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Kuhnow, Anna: Gedanken und Erfahrungen über Frauenbildung und Frauenberuf. Leipzig, 1896.

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ausserdem noch neue Bürger, seine Kinder, giebt, auf deren
Entwicklung und Erziehung niemals den grundlegenden und
entscheidenden Einfluss ausüben kann, wie die Mutter, die
sich ihnen von der ersten Lebensstunde an mit Leib und
Seele widmet, die ihnen, besonders in der Kindheit, oft
Pflegerin und Erzieherin, alles in allem ist. Und wieviel die
Eindrücke dieser Lebensjahre bedeuten, kann man aus dem
bewährten Grundsatze der Jesuiten entnehmen, die ihre Zög-
linge stets möglichst in früherer Kindheit in ihre Interessen-
sphäre führen und die es meist als richtige Politik erkennen,
durch die Mutter auf die nachfolgende Generation zu wirken.
Nebenbei dürfen wir nach dem Gesetze der Vererbung er-
worbener Eigenschaften bei solchen Müttern, die von Natur
aus begabt und in ihrer geistigen Leistungsfähigkeit ent-
wickelt werden, auf eine bessere Qualität der zukünftigen
Generation so wie so rechnen. - Man komme mir da nicht
mit dem beliebten Argument, dass die geistige Arbeit die
Frau körperlich degenerire. Solche verderblichen Leistungen
bringt nur die Pseudo-Bildung unserer höheren Töchter zu
Wege, welche einer geistigen Hohlheit das Mäntelchen einer
Papageien-Erziehung umhängt, die stets nur Fremdes wieder-
sagen kann und im Selbstgedachten stumm ist; statistisch
ist z. B. in Amerika schon jetzt erwiesen, dass die körper-
liche Gesundheit und Kraft der Frauen in den Colleges mit
ihrer geistigen Entwicklung, welche der unserer Männer auf
Gymnasien und Universitäten ähnlich ist, stetig zunimmt,
schon um deswillen zunimmt, weil die wahrhaft gebildete
Frau sich von den Fesseln der Modethorheiten im Allge-
meinen frei macht und allein schon durch Ablegen des
Corsets, der unvernünftigen Schuhe, ihrem Körper eine für
die künftige Generation gar nicht hoch genug anzuschlagende
Wohlthat erweist. Ich möchte an dieser Stelle einer inter-
essanten Thatsache Erwähnung thun: Etwa 25 Procent der
Aerztinnen in Amerika sind verheirathet, dieselben haben
durchschnittlich 3-4 Kinder, und von diesen Kindern ist,

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ausserdem noch neue Bürger, seine Kinder, giebt, auf deren
Entwicklung und Erziehung niemals den grundlegenden und
entscheidenden Einfluss ausüben kann, wie die Mutter, die
sich ihnen von der ersten Lebensstunde an mit Leib und
Seele widmet, die ihnen, besonders in der Kindheit, oft
Pflegerin und Erzieherin, alles in allem ist. Und wieviel die
Eindrücke dieser Lebensjahre bedeuten, kann man aus dem
bewährten Grundsatze der Jesuiten entnehmen, die ihre Zög-
linge stets möglichst in früherer Kindheit in ihre Interessen-
sphäre führen und die es meist als richtige Politik erkennen,
durch die Mutter auf die nachfolgende Generation zu wirken.
Nebenbei dürfen wir nach dem Gesetze der Vererbung er-
worbener Eigenschaften bei solchen Müttern, die von Natur
aus begabt und in ihrer geistigen Leistungsfähigkeit ent-
wickelt werden, auf eine bessere Qualität der zukünftigen
Generation so wie so rechnen. – Man komme mir da nicht
mit dem beliebten Argument, dass die geistige Arbeit die
Frau körperlich degenerire. Solche verderblichen Leistungen
bringt nur die Pseudo-Bildung unserer höheren Töchter zu
Wege, welche einer geistigen Hohlheit das Mäntelchen einer
Papageien-Erziehung umhängt, die stets nur Fremdes wieder-
sagen kann und im Selbstgedachten stumm ist; statistisch
ist z. B. in Amerika schon jetzt erwiesen, dass die körper-
liche Gesundheit und Kraft der Frauen in den Colleges mit
ihrer geistigen Entwicklung, welche der unserer Männer auf
Gymnasien und Universitäten ähnlich ist, stetig zunimmt,
schon um deswillen zunimmt, weil die wahrhaft gebildete
Frau sich von den Fesseln der Modethorheiten im Allge-
meinen frei macht und allein schon durch Ablegen des
Corsets, der unvernünftigen Schuhe, ihrem Körper eine für
die künftige Generation gar nicht hoch genug anzuschlagende
Wohlthat erweist. Ich möchte an dieser Stelle einer inter-
essanten Thatsache Erwähnung thun: Etwa 25 Procent der
Aerztinnen in Amerika sind verheirathet, dieselben haben
durchschnittlich 3-4 Kinder, und von diesen Kindern ist,

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[19/0020] ausserdem noch neue Bürger, seine Kinder, giebt, auf deren Entwicklung und Erziehung niemals den grundlegenden und entscheidenden Einfluss ausüben kann, wie die Mutter, die sich ihnen von der ersten Lebensstunde an mit Leib und Seele widmet, die ihnen, besonders in der Kindheit, oft Pflegerin und Erzieherin, alles in allem ist. Und wieviel die Eindrücke dieser Lebensjahre bedeuten, kann man aus dem bewährten Grundsatze der Jesuiten entnehmen, die ihre Zög- linge stets möglichst in früherer Kindheit in ihre Interessen- sphäre führen und die es meist als richtige Politik erkennen, durch die Mutter auf die nachfolgende Generation zu wirken. Nebenbei dürfen wir nach dem Gesetze der Vererbung er- worbener Eigenschaften bei solchen Müttern, die von Natur aus begabt und in ihrer geistigen Leistungsfähigkeit ent- wickelt werden, auf eine bessere Qualität der zukünftigen Generation so wie so rechnen. – Man komme mir da nicht mit dem beliebten Argument, dass die geistige Arbeit die Frau körperlich degenerire. Solche verderblichen Leistungen bringt nur die Pseudo-Bildung unserer höheren Töchter zu Wege, welche einer geistigen Hohlheit das Mäntelchen einer Papageien-Erziehung umhängt, die stets nur Fremdes wieder- sagen kann und im Selbstgedachten stumm ist; statistisch ist z. B. in Amerika schon jetzt erwiesen, dass die körper- liche Gesundheit und Kraft der Frauen in den Colleges mit ihrer geistigen Entwicklung, welche der unserer Männer auf Gymnasien und Universitäten ähnlich ist, stetig zunimmt, schon um deswillen zunimmt, weil die wahrhaft gebildete Frau sich von den Fesseln der Modethorheiten im Allge- meinen frei macht und allein schon durch Ablegen des Corsets, der unvernünftigen Schuhe, ihrem Körper eine für die künftige Generation gar nicht hoch genug anzuschlagende Wohlthat erweist. Ich möchte an dieser Stelle einer inter- essanten Thatsache Erwähnung thun: Etwa 25 Procent der Aerztinnen in Amerika sind verheirathet, dieselben haben durchschnittlich 3-4 Kinder, und von diesen Kindern ist, 2*

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Zitationshilfe: Kuhnow, Anna: Gedanken und Erfahrungen über Frauenbildung und Frauenberuf. Leipzig, 1896, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuhnow_gedanken_1896/20>, abgerufen am 23.11.2024.