Zeitungsnachrichten zu erfahren, wie der Lavastrom dieses Tages noch seinen verderblichen Lauf genommen. Er hatte jetzt keinen Augenblick zu verlieren, sein Geschäft im Gesandtschaftshotel abzumachen. Als Moor¬ feld dieses Gebäude erreichte, sah er die Fenster des Basements von kriegerischen Gestalten erfüllt, welche Gewehr im Arm, auf alle Fälle gerüstet dastanden. Es war ein braves Häuflein deutscher Newyorker Bürger, welche zum Schutz ihrer Landsleute, die ohne Unterschied der provinziellen Abstammung in das Gesandtschaftshotel der ersten deut¬ schen Großmacht geflüchtet, sich in unerschrockener Bürgerwehrpflicht eingefunden. Sie sagten, sie hätten schon vor Tags eine Locomotive nach Philadelphia requirirt, um den Zuzug der dortigen deutschen Schützencompagnie, die jetzt in jedem Augenblick eintreffen werde. Dann möge der Tanz wohl aus einer andern Tonart gehen. Es habe nicht viel auf sich mit diesen Burschen. Strohfeuer sei's, üppige Büberei, das Gesindel hüte sich wohl, deutsches Pulver zu riechen. Diese Sprache war ein Lichtblick in dein Pfuhl so vieler Abscheulichkeit. Und daß sie nicht übertrieb, bewies die That. Kein Rowdy ließ sich blicken in dem weiten Umkreis des Hotels, und doch belief sich die ganze Besatzung desselben kaum auf dreißig Mann.
Moorfeld fand alle Räume des Hauses von flüchtigen Deutschen besetzt. Es war der bunteste Wirrwar, der sich denken ließ. Männer, Frauen, Kinder, Herrschaften und Domestiken, alle Stufen der bürger¬ lichen Rang- und Glücksscala, alle Anzüge der Nacht und des Tags, Kostbares und Gemeines, im Moment der Flucht sinnlos übereinander geworfen, was Jeder an seinem eigenen Leibe retten zu können glaubte, trieb sich im schauerlichen Costümball durch das angsterfüllte Gebäude. Dazwischen lag ein Jahrmarktskram von geretteten Fahrnissen auf je¬ dem Schritt und Tritt im Wege; man sah Betten, Töpfe, Waschkörbe, Stutzuhren, Porzellangeschirr, Bücher, Schüreisen, allerlei Handwerks¬ zeug, Nützliches und Entbehrliches, Werthvolles und Lächerliches ohne Wahl zusammengeschleppt. In diesem Wirrniß war das Geschrei der Kinder zu hören, die ihre tägliche Hausordnung vermißten, der Müt¬ ter, welche die Bedürfnisse ihrer Kinder unter Jammer und Zeter zu improvisiren suchten, die Fluch- und Zornausbrüche der Männer, welche, scheinbar oder wirklich, sich nach wehrhafter Verfassung sehnten, wohl auch ein- oder das andere Waffenstück mit sich führten, da dann dem
Zeitungsnachrichten zu erfahren, wie der Lavaſtrom dieſes Tages noch ſeinen verderblichen Lauf genommen. Er hatte jetzt keinen Augenblick zu verlieren, ſein Geſchäft im Geſandtſchaftshotel abzumachen. Als Moor¬ feld dieſes Gebäude erreichte, ſah er die Fenſter des Baſements von kriegeriſchen Geſtalten erfüllt, welche Gewehr im Arm, auf alle Fälle gerüſtet daſtanden. Es war ein braves Häuflein deutſcher Newyorker Bürger, welche zum Schutz ihrer Landsleute, die ohne Unterſchied der provinziellen Abſtammung in das Geſandtſchaftshotel der erſten deut¬ ſchen Großmacht geflüchtet, ſich in unerſchrockener Bürgerwehrpflicht eingefunden. Sie ſagten, ſie hätten ſchon vor Tags eine Locomotive nach Philadelphia requirirt, um den Zuzug der dortigen deutſchen Schützencompagnie, die jetzt in jedem Augenblick eintreffen werde. Dann möge der Tanz wohl aus einer andern Tonart gehen. Es habe nicht viel auf ſich mit dieſen Burſchen. Strohfeuer ſei's, üppige Büberei, das Geſindel hüte ſich wohl, deutſches Pulver zu riechen. Dieſe Sprache war ein Lichtblick in dein Pfuhl ſo vieler Abſcheulichkeit. Und daß ſie nicht übertrieb, bewies die That. Kein Rowdy ließ ſich blicken in dem weiten Umkreis des Hotels, und doch belief ſich die ganze Beſatzung deſſelben kaum auf dreißig Mann.
