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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855.

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wegs dieser detour? Eine Leiche am Strande. Und wer soll diese
Leiche sein? Mein alter Gaul, Au Reste, der arme brave Narr!
Zwar Leiche war er noch nicht. Der See hatte ihn besinnungslos
an's Ufer geworfen und was solch eine blinde, dumme Welle vermag,
das war hier geschehen. Sie hatte ihn anstatt in's weiche Gras, gegen
einen verdammten alten Eichknorren geschnellt, der in der lieben weiten
Welt just auch dort seinen einfältigen Stamm vorhangen ließ. Das
Gehirn war erschüttert, wie es ein Büffelschädel vielleicht eben noch
verknus't hätte, aber hier war's genug zum letzten Datum. Wagh!
Sturzwellen und Eichkloben verstehen sich schlecht auf gute Manieren;
hätt' ich nur den verdammten Yankee vor meiner Rifle, den Hund
von einem Kapitän! Das Schiff konnte sich noch ganz gut retten.
Es war von Detroit nach Stadt Erie in Ladung und hatte das Un¬
glück heut Nacht im Nebel gegen einen Propellor zu stoßen, welcher
in der entgegengesetzten Richtung kam. Die zwei Waschbären von
Kapitäns fuhren beide mit ihrer vollen Maschinenkraft trotz Nacht
und Nebel; Au Reste's seiner hatte überdies noch versäumt, die War¬
nungsglocke anschlagen zu lassen. 'Sind Niggers diese Yankees schwö¬
ren Sie drauf, Monsieur. Eh bien, sie stießen zusammen. Beide
im vollen Gange, wie ich sage. Der Choc kann nicht sanft gewesen
sein. Nun, sollen Sie sagen, ob die Yankees verdammte Seehunde
sind. Unmittelbar nach dem Zusammenstoß setzt der Propellor seinen
Weg fort, ohne sich um den Zustand des andern Dampfers nur im
Mindesten zu bekümmern. Dieser aber bekümmert sich auch um
sich selbst nicht. Der Kapitän läßt dem Leck kaum nachsehen, schlägt
ihn gering an, und will so wie er ist Stadt Erie noch erreichen. Go
ahead
! sagen diese Niggers, und der Mensch gilt nichts, die Waare
Alles unter der verdammten Devise. Enfin, das Schiff sinkt, als es
beizulegen schon zu spät war, im Nu sind die Lichter aus, Maschin-
Heitzung gelöscht, und -- ein Schelm will ich sein, wenn ich ein Wort
nur verstanden, was Au Reste noch weiter röchelte. Nehmt diese Brief¬
tasche, alter Gaul, schrie er mit seinem letzten Funken, und merkt aus
den Namen, Freund Leichtfuß: sie soll für Doctor Moorfeld bei Neu
Lisbon, der hat ein Recht daran.

Moorfeld sah das Gesicht einer Meduse.

Anhorst! schrie er außer sich.

wegs dieſer détour? Eine Leiche am Strande. Und wer ſoll dieſe
Leiche ſein? Mein alter Gaul, Au Reſte, der arme brave Narr!
Zwar Leiche war er noch nicht. Der See hatte ihn beſinnungslos
an's Ufer geworfen und was ſolch eine blinde, dumme Welle vermag,
das war hier geſchehen. Sie hatte ihn anſtatt in's weiche Gras, gegen
einen verdammten alten Eichknorren geſchnellt, der in der lieben weiten
Welt juſt auch dort ſeinen einfältigen Stamm vorhangen ließ. Das
Gehirn war erſchüttert, wie es ein Büffelſchädel vielleicht eben noch
verknus't hätte, aber hier war's genug zum letzten Datum. Wagh!
Sturzwellen und Eichkloben verſtehen ſich ſchlecht auf gute Manieren;
hätt' ich nur den verdammten Yankee vor meiner Rifle, den Hund
von einem Kapitän! Das Schiff konnte ſich noch ganz gut retten.
Es war von Detroit nach Stadt Erie in Ladung und hatte das Un¬
glück heut Nacht im Nebel gegen einen Propellor zu ſtoßen, welcher
in der entgegengeſetzten Richtung kam. Die zwei Waſchbären von
Kapitäns fuhren beide mit ihrer vollen Maſchinenkraft trotz Nacht
und Nebel; Au Reſte's ſeiner hatte überdies noch verſäumt, die War¬
nungsglocke anſchlagen zu laſſen. 'Sind Niggers dieſe Yankees ſchwö¬
ren Sie drauf, Monſieur. Eh bien, ſie ſtießen zuſammen. Beide
im vollen Gange, wie ich ſage. Der Choc kann nicht ſanft geweſen
ſein. Nun, ſollen Sie ſagen, ob die Yankees verdammte Seehunde
ſind. Unmittelbar nach dem Zuſammenſtoß ſetzt der Propellor ſeinen
Weg fort, ohne ſich um den Zuſtand des andern Dampfers nur im
Mindeſten zu bekümmern. Dieſer aber bekümmert ſich auch um
ſich ſelbſt nicht. Der Kapitän läßt dem Leck kaum nachſehen, ſchlägt
ihn gering an, und will ſo wie er iſt Stadt Erie noch erreichen. Go
ahead
! ſagen dieſe Niggers, und der Menſch gilt nichts, die Waare
Alles unter der verdammten Deviſe. Enfin, das Schiff ſinkt, als es
beizulegen ſchon zu ſpät war, im Nu ſind die Lichter aus, Maſchin-
Heitzung gelöſcht, und — ein Schelm will ich ſein, wenn ich ein Wort
nur verſtanden, was Au Reſte noch weiter röchelte. Nehmt dieſe Brief¬
taſche, alter Gaul, ſchrie er mit ſeinem letzten Funken, und merkt aus
den Namen, Freund Leichtfuß: ſie ſoll für Doctor Moorfeld bei Neu
Lisbon, der hat ein Recht daran.

