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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855.

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nie fehlt es den Karten, Plänen und Prospecten, womit seine Hallen
von oben bis unten bedeckt sind, an gelehrten Beschauern und unge¬
lehrten Begaffern, nie verkennt man in der Straße des Hauses jenes
Geld-wickelnde, Papier-zettelnde, Brieftaschen aus- und einsteckende
Publikum, welches die Nähe großer Geschäftsresidenzen bezeichnet, in
denen der Verkehrsdrang so stark ist, daß man die Reste der Zahl- und
Schreibtischarbeiten weit und breit unter freien Himmel zu Ende kramt.

Als Moorfeld in die Straße eintrat, erregte er die Aufmerksam¬
keit eines Herrn von feinem, fast vornehmen Aeußern, der ihn prü¬
fend, aber nicht länger als anständig, betrachtete, dann vor ihm stehen
blieb und ihn höflich anredete:

Mein Herr, Sie sind Ungar, wenn Sie meine Freiheit entschul¬
digen wollen?

Ihnen zu dienen, mein Herr, -- von deutscher Familie in Ungarn
gebürtig.

Die höfliche Haltung des Fremden erwärmte sich. Und kommen
in der Absicht, sich anzukaufen? fuhr er fort -- in diesem Falle er¬
lauben Sie mir, daß ich mich Ihnen vorstelle. Ich bin österreichischer
Gesandtschaftsbeamter und speciell employirt, unsern Staatsangehörigen
bei Landkäufen in jenem Hause meine Dienste anzubieten. Das Vor¬
urtheil der meisten Auswanderer gegen alles was heimatliche Behörde
heißt, ist leider ein solches, daß sich die Gesandtschaften fast aufdrän¬
gen, ja in ihrem Charakter verläugnen müssen, wenn sie die Ihrigen
vor Schaden bewahren wollen. Doch Ihnen gegenüber ist dieses Vor¬
urtheil natürlich als nicht vorhanden anzunehmen. Ihnen präsentire
ich am besten gleich meine Legitimation. Hier ist sie. Ich stehe
Ihnen bei Ihrem Kaufgeschäfte mit Rath und That zur Verfügung.

Dankbar anerkannt, mein Herr; ich glaube auf Ihre Güte ver¬
zichten zu dürfen.

Es ist auch nur eine Formel in diesem Falle. Der intelligente
Immigrant bedarf dessen nicht, ich weiß. Erfüllte Amtspflicht, nichts
weiter. Entschuldigen Sie mich. Ihr Diener, mein Herr.

Der Fremde wandte sich zum Gehen. In demselben Augenblicke
aber hielt er inne, zog seine elegante Brieftasche und überreichte Moor¬
felden seine Karte mit den Worten: Wenn Sie nicht pressirt sind,
mein Herr, so bitte ich mir vor Ihrer Abreise das Vergnügen auf

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nie fehlt es den Karten, Plänen und Proſpecten, womit ſeine Hallen
von oben bis unten bedeckt ſind, an gelehrten Beſchauern und unge¬
lehrten Begaffern, nie verkennt man in der Straße des Hauſes jenes
Geld-wickelnde, Papier-zettelnde, Brieftaſchen aus- und einſteckende
Publikum, welches die Nähe großer Geſchäftsreſidenzen bezeichnet, in
denen der Verkehrsdrang ſo ſtark iſt, daß man die Reſte der Zahl- und
Schreibtiſcharbeiten weit und breit unter freien Himmel zu Ende kramt.

Als Moorfeld in die Straße eintrat, erregte er die Aufmerkſam¬
keit eines Herrn von feinem, faſt vornehmen Aeußern, der ihn prü¬
fend, aber nicht länger als anſtändig, betrachtete, dann vor ihm ſtehen
blieb und ihn höflich anredete:

Mein Herr, Sie ſind Ungar, wenn Sie meine Freiheit entſchul¬
digen wollen?

Ihnen zu dienen, mein Herr, — von deutſcher Familie in Ungarn
gebürtig.

