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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855.

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weh? und der Schmied-Richter spie mit großer Selbstüberzeugung einen
ganzen Mund voll Rauchtabakextract in seine Kohlen, die laut
aufzischten.

Moorfeld sah mit Verwunderung, daß er am Ende noch die
Freisinnigkeit dieses Justizbeamten anerkennen müsse. Freilich
indem er seine Leute näher beobachtete -- stieg ihm der Verdacht auf,
es verdrieße den ehrlichen Mann eigentlich, daß er nicht selbst mit
von dem besagten Gelage gewesen. Natürlich fand es Moorfeld unter
seiner Würde, von solch einer Nachsicht zu profitiren und die That
seines gerechten Zorns zu verschweigen. Aber Mr. Cartwright häm¬
merte wieder auf sein Wagenrad so vulkanisch los, daß die zwei zu¬
gestandenen Pistolenschüsse absichtlich wie es schien übertönt wurden.
Mr. Wogan wendete kein Wort dagegen ein. Er stand da, seine wul¬
stigen Lippen in die Zähne gekniffen, seine Schultern hoch an den
häßlichen Schädel gezogen, und schien Kraft und Erwartung wie zu
einem Hauptschlag zusammenzudrängen.

Dieser Augenblick kam jetzt. Man sah Mr. Gull, den County
Clerk, über den "Square" von New-Lisbon heranschreiten, Tom, der
Neger, trug ihm das Grundbuch nach. Mr. Cartwright warf schnell
noch einen prüfenden Blick auf den Pittsburger Patienten und schien
von der Reconvalescenz desselben so weit überzeugt, daß er es wagen
mochte, den Gegenstand seiner zärtlichen Sorge endlich zu verlassen.
Er hatte nämlich den Tact, die drei Herren jetzt in seine Amtsstube
zu bitten, da der bisherige Schauplatz unter freiem Himmel gewesen.

Man trat ein.

Mr. Gull, der County Clerk, war dieselbe Person, an dessen
Krankenlager Moorfeld das von ihm beschriebene Zusammentreffen mit
dem reisenden "Doctor" gehabt. Der Mann begrüßte unsern Helden
mit einer Artigkeit darüber, der es nicht an Herzlichkeit fehlte. Er
habe von seinem Bette aus die Controverse wohl begriffen, sogar mit
einer Klarheit und Leichtigkeit, die ihn selbst verwundere. Es sei ihm
eine ausgemachte Sache, daß der Doctor Mackhead ein Ignorant und
Moorfeld sein Meister. Ein Kind habe ja das beurtheilen können.
Auch habe er sofort ein paar Aderlässe genommen und er sei überzeugt,
daß er dieser Kur allein sein Leben verdanke. Wogan blies wie ein

weh? und der Schmied-Richter ſpie mit großer Selbſtüberzeugung einen
ganzen Mund voll Rauchtabakextract in ſeine Kohlen, die laut
aufziſchten.

Moorfeld ſah mit Verwunderung, daß er am Ende noch die
Freiſinnigkeit dieſes Juſtizbeamten anerkennen müſſe. Freilich
indem er ſeine Leute näher beobachtete — ſtieg ihm der Verdacht auf,
es verdrieße den ehrlichen Mann eigentlich, daß er nicht ſelbſt mit
von dem beſagten Gelage geweſen. Natürlich fand es Moorfeld unter
ſeiner Würde, von ſolch einer Nachſicht zu profitiren und die That
ſeines gerechten Zorns zu verſchweigen. Aber Mr. Cartwright häm¬
merte wieder auf ſein Wagenrad ſo vulkaniſch los, daß die zwei zu¬
geſtandenen Piſtolenſchüſſe abſichtlich wie es ſchien übertönt wurden.
Mr. Wogan wendete kein Wort dagegen ein. Er ſtand da, ſeine wul¬
ſtigen Lippen in die Zähne gekniffen, ſeine Schultern hoch an den
häßlichen Schädel gezogen, und ſchien Kraft und Erwartung wie zu
einem Hauptſchlag zuſammenzudrängen.