Moorfeld ſah das Geſicht einer Meduſe.

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[425/0443] wegs dieſer détour? Eine Leiche am Strande. Und wer ſoll dieſe Leiche ſein? Mein alter Gaul, Au Reſte, der arme brave Narr! Zwar Leiche war er noch nicht. Der See hatte ihn beſinnungslos an's Ufer geworfen und was ſolch eine blinde, dumme Welle vermag, das war hier geſchehen. Sie hatte ihn anſtatt in's weiche Gras, gegen einen verdammten alten Eichknorren geſchnellt, der in der lieben weiten Welt juſt auch dort ſeinen einfältigen Stamm vorhangen ließ. Das Gehirn war erſchüttert, wie es ein Büffelſchädel vielleicht eben noch verknus't hätte, aber hier war's genug zum letzten Datum. Wagh! Sturzwellen und Eichkloben verſtehen ſich ſchlecht auf gute Manieren; hätt' ich nur den verdammten Yankee vor meiner Rifle, den Hund von einem Kapitän! Das Schiff konnte ſich noch ganz gut retten. Es war von Detroit nach Stadt Erie in Ladung und hatte das Un¬ glück heut Nacht im Nebel gegen einen Propellor zu ſtoßen, welcher in der entgegengeſetzten Richtung kam. Die zwei Waſchbären von Kapitäns fuhren beide mit ihrer vollen Maſchinenkraft trotz Nacht und Nebel; Au Reſte's ſeiner hatte überdies noch verſäumt, die War¬ nungsglocke anſchlagen zu laſſen. 'Sind Niggers dieſe Yankees ſchwö¬ ren Sie drauf, Monſieur. Eh bien, ſie ſtießen zuſammen. Beide im vollen Gange, wie ich ſage. Der Choc kann nicht ſanft geweſen ſein. Nun, ſollen Sie ſagen, ob die Yankees verdammte Seehunde ſind. Unmittelbar nach dem Zuſammenſtoß ſetzt der Propellor ſeinen Weg fort, ohne ſich um den Zuſtand des andern Dampfers nur im Mindeſten zu bekümmern. Dieſer aber bekümmert ſich auch um ſich ſelbſt nicht. Der Kapitän läßt dem Leck kaum nachſehen, ſchlägt ihn gering an, und will ſo wie er iſt Stadt Erie noch erreichen. Go ahead! ſagen dieſe Niggers, und der Menſch gilt nichts, die Waare Alles unter der verdammten Deviſe. Enfin, das Schiff ſinkt, als es beizulegen ſchon zu ſpät war, im Nu ſind die Lichter aus, Maſchin- Heitzung gelöſcht, und — ein Schelm will ich ſein, wenn ich ein Wort nur verſtanden, was Au Reſte noch weiter röchelte. Nehmt dieſe Brief¬ taſche, alter Gaul, ſchrie er mit ſeinem letzten Funken, und merkt aus den Namen, Freund Leichtfuß: ſie ſoll für Doctor Moorfeld bei Neu Lisbon, der hat ein Recht daran. Moorfeld ſah das Geſicht einer Meduſe. Anhorſt! ſchrie er außer ſich.

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Zitationshilfe: Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 425. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/443>, abgerufen am 23.11.2024.