischen Nachrichten, kein einziges gestorben; ge- wiss ein gutes Zeichen für die Gesundheit der Mütter und die richtige Pflege und Erziehung der Kinder. Um auf die Frage der Concurrenz der Frau noch ein- mal zurückzukommen, sei es an dieser Stelle unumwunden zugegeben, dass dieselbe in einigen der höheren Berufe fraglos eintreten wird; diese Berufe sind besonders die Medicin und das Lehrfach, ja, auch in der Jurisprudenz dürfte die Frau höchst wahrscheinlich eine Rolle spielen, denn es ist eine unumstössliche Wahrheit, dass die Frau in ihren subjectiven und objectiven Rechtsverhältnissen oft durchaus nicht gerecht von Männern nur behandelt werden kann, wie denkenden Frauen und Männern z. B. der Ent- wurf zum Familienrecht in unserem neuen bürgerlichen Gesetzbuch in zu deutlicher Weise beweist. Es fragt sich von einem nationalökonomischen Standpunkte nur, ob diese Concurrenz gegen die eine Kategorie von Männern nicht reichlich aufgewogen werden wird durch die Leistungen für die Gesammtheit der Nation. Ich denke da zu- nächst an die Aerztin, wie mir das ja bei meinem Berufe am nächsten liegt: Zur Illustration dieser meiner Ansicht möchte ich nur einige ganz concrete Beispiele aus meinen persönlichen Erfahrungen anführen. So wurde mir z. B. eine Patientin, eine unbemittelte Frau, Mutter von 5 Kindern, zugeführt, die an ganz ausgesprochenen Symptomen von Melancholie litt; eine Schwester derselben war seit Jahren wegen Melancholie im Irrenhause. Man konnte also ganz gut eine familiäre Disposition für Geisteskrankheiten an- nehmen. Der Mann ging schon sehr stark mit der Idee um, die Frau gleichfalls in die Irrenklinik zu bringen. Auf Zureden von befreundeter Seite kam sie zu mir; ich fand bei gründlicher Untersuchung, welche die Frau einem Manne kaum erlaubt hätte, ein Unterleibsleiden, behandelte das- selbe, und die Frau ist seitdem, seit Jahren, geistig und körperlich gesund; ihrer Familie ist die Gattin und Mutter

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Frauenstudium, betreut von Andreas Neumann und Anna Pfundt, FSU Jena und JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2024-05-30T15:49:03Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2024-05-29T13:39:03Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kuhnow_gedanken_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kuhnow_gedanken_1896/21
Zitationshilfe: Kuhnow, Anna: Gedanken und Erfahrungen über Frauenbildung und Frauenberuf. Leipzig, 1896, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuhnow_gedanken_1896/21>, abgerufen am 23.11.2024.