Kürnberger, Ferdinand: Der Drache. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [263]–310. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.und sind nun beauftragt, dich zu rufen, es koste was es wolle. Niemand leistet ihm Hülfe? warum? fragte der Gatte befremdet. Sie scheuen sich, antwortete mit einem Blicke in den Brief die Berichterstatterin. Des Bauers Krankheit ist nämlich das Matzchen. Er wird für die Hölle reif, heißt es im Dorfe. Die ländlichen Heilkünstler scheinen es selbst zu glauben, oder, was wahrscheinlicher ist, hängen von den Vorurtheilen ihrer Kunden ab. Genug, sie lassen die Hand von ihm. Sie lassen die Hand von ihm! rief der Doctor ergriffen. Und mit wildem Humor lachte er auf: Wohlan, curiren wir auch einmal auf das Matzchen! Das soll die Welt erleben! Die Erholungsreise wurde mit dieser plötzlichen Berufsreise nun vereinbart. Der Doctor schlug seiner Frau vor, ins Erzgebirge ihn zu begleiten; sie würde dann entweder in Breitenau selbst oder in den nächst größeren Orten Bärenstein, Lauenstein, Schönwald die passendste Wahl ihres Aufenthaltes treffen können. Nach dieser Verabredung packte man die nöthigsten Koffer, und schon am zweiten Tage schickte der Doctor nach dem Bahnhof um Billete. Aber in dem Augenblicke, als er dazu den Diener noch abfertigte, stürzte ein Mensch ins Zimmer, aufgeregt von Hast und Entsetzen, und rief athemlos: Treff' ich Sie noch, Herr Doctor! Bleiben Sie nun! Es ist Alles aus! -- Die Gatten erkannten in der kräftig vollendeten Mannesgestalt kaum den Knaben Rudolf wieder. Ist er verstorben? fragte der Doctor erschrocken. Das Matzchen ist todt, sicherlich ist er's nun auch. Junge, mache mich nicht toll! rief der Doctor fast aufgebracht; aber Rudolf, ohne darauf zu hören, lief im Zimmer umher wie im eigenen Hause und und sind nun beauftragt, dich zu rufen, es koste was es wolle. Niemand leistet ihm Hülfe? warum? fragte der Gatte befremdet. Sie scheuen sich, antwortete mit einem Blicke in den Brief die Berichterstatterin. Des Bauers Krankheit ist nämlich das Matzchen. Er wird für die Hölle reif, heißt es im Dorfe. Die ländlichen Heilkünstler scheinen es selbst zu glauben, oder, was wahrscheinlicher ist, hängen von den Vorurtheilen ihrer Kunden ab. Genug, sie lassen die Hand von ihm. Sie lassen die Hand von ihm! rief der Doctor ergriffen. Und mit wildem Humor lachte er auf: Wohlan, curiren wir auch einmal auf das Matzchen! Das soll die Welt erleben! Die Erholungsreise wurde mit dieser plötzlichen Berufsreise nun vereinbart. Der Doctor schlug seiner Frau vor, ins Erzgebirge ihn zu begleiten; sie würde dann entweder in Breitenau selbst oder in den nächst größeren Orten Bärenstein, Lauenstein, Schönwald die passendste Wahl ihres Aufenthaltes treffen können. Nach dieser Verabredung packte man die nöthigsten Koffer, und schon am zweiten Tage schickte der Doctor nach dem Bahnhof um Billete. Aber in dem Augenblicke, als er dazu den Diener noch abfertigte, stürzte ein Mensch ins Zimmer, aufgeregt von Hast und Entsetzen, und rief athemlos: Treff' ich Sie noch, Herr Doctor! Bleiben Sie nun! Es ist Alles aus! — Die Gatten erkannten in der kräftig vollendeten Mannesgestalt kaum den Knaben Rudolf wieder. Ist er verstorben? fragte der Doctor erschrocken. Das Matzchen ist todt, sicherlich ist er's nun auch. Junge, mache mich nicht toll! rief der Doctor fast aufgebracht; aber Rudolf, ohne darauf zu hören, lief im Zimmer umher wie im eigenen Hause und <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="2"> <p><pb facs="#f0030"/> und sind nun beauftragt, dich zu rufen, es koste was es wolle.</p><lb/> <p>Niemand leistet ihm Hülfe? warum? fragte der Gatte befremdet.</p><lb/> <p>Sie scheuen sich, antwortete mit einem Blicke in den Brief die Berichterstatterin. 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Niemand leistet ihm Hülfe? warum? fragte der Gatte befremdet.
Sie scheuen sich, antwortete mit einem Blicke in den Brief die Berichterstatterin. Des Bauers Krankheit ist nämlich das Matzchen. Er wird für die Hölle reif, heißt es im Dorfe. Die ländlichen Heilkünstler scheinen es selbst zu glauben, oder, was wahrscheinlicher ist, hängen von den Vorurtheilen ihrer Kunden ab. Genug, sie lassen die Hand von ihm.
Sie lassen die Hand von ihm! rief der Doctor ergriffen. Und mit wildem Humor lachte er auf: Wohlan, curiren wir auch einmal auf das Matzchen! Das soll die Welt erleben!
Die Erholungsreise wurde mit dieser plötzlichen Berufsreise nun vereinbart. Der Doctor schlug seiner Frau vor, ins Erzgebirge ihn zu begleiten; sie würde dann entweder in Breitenau selbst oder in den nächst größeren Orten Bärenstein, Lauenstein, Schönwald die passendste Wahl ihres Aufenthaltes treffen können. Nach dieser Verabredung packte man die nöthigsten Koffer, und schon am zweiten Tage schickte der Doctor nach dem Bahnhof um Billete.
Aber in dem Augenblicke, als er dazu den Diener noch abfertigte, stürzte ein Mensch ins Zimmer, aufgeregt von Hast und Entsetzen, und rief athemlos: Treff' ich Sie noch, Herr Doctor! Bleiben Sie nun! Es ist Alles aus! — Die Gatten erkannten in der kräftig vollendeten Mannesgestalt kaum den Knaben Rudolf wieder.
Ist er verstorben? fragte der Doctor erschrocken.
Das Matzchen ist todt, sicherlich ist er's nun auch.
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Zitationshilfe: | Kürnberger, Ferdinand: Der Drache. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [263]–310. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_drache_1910/30>, abgerufen am 17.02.2025. |