Mattgold des wiesenflachen Vordergrundes einschnitten, dachte Moor¬ feld zum zweitenmale an seine Einkehr. Indem er den Zirkel der Gegend nach Spuren menschlicher Nähe durchflog, tönten ihm aus dem nahen Waldgrund Artschläge entgegen. Moorfeld folgte ihnen. Er fand einen Mann im Schurzfell und baumwollenen Hemde, welches bis an den Gürtel eingestreift war, beim Holzfällen. Sein Körper leuchtete kupferroth vom Widerschein der untergehenden Sonne. Doch nein; Moorfeld erkannte diese Röthe bald als die natürliche Hautfarbe des Mannes. Der Holzschläger war ein Indianer.
Zum erstenmal seit er Amerika's Boden betreten, hatte Moorfeld den Anblick der rothen Race. Der Indianer gehörte offenbar der Ci¬ vilisation an. Sein Wesen unterschied sich in nichts von dem arbeit¬ gewohnten Proletarier. Spuren kriegerischer Wildheit leuchteten nicht daraus vor. Seine Züge waren die eines alternden, sorgenvollen Menschen, seine schwarzen Augen lagen hohl und wenn sie nicht eben mit "der Gedankens Blässe" blickten, so war es doch ein -- christ¬ licher Leidensblick.
Moorfeld hielt sein Thier an, und fragte nach der Lage der nächsten Farm. Der Indianer maß ihn mit argwöhnischen Blicken, indem er für alle Fälle seine Axt an sich faßte. Moorfeld durchschaute die Lage des Mannes. Aus der kurzen Erfahrung seines Grundbesitzes wußte er, daß der Besitz ausgedehnter Waldstrecken von den Nichtbesitzenden kaum als ein Recht, ja fast wie eine Versündigung an dem Natur¬ rechte betrachtet, und Jagd und Holzschlag auf sogenanntem fremden Boden dieser Anschauung gemäß überall ausgeübt wurde. Moorfeld war kein Gegner dieser Rechtsbegriffe. In Amerika, wo das Holz mehr Last als Revenüe ist, wo durch die Landspeculation aufgekaufte Waldmassen überall herrenlos liegen und sogar oft nicht anders als mit den Noten einer Schwindelbank bezahlt sind: kann der größere Waldfrevel leicht beim Monopol des Besitzers selbst zu sein scheinen. Deßungeachtet handhabten viele Besitzer den Schutz ihrer Wälder un¬ erbittlich, mehr mit dem Instinkte der Grausamkeit als der Gerechtigkeit, und der Indianer fürchtete seinem ganzen Benehmen nach Verrath.
Moorfeld sah daher ein, daß er zuerst um das Vertrauen des rothen Mannes werben müsse. Er bot dem Arbeitsmüden seine Feldflasche an, überzeugt, den kürzesten Weg zu seinem Zweck damit einzuschlagen. Aber
Mattgold des wieſenflachen Vordergrundes einſchnitten, dachte Moor¬ feld zum zweitenmale an ſeine Einkehr. Indem er den Zirkel der Gegend nach Spuren menſchlicher Nähe durchflog, tönten ihm aus dem nahen Waldgrund Artſchläge entgegen. Moorfeld folgte ihnen. Er fand einen Mann im Schurzfell und baumwollenen Hemde, welches bis an den Gürtel eingeſtreift war, beim Holzfällen. Sein Körper leuchtete kupferroth vom Widerſchein der untergehenden Sonne. Doch nein; Moorfeld erkannte dieſe Röthe bald als die natürliche Hautfarbe des Mannes. Der Holzſchläger war ein Indianer.
Zum erſtenmal ſeit er Amerika's Boden betreten, hatte Moorfeld den Anblick der rothen Race. Der Indianer gehörte offenbar der Ci¬ viliſation an. Sein Weſen unterſchied ſich in nichts von dem arbeit¬ gewohnten Proletarier. Spuren kriegeriſcher Wildheit leuchteten nicht daraus vor. Seine Züge waren die eines alternden, ſorgenvollen Menſchen, ſeine ſchwarzen Augen lagen hohl und wenn ſie nicht eben mit „der Gedankens Bläſſe“ blickten, ſo war es doch ein — chriſt¬ licher Leidensblick.
