Kugler, Franz: Die Incantada. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 81–146. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.So schritt man gemeinschaftlich des Weges hin. Stuart, durch die glücklich überstandene Gefahr zur heitersten Laune angeregt, vergnügte sich daran, seine Rolle als Wahnsinniger mit Kunstgeschick weiter zu spielen. Er ließ sich in allerlei fabelhaften und wunderbaren Reden vernehmen, in denen es wie ein Zug geheimnißvoller Weisheit durchklang, deren Deutung er freilich seinen Begleitern überließ. Sie blickten ihn mit scheuer Ehrfurcht an. Als aber Stunde auf Stunde hinging und die Sonne allgemach eine erhebliche Glut zu verbreiten anfing, da versagte ihm die Lust zu weiteren Orakelsprüchen; die Anstrengungen der Nacht machten ihr Recht geltend, und er sehnte sich herzlich nach einiger Rast. Eine dichte Platanengruppe zur Seite des Weges, unter deren Schalten eine frische Quelle hervorsprudelte, mochte schon manchen müden Wanderer beherbergt haben. Es bedurfte keiner Aufforderung von seiner Seite, um auch den Begleitern die Annehmlichkeit des Platzes begreiflich zu machen. Man beschloß, die Zeit der Mittagshitze hier abzuwarten, da man auch mit dieser Verzögerung Salonichi noch zur guten Stunde erreichen konnte. Man lagerte sich möglichst bequem, öffnete den Speisesack und theilte auch Stuart theilnehmend von dessen Inhalte mit. Unter den Griechen befand sich ein junger Mann von feinen, aber etwas düstern und trüben Gesichtszügen. Er war Stuart um so mehr aufgefallen, als er auf dem ganzen Marsche keinen Theil am Gespräch genom- So schritt man gemeinschaftlich des Weges hin. Stuart, durch die glücklich überstandene Gefahr zur heitersten Laune angeregt, vergnügte sich daran, seine Rolle als Wahnsinniger mit Kunstgeschick weiter zu spielen. Er ließ sich in allerlei fabelhaften und wunderbaren Reden vernehmen, in denen es wie ein Zug geheimnißvoller Weisheit durchklang, deren Deutung er freilich seinen Begleitern überließ. Sie blickten ihn mit scheuer Ehrfurcht an. Als aber Stunde auf Stunde hinging und die Sonne allgemach eine erhebliche Glut zu verbreiten anfing, da versagte ihm die Lust zu weiteren Orakelsprüchen; die Anstrengungen der Nacht machten ihr Recht geltend, und er sehnte sich herzlich nach einiger Rast. Eine dichte Platanengruppe zur Seite des Weges, unter deren Schalten eine frische Quelle hervorsprudelte, mochte schon manchen müden Wanderer beherbergt haben. Es bedurfte keiner Aufforderung von seiner Seite, um auch den Begleitern die Annehmlichkeit des Platzes begreiflich zu machen. Man beschloß, die Zeit der Mittagshitze hier abzuwarten, da man auch mit dieser Verzögerung Salonichi noch zur guten Stunde erreichen konnte. Man lagerte sich möglichst bequem, öffnete den Speisesack und theilte auch Stuart theilnehmend von dessen Inhalte mit. Unter den Griechen befand sich ein junger Mann von feinen, aber etwas düstern und trüben Gesichtszügen. Er war Stuart um so mehr aufgefallen, als er auf dem ganzen Marsche keinen Theil am Gespräch genom- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0010"/> <p>So schritt man gemeinschaftlich des Weges hin. Stuart, durch die glücklich überstandene Gefahr zur heitersten Laune angeregt, vergnügte sich daran, seine Rolle als Wahnsinniger mit Kunstgeschick weiter zu spielen. Er ließ sich in allerlei fabelhaften und wunderbaren Reden vernehmen, in denen es wie ein Zug geheimnißvoller Weisheit durchklang, deren Deutung er freilich seinen Begleitern überließ. Sie blickten ihn mit scheuer Ehrfurcht an. Als aber Stunde auf Stunde hinging und die Sonne allgemach eine erhebliche Glut zu verbreiten anfing, da versagte ihm die Lust zu weiteren Orakelsprüchen; die Anstrengungen der Nacht machten ihr Recht geltend, und er sehnte sich herzlich nach einiger Rast. Eine dichte Platanengruppe zur Seite des Weges, unter deren Schalten eine frische Quelle hervorsprudelte, mochte schon manchen müden Wanderer beherbergt haben. Es bedurfte keiner Aufforderung von seiner Seite, um auch den Begleitern die Annehmlichkeit des Platzes begreiflich zu machen. Man beschloß, die Zeit der Mittagshitze hier abzuwarten, da man auch mit dieser Verzögerung Salonichi noch zur guten Stunde erreichen konnte. Man lagerte sich möglichst bequem, öffnete den Speisesack und theilte auch Stuart theilnehmend von dessen Inhalte mit.</p><lb/> <p>Unter den Griechen befand sich ein junger Mann von feinen, aber etwas düstern und trüben Gesichtszügen. Er war Stuart um so mehr aufgefallen, als er auf dem ganzen Marsche keinen Theil am Gespräch genom-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0010]
So schritt man gemeinschaftlich des Weges hin. Stuart, durch die glücklich überstandene Gefahr zur heitersten Laune angeregt, vergnügte sich daran, seine Rolle als Wahnsinniger mit Kunstgeschick weiter zu spielen. Er ließ sich in allerlei fabelhaften und wunderbaren Reden vernehmen, in denen es wie ein Zug geheimnißvoller Weisheit durchklang, deren Deutung er freilich seinen Begleitern überließ. Sie blickten ihn mit scheuer Ehrfurcht an. Als aber Stunde auf Stunde hinging und die Sonne allgemach eine erhebliche Glut zu verbreiten anfing, da versagte ihm die Lust zu weiteren Orakelsprüchen; die Anstrengungen der Nacht machten ihr Recht geltend, und er sehnte sich herzlich nach einiger Rast. Eine dichte Platanengruppe zur Seite des Weges, unter deren Schalten eine frische Quelle hervorsprudelte, mochte schon manchen müden Wanderer beherbergt haben. Es bedurfte keiner Aufforderung von seiner Seite, um auch den Begleitern die Annehmlichkeit des Platzes begreiflich zu machen. Man beschloß, die Zeit der Mittagshitze hier abzuwarten, da man auch mit dieser Verzögerung Salonichi noch zur guten Stunde erreichen konnte. Man lagerte sich möglichst bequem, öffnete den Speisesack und theilte auch Stuart theilnehmend von dessen Inhalte mit.
Unter den Griechen befand sich ein junger Mann von feinen, aber etwas düstern und trüben Gesichtszügen. Er war Stuart um so mehr aufgefallen, als er auf dem ganzen Marsche keinen Theil am Gespräch genom-
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Zitationshilfe: | Kugler, Franz: Die Incantada. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 81–146. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kugler_incantada_1910/10>, abgerufen am 16.02.2025. |