Die höfliche Haltung des Fremden erwärmte ſich. Und kommen
in der Abſicht, ſich anzukaufen? fuhr er fort — in dieſem Falle er¬
lauben Sie mir, daß ich mich Ihnen vorſtelle. Ich bin öſterreichiſcher
Geſandtſchaftsbeamter und ſpeciell employirt, unſern Staatsangehörigen
bei Landkäufen in jenem Hauſe meine Dienſte anzubieten. Das Vor¬
urtheil der meiſten Auswanderer gegen alles was heimatliche Behörde
heißt, iſt leider ein ſolches, daß ſich die Geſandtſchaften faſt aufdrän¬
gen, ja in ihrem Charakter verläugnen müſſen, wenn ſie die Ihrigen
vor Schaden bewahren wollen. Doch Ihnen gegenüber iſt dieſes Vor¬
urtheil natürlich als nicht vorhanden anzunehmen. Ihnen präſentire
ich am beſten gleich meine Legitimation. Hier iſt ſie. Ich ſtehe
Ihnen bei Ihrem Kaufgeſchäfte mit Rath und That zur Verfügung.

Dankbar anerkannt, mein Herr; ich glaube auf Ihre Güte ver¬
zichten zu dürfen.

Es iſt auch nur eine Formel in dieſem Falle. Der intelligente
Immigrant bedarf deſſen nicht, ich weiß. Erfüllte Amtspflicht, nichts
weiter. Entſchuldigen Sie mich. Ihr Diener, mein Herr.

Der Fremde wandte ſich zum Gehen. In demſelben Augenblicke
aber hielt er inne, zog ſeine elegante Brieftaſche und überreichte Moor¬
felden ſeine Karte mit den Worten: Wenn Sie nicht preſſirt ſind,
mein Herr, ſo bitte ich mir vor Ihrer Abreiſe das Vergnügen auf

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[51/0069] nie fehlt es den Karten, Plänen und Proſpecten, womit ſeine Hallen von oben bis unten bedeckt ſind, an gelehrten Beſchauern und unge¬ lehrten Begaffern, nie verkennt man in der Straße des Hauſes jenes Geld-wickelnde, Papier-zettelnde, Brieftaſchen aus- und einſteckende Publikum, welches die Nähe großer Geſchäftsreſidenzen bezeichnet, in denen der Verkehrsdrang ſo ſtark iſt, daß man die Reſte der Zahl- und Schreibtiſcharbeiten weit und breit unter freien Himmel zu Ende kramt. Als Moorfeld in die Straße eintrat, erregte er die Aufmerkſam¬ keit eines Herrn von feinem, faſt vornehmen Aeußern, der ihn prü¬ fend, aber nicht länger als anſtändig, betrachtete, dann vor ihm ſtehen blieb und ihn höflich anredete: Mein Herr, Sie ſind Ungar, wenn Sie meine Freiheit entſchul¬ digen wollen? Ihnen zu dienen, mein Herr, — von deutſcher Familie in Ungarn gebürtig. Die höfliche Haltung des Fremden erwärmte ſich. Und kommen in der Abſicht, ſich anzukaufen? fuhr er fort — in dieſem Falle er¬ lauben Sie mir, daß ich mich Ihnen vorſtelle. Ich bin öſterreichiſcher Geſandtſchaftsbeamter und ſpeciell employirt, unſern Staatsangehörigen bei Landkäufen in jenem Hauſe meine Dienſte anzubieten. Das Vor¬ urtheil der meiſten Auswanderer gegen alles was heimatliche Behörde heißt, iſt leider ein ſolches, daß ſich die Geſandtſchaften faſt aufdrän¬ gen, ja in ihrem Charakter verläugnen müſſen, wenn ſie die Ihrigen vor Schaden bewahren wollen. Doch Ihnen gegenüber iſt dieſes Vor¬ urtheil natürlich als nicht vorhanden anzunehmen. Ihnen präſentire ich am beſten gleich meine Legitimation. Hier iſt ſie. Ich ſtehe Ihnen bei Ihrem Kaufgeſchäfte mit Rath und That zur Verfügung. Dankbar anerkannt, mein Herr; ich glaube auf Ihre Güte ver¬ zichten zu dürfen. Es iſt auch nur eine Formel in dieſem Falle. Der intelligente Immigrant bedarf deſſen nicht, ich weiß. Erfüllte Amtspflicht, nichts weiter. Entſchuldigen Sie mich. Ihr Diener, mein Herr. Der Fremde wandte ſich zum Gehen. In demſelben Augenblicke aber hielt er inne, zog ſeine elegante Brieftaſche und überreichte Moor¬ felden ſeine Karte mit den Worten: Wenn Sie nicht preſſirt ſind, mein Herr, ſo bitte ich mir vor Ihrer Abreiſe das Vergnügen auf 4*

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Zitationshilfe: Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/69>, abgerufen am 27.11.2024.