Moorfeld hielt ſein Thier an, und fragte nach der Lage der nächſten Farm. Der Indianer maß ihn mit argwöhniſchen Blicken, indem er für alle Fälle ſeine Axt an ſich faßte. Moorfeld durchſchaute die Lage des Mannes. Aus der kurzen Erfahrung ſeines Grundbeſitzes wußte er, daß der Beſitz ausgedehnter Waldſtrecken von den Nichtbeſitzenden kaum als ein Recht, ja faſt wie eine Verſündigung an dem Natur¬ rechte betrachtet, und Jagd und Holzſchlag auf ſogenanntem fremden Boden dieſer Anſchauung gemäß überall ausgeübt wurde. Moorfeld war kein Gegner dieſer Rechtsbegriffe. In Amerika, wo das Holz mehr Laſt als Revenüe iſt, wo durch die Landſpeculation aufgekaufte Waldmaſſen überall herrenlos liegen und ſogar oft nicht anders als mit den Noten einer Schwindelbank bezahlt ſind: kann der größere Waldfrevel leicht beim Monopol des Beſitzers ſelbſt zu ſein ſcheinen. Deßungeachtet handhabten viele Beſitzer den Schutz ihrer Wälder un¬ erbittlich, mehr mit dem Inſtinkte der Grauſamkeit als der Gerechtigkeit, und der Indianer fürchtete ſeinem ganzen Benehmen nach Verrath.
Moorfeld ſah daher ein, daß er zuerſt um das Vertrauen des rothen Mannes werben müſſe. Er bot dem Arbeitsmüden ſeine Feldflaſche an, überzeugt, den kürzeſten Weg zu ſeinem Zweck damit einzuſchlagen. Aber
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0421"n="403"/>
Mattgold des wieſenflachen Vordergrundes einſchnitten, dachte Moor¬<lb/>
feld zum zweitenmale an ſeine Einkehr. Indem er den Zirkel der<lb/>
Gegend nach Spuren menſchlicher Nähe durchflog, tönten ihm aus dem<lb/>
nahen Waldgrund Artſchläge entgegen. Moorfeld folgte ihnen. Er<lb/>
fand einen Mann im Schurzfell und baumwollenen Hemde, welches<lb/>
bis an den Gürtel eingeſtreift war, beim Holzfällen. Sein Körper<lb/>
leuchtete kupferroth vom Widerſchein der untergehenden Sonne. Doch<lb/>
nein; Moorfeld erkannte dieſe Röthe bald als die natürliche Hautfarbe<lb/>
des Mannes. Der Holzſchläger war ein Indianer.</p><lb/><p>Zum erſtenmal ſeit er Amerika's Boden betreten, hatte Moorfeld<lb/>
den Anblick der rothen Race. Der Indianer gehörte offenbar der Ci¬<lb/>
viliſation an. Sein Weſen unterſchied ſich in nichts von dem arbeit¬<lb/>
gewohnten Proletarier. Spuren kriegeriſcher Wildheit leuchteten nicht<lb/>
daraus vor. Seine Züge waren die eines alternden, ſorgenvollen<lb/>
Menſchen, ſeine ſchwarzen Augen lagen hohl und wenn ſie nicht eben<lb/>
mit „der Gedankens Bläſſe“ blickten, ſo war es doch ein — chriſt¬<lb/>
licher Leidensblick.</p><lb/><p>Moorfeld hielt ſein Thier an, und fragte nach der Lage der nächſten<lb/>
Farm. Der Indianer maß ihn mit argwöhniſchen Blicken, indem er<lb/>
für alle Fälle ſeine Axt an ſich faßte. Moorfeld durchſchaute die Lage<lb/>
des Mannes. Aus der kurzen Erfahrung ſeines Grundbeſitzes wußte<lb/>
er, daß der Beſitz ausgedehnter Waldſtrecken von den Nichtbeſitzenden<lb/>
kaum als ein Recht, ja faſt wie eine Verſündigung an dem Natur¬<lb/>
rechte betrachtet, und Jagd und Holzſchlag auf ſogenanntem fremden<lb/>
Boden dieſer Anſchauung gemäß überall ausgeübt wurde. Moorfeld<lb/>
war kein Gegner dieſer Rechtsbegriffe. In Amerika, wo das Holz<lb/>
mehr Laſt als Revenüe iſt, wo durch die Landſpeculation aufgekaufte<lb/>
