Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kürnberger, Ferdinand: Der Drache. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [263]–310. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

hinterm Ofen, der im Halbschlummer zugehört hatte.

Wie meinst du das, Frank? fragte der Sprecher auf der Ofenbank.

Ei, red' auch vom Pastor in Sayda, sagte der Silberhaarige; hat der nicht rechtschaffen dem Kappbauern zum Guten gerathen?

Sag' ich denn, sie wären alle über den Habsuchtskamm geschoren?

Was für eine Geschichte ist das? forschte der Doctor, die sonderbare Unterhaltung mit einem abenteuerlichen Behagen aneifernd.

Der Greis hüstelte seine schwache Stimme zurecht und erzählte:

Mit dem Kappbauern in Sayda war's ganz auf die Rüste gegangen. Es giebt eben Leute, die vorm Unglück stehen, wie im ersten Treffen. Auf die hagelt es Wunden und Schmerzen. Unserm Raithmeyer hier geht's ja auch so, seit die Raithmeyern todt ist Gott tröst' die brave Frau. Das Lenchen ist doch noch zu unmündig für die Wirthschaft, der Schaden reißt ein wie im Gewirkten. Aber von dem Kappbauer zu sprechen. Der Kappbauer in Sayda ging eines Tages nach dem Busch, um sich Haseln zu schneiden. Dabei verspätete er sich, und mit eins überkam ihn die Nacht. Eilig packte er sein Gebünd, aber im Aufstehen blickte er unvorsichtig hinter sich, das mochte der Böse schon für ein Zeichen halten. Denn wie der Kappbauer so hinter sich blickte, da sah er ein Vöglein flattern, das hüpfte mit aufgesperrtem Schnabel von Busch zu Busch, und schrie jämmerlich, als ob es was Feindliches in der Nähe spürte. Der Kappbauer haschte mit der Hand nach dem Thierchen, das sich ruhig fangen ließ, und brachte es nach Hause, wo es in seiner Wohnstube herumhüpfte. Am andern Morgen fand der Kappbauer hinter der Thür derselben Stube einen großen,

hinterm Ofen, der im Halbschlummer zugehört hatte.

Wie meinst du das, Frank? fragte der Sprecher auf der Ofenbank.

Ei, red' auch vom Pastor in Sayda, sagte der Silberhaarige; hat der nicht rechtschaffen dem Kappbauern zum Guten gerathen?

Sag' ich denn, sie wären alle über den Habsuchtskamm geschoren?

Was für eine Geschichte ist das? forschte der Doctor, die sonderbare Unterhaltung mit einem abenteuerlichen Behagen aneifernd.

Der Greis hüstelte seine schwache Stimme zurecht und erzählte:

