ist's ein sehr zweideutiger Handel, Sir John, die Senkrechte für eine Wagrechte zu verhandeln, ein sehr zweideutiger Handel, das ist ein Factum, Sir John. Was ich sagen wollte, wandte er sich an Moor¬ feld. Sie kaufen doch meinen Farm drüben in New-Jersey? ich geb' ihn jetzt auf, da ich das Hotel an der Felsenwand projectire. Sie sehen, ich bin zwar ein "smart man", aber eine ehrliche Haut. Ich werde meinen Landsleuten ihr Geld abnehmen für die Wandmalerei des alten Culturvolks: das ist kein Schelmenstreich, höchstens ein we¬ nig Humbug, eine Glaubenssteuer, ein Wahnzoll. Sehr aber tadl' ich meinen ehrenwerthen Freund, daß er Sie, mein Herr, als einen Fremden und in einer ungleich ernsteren Sache -- -- o pfui, pfui; ich tadle es hart, es verdirbt das Geschäft, wir brauchen das Vertrauen der Fremden. Merken Sie wohl, mein Herr, wir ziehen eine sehr ge¬ naue Grenzlinie zwischen Humbug und Betrug; man kann der ärgste Humbuger und der reellste Geschäftsmann sein. In der That, Herr, Humbug und Busineß haben gar nichts zu thun mit einander. Im Busineß bin ich der verläßlichste Mann, den die Newyorker Sonne be¬ scheint; Humbug ist meine Erholung, meine Privatsache außer'm Busi¬ neß; Busineß selbst duldet keinen Humbug. Reines Geschäft, reines Geschäft, mein Herr, um Gotteswillen! reines Geschäft. Im Hum¬ bug besteuere ich die menschliche Thorheit; -- aber im Geschäft sucht der Mensch sein Bedürfniß bei mir, seine Leibes- und Lebens-Noth¬ wendigkeiten -- auf diesem Boden sein Vertrauen zu täuschen, untergrübe den Bestand aller Staaten und Völker. Es wäre einfach barbarisch. Von Religion und Gewissen nicht zu reden, unklug wär's, unpolitisch, selbstmörderisch, denn es hübe die Möglichkeit der menschlichen Gesell¬ schaft auf. Und ohne menschliche Gesellschaft weder Humbug noch Busineß, das ist klar! Das sind meine Grundsätze, Herr; Sie sehen, ich bin weder schwarz noch weiß, sondern grau melirt, aber unendlich haltbar, Sie können mir tausend Procent mehr vertrauen, als einem Burschen, der sich weiß brennt, wie Jungfernwachs. Sehen Sie sich mein Gütchen in New-Jersey an. Wann fahren wir hinüber, Herr? Freie Station hin und zurück, wenn Ihnen der Farm nicht gefällt. Keine bedruckten und lithographirten Papierwische -- gleich amtliche Ausweise, nichts als amtliche Ausweise; gleich vor das Staats-Audi¬ toriat, Einsicht der Ernteregister von heuer, vom vorigen Jahr, von
D. B. VII. Der Amerika-Müde. 5
iſt's ein ſehr zweideutiger Handel, Sir John, die Senkrechte für eine Wagrechte zu verhandeln, ein ſehr zweideutiger Handel, das iſt ein Factum, Sir John. Was ich ſagen wollte, wandte er ſich an Moor¬ feld. Sie kaufen doch meinen Farm drüben in New-Jerſey? ich geb' ihn jetzt auf, da ich das Hotel an der Felſenwand projectire. Sie ſehen, ich bin zwar ein „smart man”, aber eine ehrliche Haut. Ich werde meinen Landsleuten ihr Geld abnehmen für die Wandmalerei des alten Culturvolks: das iſt kein Schelmenſtreich, höchſtens ein we¬ nig Humbug, eine Glaubensſteuer, ein Wahnzoll. Sehr aber tadl' ich meinen ehrenwerthen Freund, daß er Sie, mein Herr, als einen Fremden und in einer ungleich ernſteren Sache — — o pfui, pfui; ich tadle es hart, es verdirbt das Geſchäft, wir brauchen das Vertrauen der Fremden. Merken Sie wohl, mein Herr, wir ziehen eine ſehr ge¬ naue Grenzlinie zwiſchen Humbug und Betrug; man kann der ärgſte Humbuger und der reellſte Geſchäftsmann