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Kuhnow, Anna: Gedanken und Erfahrungen über Frauenbildung und Frauenberuf. Leipzig, 1896.

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tischen, fast nie von practischen Kennern des gemeinsamen
Studiums der Medicin äussern hören; würde es auch von
diesem Standpunkte für absolut unnöthig erachten, dass
eigene Universitäten für Frauen gegründet würden, abgesehen
von den anderen, von denen ich später noch sprechen will.

2. Der Kostenpunkt.

Die meisten deutschen Eltern glauben ihren Söhnen
die beste geistige Ausbildung, ihren Töchtern die geringste
Bildung schuldig zu sein; oft in der besten Absicht: Der
Sohn soll möglichst erwerbsfähig, die Tochter möglichst er-
werbsunfähig, infolgedessen abhängig von ihrem künftigen
Mann gemacht werden, damit dieser, nothgedrungen, an-
schmiegende Epheu der starken männlichen Eiche desto
begehrenswerther erscheine. Dieser Erziehungsgrundsatz wird,
meist unbewusst, von der Mehrzahl der Eltern durchgeführt.
Der Mann von heute will keine Frau, die auf seiner geistigen
Höhe steht, der physiologisch Herrschende will auch der
geistig Herrschende und Angebetete sein; oder wenigstens
kann er sich bei unseren jetzigen Verhältnissen die Rolle
einer Frau nicht vorstellen, die ihm geistig ebenbürtig ist,
duldet lieber die Uebel, die ihm Gewohnheit und Sitte auf-
bürden, als dass er den Muth hätte, ein Freier, sich einer
Freien anzuvertrauen. Das Pantoffelheldenthum, das ihm
unter dem jetzigen Regime so oft winkt, fürchtet er bei der
geistig gleichstehenden Frau in vergrösserter Auflage; ganz
mit Unrecht, wie ich glaube.

Weil wohlmeinende, kurzsichtige Eltern nun meist in
den vorerwähnten Vorurtheilen befangen sind, so kann man
oft das Argument vernehmen: "Wo wollten wir denn das
Geld hernehmen, wenn unsere Töchter die gleiche Aus-
bildung bekommen sollten wie unsere Söhne." Ich kann
diesen Eltern nur antworten: Wollt Ihr gerecht sein, wollt
Ihr eure Töchter tüchtig machen für den Kampf um den
Mann und um's Dasein, so solltet Ihr eure Mittel annähernd
gleichmässig an die Ausbildung eurer Töchter wie eurer

tischen, fast nie von practischen Kennern des gemeinsamen
Studiums der Medicin äussern hören; würde es auch von
diesem Standpunkte für absolut unnöthig erachten, dass
eigene Universitäten für Frauen gegründet würden, abgesehen
von den anderen, von denen ich später noch sprechen will.

2. Der Kostenpunkt.

Die meisten deutschen Eltern glauben ihren Söhnen
die beste geistige Ausbildung, ihren Töchtern die geringste
Bildung schuldig zu sein; oft in der besten Absicht: Der
Sohn soll möglichst erwerbsfähig, die Tochter möglichst er-
werbsunfähig, infolgedessen abhängig von ihrem künftigen
Mann gemacht werden, damit dieser, nothgedrungen, an-
schmiegende Epheu der starken männlichen Eiche desto
begehrenswerther erscheine. Dieser Erziehungsgrundsatz wird,
meist unbewusst, von der Mehrzahl der Eltern durchgeführt.
Der Mann von heute will keine Frau, die auf seiner geistigen
Höhe steht, der physiologisch Herrschende will auch der
geistig Herrschende und Angebetete sein; oder wenigstens
kann er sich bei unseren jetzigen Verhältnissen die Rolle
einer Frau nicht vorstellen, die ihm geistig ebenbürtig ist,
duldet lieber die Uebel, die ihm Gewohnheit und Sitte auf-
bürden, als dass er den Muth hätte, ein Freier, sich einer
Freien anzuvertrauen. Das Pantoffelheldenthum, das ihm
unter dem jetzigen Regime so oft winkt, fürchtet er bei der
geistig gleichstehenden Frau in vergrösserter Auflage; ganz
mit Unrecht, wie ich glaube.

Weil wohlmeinende, kurzsichtige Eltern nun meist in
den vorerwähnten Vorurtheilen befangen sind, so kann man
oft das Argument vernehmen: „Wo wollten wir denn das
Geld hernehmen, wenn unsere Töchter die gleiche Aus-
bildung bekommen sollten wie unsere Söhne.“ Ich kann
diesen Eltern nur antworten: Wollt Ihr gerecht sein, wollt
Ihr eure Töchter tüchtig machen für den Kampf um den
Mann und um's Dasein, so solltet Ihr eure Mittel annähernd
gleichmässig an die Ausbildung eurer Töchter wie eurer

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[10/0011] tischen, fast nie von practischen Kennern des gemeinsamen Studiums der Medicin äussern hören; würde es auch von diesem Standpunkte für absolut unnöthig erachten, dass eigene Universitäten für Frauen gegründet würden, abgesehen von den anderen, von denen ich später noch sprechen will. 2. Der Kostenpunkt. Die meisten deutschen Eltern glauben ihren Söhnen die beste geistige Ausbildung, ihren Töchtern die geringste Bildung schuldig zu sein; oft in der besten Absicht: Der Sohn soll möglichst erwerbsfähig, die Tochter möglichst er- werbsunfähig, infolgedessen abhängig von ihrem künftigen Mann gemacht werden, damit dieser, nothgedrungen, an- schmiegende Epheu der starken männlichen Eiche desto begehrenswerther erscheine. Dieser Erziehungsgrundsatz wird, meist unbewusst, von der Mehrzahl der Eltern durchgeführt. Der Mann von heute will keine Frau, die auf seiner geistigen Höhe steht, der physiologisch Herrschende will auch der geistig Herrschende und Angebetete sein; oder wenigstens kann er sich bei unseren jetzigen Verhältnissen die Rolle einer Frau nicht vorstellen, die ihm geistig ebenbürtig ist, duldet lieber die Uebel, die ihm Gewohnheit und Sitte auf- bürden, als dass er den Muth hätte, ein Freier, sich einer Freien anzuvertrauen. Das Pantoffelheldenthum, das ihm unter dem jetzigen Regime so oft winkt, fürchtet er bei der geistig gleichstehenden Frau in vergrösserter Auflage; ganz mit Unrecht, wie ich glaube. Weil wohlmeinende, kurzsichtige Eltern nun meist in den vorerwähnten Vorurtheilen befangen sind, so kann man oft das Argument vernehmen: „Wo wollten wir denn das Geld hernehmen, wenn unsere Töchter die gleiche Aus- bildung bekommen sollten wie unsere Söhne.“ Ich kann diesen Eltern nur antworten: Wollt Ihr gerecht sein, wollt Ihr eure Töchter tüchtig machen für den Kampf um den Mann und um's Dasein, so solltet Ihr eure Mittel annähernd gleichmässig an die Ausbildung eurer Töchter wie eurer

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Zitationshilfe: Kuhnow, Anna: Gedanken und Erfahrungen über Frauenbildung und Frauenberuf. Leipzig, 1896, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuhnow_gedanken_1896/11>, abgerufen am 24.11.2024.