Waldmaſſen überall herrenlos liegen und ſogar oft nicht anders als<lb/>
mit den Noten einer Schwindelbank bezahlt ſind: kann der größere<lb/>
Waldfrevel leicht beim Monopol des Beſitzers ſelbſt zu ſein ſcheinen.<lb/>
Deßungeachtet handhabten viele Beſitzer den Schutz ihrer Wälder un¬<lb/>
erbittlich, mehr mit dem Inſtinkte der Grauſamkeit als der Gerechtigkeit,<lb/>
und der Indianer fürchtete ſeinem ganzen Benehmen nach Verrath.</p><lb/><p>Moorfeld ſah daher ein, daß er zuerſt um das Vertrauen des rothen<lb/>
Mannes werben müſſe. Er bot dem Arbeitsmüden ſeine Feldflaſche an,<lb/>
überzeugt, den kürzeſten Weg zu ſeinem Zweck damit einzuſchlagen. Aber<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[403/0421]
Mattgold des wieſenflachen Vordergrundes einſchnitten, dachte Moor¬
feld zum zweitenmale an ſeine Einkehr. Indem er den Zirkel der
Gegend nach Spuren menſchlicher Nähe durchflog, tönten ihm aus dem
nahen Waldgrund Artſchläge entgegen. Moorfeld folgte ihnen. Er
fand einen Mann im Schurzfell und baumwollenen Hemde, welches
bis an den Gürtel eingeſtreift war, beim Holzfällen. Sein Körper
leuchtete kupferroth vom Widerſchein der untergehenden Sonne. Doch
nein; Moorfeld erkannte dieſe Röthe bald als die natürliche Hautfarbe
des Mannes. Der Holzſchläger war ein Indianer.
Zum erſtenmal ſeit er Amerika's Boden betreten, hatte Moorfeld
den Anblick der rothen Race. Der Indianer gehörte offenbar der Ci¬
viliſation an. Sein Weſen unterſchied ſich in nichts von dem arbeit¬
gewohnten Proletarier. Spuren kriegeriſcher Wildheit leuchteten nicht
daraus vor. Seine Züge waren die eines alternden, ſorgenvollen
Menſchen, ſeine ſchwarzen Augen lagen hohl und wenn ſie nicht eben
mit „der Gedankens Bläſſe“ blickten, ſo war es doch ein — chriſt¬
licher Leidensblick.
Moorfeld hielt ſein Thier an, und fragte nach der Lage der nächſten
Farm. Der Indianer maß ihn mit argwöhniſchen Blicken, indem er
für alle Fälle ſeine Axt an ſich faßte. Moorfeld durchſchaute die Lage
des Mannes. Aus der kurzen Erfahrung ſeines Grundbeſitzes wußte
er, daß der Beſitz ausgedehnter Waldſtrecken von den Nichtbeſitzenden
kaum als ein Recht, ja faſt wie eine Verſündigung an dem Natur¬
rechte betrachtet, und Jagd und Holzſchlag auf ſogenanntem fremden
Boden dieſer Anſchauung gemäß überall ausgeübt wurde. Moorfeld
war kein Gegner dieſer Rechtsbegriffe. In Amerika, wo das Holz
mehr Laſt als Revenüe iſt, wo durch die Landſpeculation aufgekaufte
Waldmaſſen überall herrenlos liegen und ſogar oft nicht anders als
mit den Noten einer Schwindelbank bezahlt ſind: kann der größere
Waldfrevel leicht beim Monopol des Beſitzers ſelbſt zu ſein ſcheinen.
Deßungeachtet handhabten viele Beſitzer den Schutz ihrer Wälder un¬
erbittlich, mehr mit dem Inſtinkte der Grauſamkeit als der Gerechtigkeit,
und der Indianer fürchtete ſeinem ganzen Benehmen nach Verrath.
Moorfeld ſah daher ein, daß er zuerſt um das Vertrauen des rothen
Mannes werben müſſe. Er bot dem Arbeitsmüden ſeine Feldflaſche an,
überzeugt, den kürzeſten Weg zu ſeinem Zweck damit einzuſchlagen. Aber
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 403. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/421>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.