ſein. In der That, Herr, Humbug und Buſineß haben gar nichts zu thun mit einander. Im Buſineß bin ich der verläßlichſte Mann, den die Newyorker Sonne be¬ ſcheint; Humbug iſt meine Erholung, meine Privatſache außer'm Buſi¬ neß; Buſineß ſelbſt duldet keinen Humbug. Reines Geſchäft, reines Geſchäft, mein Herr, um Gotteswillen! reines Geſchäft. Im Hum¬ bug beſteuere ich die menſchliche Thorheit; — aber im Geſchäft ſucht der Menſch ſein Bedürfniß bei mir, ſeine Leibes- und Lebens-Noth¬ wendigkeiten — auf dieſem Boden ſein Vertrauen zu täuſchen, untergrübe den Beſtand aller Staaten und Völker. Es wäre einfach barbariſch. Von Religion und Gewiſſen nicht zu reden, unklug wär's, unpolitiſch, ſelbſtmörderiſch, denn es hübe die Möglichkeit der menſchlichen Geſell¬ ſchaft auf. Und ohne menſchliche Geſellſchaft weder Humbug noch Buſineß, das iſt klar! Das ſind meine Grundſätze, Herr; Sie ſehen, ich bin weder ſchwarz noch weiß, ſondern grau melirt, aber unendlich haltbar, Sie können mir tauſend Procent mehr vertrauen, als einem Burſchen, der ſich weiß brennt, wie Jungfernwachs. Sehen Sie ſich mein Gütchen in New-Jerſey an. Wann fahren wir hinüber, Herr? Freie Station hin und zurück, wenn Ihnen der Farm nicht gefällt. Keine bedruckten und lithographirten Papierwiſche — gleich amtliche Ausweiſe, nichts als amtliche Ausweiſe; gleich vor das Staats-Audi¬ toriat, Einſicht der Ernteregiſter von heuer, vom vorigen Jahr, von
D. B. VII. Der Amerika-Müde. 5
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0083"n="65"/>
iſt's ein ſehr zweideutiger Handel, Sir John, die Senkrechte für eine<lb/>
Wagrechte zu verhandeln, ein ſehr zweideutiger Handel, das iſt ein<lb/>
Factum, Sir John. Was ich ſagen wollte, wandte er ſich an Moor¬<lb/>
feld. Sie kaufen doch meinen Farm drüben in New-Jerſey? ich geb'<lb/>
ihn jetzt auf, da ich das Hotel an der Felſenwand projectire. Sie<lb/>ſehen, ich bin zwar ein „<hirendition="#aq">smart man</hi>”, aber eine ehrliche Haut. Ich<lb/>
werde meinen Landsleuten ihr Geld abnehmen für die Wandmalerei<lb/>
des alten Culturvolks: das iſt kein Schelmenſtreich, höchſtens ein we¬<lb/>
nig Humbug, eine Glaubensſteuer, ein Wahnzoll. Sehr aber tadl'<lb/>
ich meinen ehrenwerthen Freund, daß er Sie, mein Herr, als einen<lb/>
Fremden und in einer ungleich ernſteren Sache —— o pfui, pfui;<lb/>
ich tadle es hart, es verdirbt das Geſchäft, wir brauchen das Vertrauen<lb/>
der Fremden. Merken Sie wohl, mein Herr, wir ziehen eine ſehr ge¬<lb/>
naue Grenzlinie zwiſchen Humbug und Betrug; man kann der ärgſte<lb/>
Humbuger und der reellſte Geſchäftsmann ſein. In der That, Herr,<lb/>
Humbug und Buſineß haben gar nichts zu thun mit einander. Im<lb/>
Buſineß bin ich der verläßlichſte Mann, den die Newyorker Sonne be¬<lb/>ſcheint; Humbug iſt meine Erholung, meine Privatſache außer'm Buſi¬<lb/>
neß; Buſineß ſelbſt duldet keinen Humbug. Reines Geſchäft, reines<lb/>
Geſchäft, mein Herr, um Gotteswillen! reines Geſchäft. Im Hum¬<lb/>
bug beſteuere ich die menſchliche Thorheit; — aber im Geſchäft ſucht<lb/>
der Menſch ſein Bedürfniß bei mir, ſeine Leibes- und Lebens-Noth¬<lb/>
wendigkeiten — auf dieſem Boden ſein Vertrauen zu täuſchen, untergrübe<lb/>
den Beſtand aller Staaten und Völker. Es wäre einfach barbariſch.<lb/>
Von Religion und Gewiſſen nicht zu reden, unklug wär's, unpolitiſch,<lb/>ſelbſtmörderiſch, denn es hübe die Möglichkeit der menſchlichen Geſell¬<lb/>ſchaft auf. Und ohne menſchliche Geſellſchaft weder Humbug noch<lb/>