Dieſer Augenblick kam jetzt. Man ſah Mr. Gull, den County
Clerk, über den „Square“ von New-Lisbon heranſchreiten, Tom, der
Neger, trug ihm das Grundbuch nach. Mr. Cartwright warf ſchnell
noch einen prüfenden Blick auf den Pittsburger Patienten und ſchien
von der Reconvalescenz deſſelben ſo weit überzeugt, daß er es wagen
mochte, den Gegenſtand ſeiner zärtlichen Sorge endlich zu verlaſſen.
Er hatte nämlich den Tact, die drei Herren jetzt in ſeine Amtsſtube
zu bitten, da der bisherige Schauplatz unter freiem Himmel geweſen.

Man trat ein.

Mr. Gull, der County Clerk, war dieſelbe Perſon, an deſſen
Krankenlager Moorfeld das von ihm beſchriebene Zuſammentreffen mit
dem reiſenden „Doctor“ gehabt. Der Mann begrüßte unſern Helden
mit einer Artigkeit darüber, der es nicht an Herzlichkeit fehlte. Er
habe von ſeinem Bette aus die Controverſe wohl begriffen, ſogar mit
einer Klarheit und Leichtigkeit, die ihn ſelbſt verwundere. Es ſei ihm
eine ausgemachte Sache, daß der Doctor Mackhead ein Ignorant und
Moorfeld ſein Meiſter. Ein Kind habe ja das beurtheilen können.
Auch habe er ſofort ein paar Aderläſſe genommen und er ſei überzeugt,
daß er dieſer Kur allein ſein Leben verdanke. Wogan blies wie ein

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[434/0452] weh? und der Schmied-Richter ſpie mit großer Selbſtüberzeugung einen ganzen Mund voll Rauchtabakextract in ſeine Kohlen, die laut aufziſchten. Moorfeld ſah mit Verwunderung, daß er am Ende noch die Freiſinnigkeit dieſes Juſtizbeamten anerkennen müſſe. Freilich indem er ſeine Leute näher beobachtete — ſtieg ihm der Verdacht auf, es verdrieße den ehrlichen Mann eigentlich, daß er nicht ſelbſt mit von dem beſagten Gelage geweſen. Natürlich fand es Moorfeld unter ſeiner Würde, von ſolch einer Nachſicht zu profitiren und die That ſeines gerechten Zorns zu verſchweigen. Aber Mr. Cartwright häm¬ merte wieder auf ſein Wagenrad ſo vulkaniſch los, daß die zwei zu¬ geſtandenen Piſtolenſchüſſe abſichtlich wie es ſchien übertönt wurden. Mr. Wogan wendete kein Wort dagegen ein. Er ſtand da, ſeine wul¬ ſtigen Lippen in die Zähne gekniffen, ſeine Schultern hoch an den häßlichen Schädel gezogen, und ſchien Kraft und Erwartung wie zu einem Hauptſchlag zuſammenzudrängen. Dieſer Augenblick kam jetzt. Man ſah Mr. Gull, den County Clerk, über den „Square“ von New-Lisbon heranſchreiten, Tom, der Neger, trug ihm das Grundbuch nach. Mr. Cartwright warf ſchnell noch einen prüfenden Blick auf den Pittsburger Patienten und ſchien von der Reconvalescenz deſſelben ſo weit überzeugt, daß er es wagen mochte, den Gegenſtand ſeiner zärtlichen Sorge endlich zu verlaſſen. Er hatte nämlich den Tact, die drei Herren jetzt in ſeine Amtsſtube zu bitten, da der bisherige Schauplatz unter freiem Himmel geweſen. Man trat ein. Mr. Gull, der County Clerk, war dieſelbe Perſon, an deſſen Krankenlager Moorfeld das von ihm beſchriebene Zuſammentreffen mit dem reiſenden „Doctor“ gehabt. Der Mann begrüßte unſern Helden mit einer Artigkeit darüber, der es nicht an Herzlichkeit fehlte. Er habe von ſeinem Bette aus die Controverſe wohl begriffen, ſogar mit einer Klarheit und Leichtigkeit, die ihn ſelbſt verwundere. Es ſei ihm eine ausgemachte Sache, daß der Doctor Mackhead ein Ignorant und Moorfeld ſein Meiſter. Ein Kind habe ja das beurtheilen können. Auch habe er ſofort ein paar Aderläſſe genommen und er ſei überzeugt, daß er dieſer Kur allein ſein Leben verdanke. Wogan blies wie ein

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Zitationshilfe: Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 434. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/452>, abgerufen am 22.11.2024.