Mit dem Kappbauern in Sayda war's ganz auf die Rüste gegangen. Es giebt eben Leute, die vorm Unglück stehen, wie im ersten Treffen. Auf die hagelt es Wunden und Schmerzen. Unserm Raithmeyer hier geht's ja auch so, seit die Raithmeyern todt ist Gott tröst' die brave Frau. Das Lenchen ist doch noch zu unmündig für die Wirthschaft, der Schaden reißt ein wie im Gewirkten. Aber von dem Kappbauer zu sprechen. Der Kappbauer in Sayda ging eines Tages nach dem Busch, um sich Haseln zu schneiden. Dabei verspätete er sich, und mit eins überkam ihn die Nacht. Eilig packte er sein Gebünd, aber im Aufstehen blickte er unvorsichtig hinter sich, das mochte der Böse schon für ein Zeichen halten. Denn wie der Kappbauer so hinter sich blickte, da sah er ein Vöglein flattern, das hüpfte mit aufgesperrtem Schnabel von Busch zu Busch, und schrie jämmerlich, als ob es was Feindliches in der Nähe spürte. Der Kappbauer haschte mit der Hand nach dem Thierchen, das sich ruhig fangen ließ, und brachte es nach Hause, wo es in seiner Wohnstube herumhüpfte. Am andern Morgen fand der Kappbauer hinter der Thür derselben Stube einen großen,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="1">
        <p><pb facs="#f0015"/>
hinterm Ofen, der im Halbschlummer      zugehört hatte.</p><lb/>
        <p>Wie meinst du das, Frank? fragte der Sprecher auf der Ofenbank.</p><lb/>
        <p>Ei, red' auch vom Pastor in Sayda, sagte der Silberhaarige; hat der nicht rechtschaffen dem      Kappbauern zum Guten gerathen?</p><lb/>
        <p>Sag' ich denn, sie wären alle über den Habsuchtskamm geschoren?</p><lb/>
        <p>Was für eine Geschichte ist das? forschte der Doctor, die sonderbare Unterhaltung mit einem      abenteuerlichen Behagen aneifernd.</p><lb/>
        <p>Der Greis hüstelte seine schwache Stimme zurecht und erzählte:</p><lb/>
        <p>Mit dem Kappbauern in Sayda war's ganz auf die Rüste gegangen. Es giebt eben Leute, die vorm      Unglück stehen, wie im ersten Treffen. Auf die hagelt es Wunden und Schmerzen. Unserm      Raithmeyer hier geht's ja auch so, seit die Raithmeyern todt ist Gott tröst' die brave Frau.      Das Lenchen ist doch noch zu unmündig für die Wirthschaft, der Schaden reißt ein wie im      Gewirkten. Aber von dem Kappbauer zu sprechen. Der Kappbauer in Sayda ging eines Tages nach dem      Busch, um sich Haseln zu schneiden. Dabei verspätete er sich, und mit eins überkam ihn die      Nacht. Eilig packte er sein Gebünd, aber im Aufstehen blickte er unvorsichtig hinter sich, das      mochte der Böse schon für ein Zeichen halten. Denn wie der Kappbauer so hinter sich blickte, da      sah er ein Vöglein flattern, das hüpfte mit aufgesperrtem Schnabel von Busch zu Busch, und      schrie jämmerlich, als ob es was Feindliches in der Nähe spürte. Der Kappbauer haschte mit der      Hand nach dem Thierchen, das sich ruhig fangen ließ, und brachte es nach Hause, wo es in seiner      Wohnstube herumhüpfte. Am andern Morgen fand der Kappbauer hinter der Thür derselben Stube      einen großen,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0015] hinterm Ofen, der im Halbschlummer zugehört hatte. Wie meinst du das, Frank? fragte der Sprecher auf der Ofenbank. Ei, red' auch vom Pastor in Sayda, sagte der Silberhaarige; hat der nicht rechtschaffen dem Kappbauern zum Guten gerathen? Sag' ich denn, sie wären alle über den Habsuchtskamm geschoren? Was für eine Geschichte ist das? forschte der Doctor, die sonderbare Unterhaltung mit einem abenteuerlichen Behagen aneifernd. Der Greis hüstelte seine schwache Stimme zurecht und erzählte: Mit dem Kappbauern in Sayda war's ganz auf die Rüste gegangen. Es giebt eben Leute, die vorm Unglück stehen, wie im ersten Treffen. Auf die hagelt es Wunden und Schmerzen. Unserm Raithmeyer hier geht's ja auch so, seit die Raithmeyern todt ist Gott tröst' die brave Frau. Das Lenchen ist doch noch zu unmündig für die Wirthschaft, der Schaden reißt ein wie im Gewirkten. Aber von dem Kappbauer zu sprechen. Der Kappbauer in Sayda ging eines Tages nach dem Busch, um sich Haseln zu schneiden. Dabei verspätete er sich, und mit eins überkam ihn die Nacht. Eilig packte er sein Gebünd, aber im Aufstehen blickte er unvorsichtig hinter sich, das mochte der Böse schon für ein Zeichen halten. Denn wie der Kappbauer so hinter sich blickte, da sah er ein Vöglein flattern, das hüpfte mit aufgesperrtem Schnabel von Busch zu Busch, und schrie jämmerlich, als ob es was Feindliches in der Nähe spürte. Der Kappbauer haschte mit der Hand nach dem Thierchen, das sich ruhig fangen ließ, und brachte es nach Hause, wo es in seiner Wohnstube herumhüpfte. Am andern Morgen fand der Kappbauer hinter der Thür derselben Stube einen großen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T13:57:16Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T13:57:16Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_drache_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_drache_1910/15
Zitationshilfe: Kürnberger, Ferdinand: Der Drache. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [263]–310. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_drache_1910/15>, abgerufen am 21.11.2024.