Buſineß, das iſt klar! Das ſind meine Grundſätze, Herr; Sie ſehen,<lb/>
ich bin weder ſchwarz noch weiß, ſondern grau melirt, aber unendlich<lb/>
haltbar, Sie können mir tauſend Procent mehr vertrauen, als einem<lb/>
Burſchen, der ſich weiß brennt, wie Jungfernwachs. Sehen Sie ſich<lb/>
mein Gütchen in New-Jerſey an. Wann fahren wir hinüber, Herr?<lb/>
Freie Station hin und zurück, wenn Ihnen der Farm nicht gefällt.<lb/>
Keine bedruckten und lithographirten Papierwiſche — gleich amtliche<lb/>
Ausweiſe, nichts als amtliche Ausweiſe; gleich vor das Staats-Audi¬<lb/>
toriat, Einſicht der Ernteregiſter von heuer, vom vorigen Jahr, von<lb/><fwplace="bottom"type="sig">D. B. <hirendition="#b">VII</hi>. Der Amerika-Müde. 5<lb/></fw></p></div></div></body></text></TEI>
[65/0083]
iſt's ein ſehr zweideutiger Handel, Sir John, die Senkrechte für eine
Wagrechte zu verhandeln, ein ſehr zweideutiger Handel, das iſt ein
Factum, Sir John. Was ich ſagen wollte, wandte er ſich an Moor¬
feld. Sie kaufen doch meinen Farm drüben in New-Jerſey? ich geb'
ihn jetzt auf, da ich das Hotel an der Felſenwand projectire. Sie
ſehen, ich bin zwar ein „smart man”, aber eine ehrliche Haut. Ich
werde meinen Landsleuten ihr Geld abnehmen für die Wandmalerei
des alten Culturvolks: das iſt kein Schelmenſtreich, höchſtens ein we¬
nig Humbug, eine Glaubensſteuer, ein Wahnzoll. Sehr aber tadl'
ich meinen ehrenwerthen Freund, daß er Sie, mein Herr, als einen
Fremden und in einer ungleich ernſteren Sache — — o pfui, pfui;
ich tadle es hart, es verdirbt das Geſchäft, wir brauchen das Vertrauen
der Fremden. Merken Sie wohl, mein Herr, wir ziehen eine ſehr ge¬
naue Grenzlinie zwiſchen Humbug und Betrug; man kann der ärgſte
Humbuger und der reellſte Geſchäftsmann ſein. In der That, Herr,
Humbug und Buſineß haben gar nichts zu thun mit einander. Im
Buſineß bin ich der verläßlichſte Mann, den die Newyorker Sonne be¬
ſcheint; Humbug iſt meine Erholung, meine Privatſache außer'm Buſi¬
neß; Buſineß ſelbſt duldet keinen Humbug. Reines Geſchäft, reines
Geſchäft, mein Herr, um Gotteswillen! reines Geſchäft. Im Hum¬
bug beſteuere ich die menſchliche Thorheit; — aber im Geſchäft ſucht
der Menſch ſein Bedürfniß bei mir, ſeine Leibes- und Lebens-Noth¬
wendigkeiten — auf dieſem Boden ſein Vertrauen zu täuſchen, untergrübe
den Beſtand aller Staaten und Völker. Es wäre einfach barbariſch.
Von Religion und Gewiſſen nicht zu reden, unklug wär's, unpolitiſch,
ſelbſtmörderiſch, denn es hübe die Möglichkeit der menſchlichen Geſell¬
ſchaft auf. Und ohne menſchliche Geſellſchaft weder Humbug noch
Buſineß, das iſt klar! Das ſind meine Grundſätze, Herr; Sie ſehen,
ich bin weder ſchwarz noch weiß, ſondern grau melirt, aber unendlich
haltbar, Sie können mir tauſend Procent mehr vertrauen, als einem
Burſchen, der ſich weiß brennt, wie Jungfernwachs. Sehen Sie ſich
mein Gütchen in New-Jerſey an. Wann fahren wir hinüber, Herr?
Freie Station hin und zurück, wenn Ihnen der Farm nicht gefällt.
Keine bedruckten und lithographirten Papierwiſche — gleich amtliche
Ausweiſe, nichts als amtliche Ausweiſe; gleich vor das Staats-Audi¬
toriat, Einſicht der Ernteregiſter von heuer, vom vorigen Jahr, von
D. B. VII. Der Amerika-Müde. 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/83>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.