Moorfeld fand alle Räume des Hauſes von flüchtigen Deutſchen beſetzt. Es war der bunteſte Wirrwar, der ſich denken ließ. Männer, Frauen, Kinder, Herrſchaften und Domeſtiken, alle Stufen der bürger¬ lichen Rang- und Glücksſcala, alle Anzüge der Nacht und des Tags, Koſtbares und Gemeines, im Moment der Flucht ſinnlos übereinander geworfen, was Jeder an ſeinem eigenen Leibe retten zu können glaubte, trieb ſich im ſchauerlichen Coſtümball durch das angſterfüllte Gebäude. Dazwiſchen lag ein Jahrmarktskram von geretteten Fahrniſſen auf je¬ dem Schritt und Tritt im Wege; man ſah Betten, Töpfe, Waſchkörbe, Stutzuhren, Porzellangeſchirr, Bücher, Schüreiſen, allerlei Handwerks¬ zeug, Nützliches und Entbehrliches, Werthvolles und Lächerliches ohne Wahl zuſammengeſchleppt. In dieſem Wirrniß war das Geſchrei der Kinder zu hören, die ihre tägliche Hausordnung vermißten, der Müt¬ ter, welche die Bedürfniſſe ihrer Kinder unter Jammer und Zeter zu improviſiren ſuchten, die Fluch- und Zornausbrüche der Männer, welche, ſcheinbar oder wirklich, ſich nach wehrhafter Verfaſſung ſehnten, wohl auch ein- oder das andere Waffenſtück mit ſich führten, da dann dem
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Zeitungsnachrichten zu erfahren, wie der Lavaſtrom dieſes Tages noch
ſeinen verderblichen Lauf genommen. Er hatte jetzt keinen Augenblick zu
verlieren, ſein Geſchäft im Geſandtſchaftshotel abzumachen. Als Moor¬
feld dieſes Gebäude erreichte, ſah er die Fenſter des Baſements von
kriegeriſchen Geſtalten erfüllt, welche Gewehr im Arm, auf alle Fälle
gerüſtet daſtanden. Es war ein braves Häuflein deutſcher Newyorker
Bürger, welche zum Schutz ihrer Landsleute, die ohne Unterſchied der
provinziellen Abſtammung in das Geſandtſchaftshotel der erſten deut¬
ſchen Großmacht geflüchtet, ſich in unerſchrockener Bürgerwehrpflicht
eingefunden. Sie ſagten, ſie hätten ſchon vor Tags eine Locomotive
nach Philadelphia requirirt, um den Zuzug der dortigen deutſchen
Schützencompagnie, die jetzt in jedem Augenblick eintreffen werde.
Dann möge der Tanz wohl aus einer andern Tonart gehen. Es habe
nicht viel auf ſich mit dieſen Burſchen. Strohfeuer ſei's, üppige Büberei,
das Geſindel hüte ſich wohl, deutſches Pulver zu riechen. Dieſe Sprache
war ein Lichtblick in dein Pfuhl ſo vieler Abſcheulichkeit. Und daß ſie
nicht übertrieb, bewies die That. Kein Rowdy ließ ſich blicken in dem
weiten Umkreis des Hotels, und doch belief ſich die ganze Beſatzung
deſſelben kaum auf dreißig Mann.
Moorfeld fand alle Räume des Hauſes von flüchtigen Deutſchen
beſetzt. Es war der bunteſte Wirrwar, der ſich denken ließ. Männer,
Frauen, Kinder, Herrſchaften und Domeſtiken, alle Stufen der bürger¬
lichen Rang- und Glücksſcala, alle Anzüge der Nacht und des Tags,
Koſtbares und Gemeines, im Moment der Flucht ſinnlos übereinander
geworfen, was Jeder an ſeinem eigenen Leibe retten zu können glaubte,
trieb ſich im ſchauerlichen Coſtümball durch das angſterfüllte Gebäude.
Dazwiſchen lag ein Jahrmarktskram von geretteten Fahrniſſen auf je¬
dem Schritt und Tritt im Wege; man ſah Betten, Töpfe, Waſchkörbe,
Stutzuhren, Porzellangeſchirr, Bücher, Schüreiſen, allerlei Handwerks¬
zeug, Nützliches und Entbehrliches, Werthvolles und Lächerliches ohne
Wahl zuſammengeſchleppt. In dieſem Wirrniß war das Geſchrei der
Kinder zu hören, die ihre tägliche Hausordnung vermißten, der Müt¬
ter, welche die Bedürfniſſe ihrer Kinder unter Jammer und Zeter zu
improviſiren ſuchten, die Fluch- und Zornausbrüche der Männer, welche,
ſcheinbar oder wirklich, ſich nach wehrhafter Verfaſſung ſehnten, wohl
auch ein- oder das andere Waffenſtück mit ſich führten, da dann dem
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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 499. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/517>, abgerufen am 22.11.2024.
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