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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855.

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umgehen wollen? Concurrenz! Wahrlich, das Wort darf uns nicht zu
profan sein, es ist auch hier das wahre Schlagwort der Sache.

Ich möchte sagen, der Amerikaner verhält sich zur Bibel, wie Don
Quixotte zu seinen Ritterbüchern -- sans comparaison! -- warf
Poll jovialisch hin.

Sehr richtig! sagt' ich mit lebhafter Zustimmung. Don Quixotte
fühlt sein eigenstes Wesen sich erklärt und enträthselt im Anschaun
seiner romantischen Vorbilder. So sind auch dem Amerikaner die bib¬
lischen Wunder ganz aus der Seele gesprochen. Geht er doch allent¬
halben darauf aus, die Natur zu überwinden, und wo wäre sie gründ¬
licher überwunden als im Wunder? Meine Herren, sehen wir genauer
hin, es herrscht die natürlichste Wahlverwandtschaft zwischen den neu¬
amerikanischen und altjüdischen Humbugern!

Sollte der künftige Islam dieses Welttheils nicht überhaupt Hum¬
bug
heißen? fragte der Doctor.

Wenigstens, antwortete ich, ist dieser Ausdruck der erschöpfendste
für den amerikanischen Nationalgeist; und um den Nationalgeist han¬
delt es sich ja in der neuen Religion, von ihm sind wir ja ausge¬
gangen. Das ist's, was die kleinen Secten-Humbuger reuissiren läßt:
daß sie diesen einen Nerv glücklich berühren. Es frägt sich dabei
gar nicht, wie überall, um die Authenticität ihrer Wunder; ihr Wunder
ist, die Eigenthümlichkeit des Volksgeistes zu errathen. Nicht die
Wahrheit ist glaubwürdig, sondern dasjenige Märchen, das den Mär¬
chengeschmack am besten erräth. Tritt nun nach diesen kleinen Hum¬
bugern ein Groß-Humbuger auf, der nicht einen, sondern alle Nerven
zugleich berührt, die ganze Klaviatur der Volksgefühle auf einmal
spielt, so ist die neue Religion fertig, die Secten münden in sie wie
die Nebenflüsse in den Mississippi. Sie haben das Wort "Islam", fuhr
ich fort, glücklich gebraucht. Der Islam ist eine Redaction der Bibel
und des Evangeliums in arabische Formen, gestützt auf die Ueber¬
lieferungen des Volks und die Persönlichkeit des Propheten. Das un¬
gefähr ist's, worauf es hier ankommt. Bibel und Evangelium werden
auch dem amerikanischen Mahumed die Grundlage liefern: wesentlich
wird aber immer die Umdichtung in amerikanische Formen, die Befrie¬
digung des colossalen amerikanischen Nationalpathos dabei sein. Und
in diesem Sinne werden wir die hiesige Zukunftsreligion ohne alle

umgehen wollen? Concurrenz! Wahrlich, das Wort darf uns nicht zu
profan ſein, es iſt auch hier das wahre Schlagwort der Sache.

Ich möchte ſagen, der Amerikaner verhält ſich zur Bibel, wie Don
Quixotte zu ſeinen Ritterbüchern — sans comparaison! — warf
Poll jovialiſch hin.

Sehr richtig! ſagt' ich mit lebhafter Zuſtimmung. Don Quixotte
fühlt ſein eigenſtes Weſen ſich erklärt und enträthſelt im Anſchaun
ſeiner romantiſchen Vorbilder. So ſind auch dem Amerikaner die bib¬
liſchen Wunder ganz aus der Seele geſprochen. Geht er doch allent¬
halben darauf aus, die Natur zu überwinden, und wo wäre ſie gründ¬
licher überwunden als im Wunder? Meine Herren, ſehen wir genauer
hin, es herrſcht die natürlichſte Wahlverwandtſchaft zwiſchen den neu¬
amerikaniſchen und altjüdiſchen Humbugern!

Sollte der künftige Islam dieſes Welttheils nicht überhaupt Hum¬
bug
heißen? fragte der Doctor.

Wenigſtens, antwortete ich, iſt dieſer Ausdruck der erſchöpfendſte
für den amerikaniſchen Nationalgeiſt; und um den Nationalgeiſt han¬
delt es ſich ja in der neuen Religion, von ihm ſind wir ja ausge¬
gangen. Das iſt's, was die kleinen Secten-Humbuger reuiſſiren läßt:
daß ſie dieſen einen Nerv glücklich berühren. Es frägt ſich dabei
gar nicht, wie überall, um die Authenticität ihrer Wunder; ihr Wunder
iſt, die Eigenthümlichkeit des Volksgeiſtes zu errathen. Nicht die
Wahrheit iſt glaubwürdig, ſondern dasjenige Märchen, das den Mär¬
chengeſchmack am beſten erräth. Tritt nun nach dieſen kleinen Hum¬
bugern ein Groß-Humbuger auf, der nicht einen, ſondern alle Nerven
zugleich berührt, die ganze Klaviatur der Volksgefühle auf einmal
ſpielt, ſo iſt die neue Religion fertig, die Secten münden in ſie wie
die Nebenflüſſe in den Miſſiſſippi. Sie haben das Wort „Islam“, fuhr
ich fort, glücklich gebraucht. Der Islam iſt eine Redaction der Bibel
und des Evangeliums in arabiſche Formen, geſtützt auf die Ueber¬
lieferungen des Volks und die Perſönlichkeit des Propheten. Das un¬
gefähr iſt's, worauf es hier ankommt. Bibel und Evangelium werden
auch dem amerikaniſchen Mahumed die Grundlage liefern: weſentlich
wird aber immer die Umdichtung in amerikaniſche Formen, die Befrie¬
digung des coloſſalen amerikaniſchen Nationalpathos dabei ſein. Und
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[392/0410] umgehen wollen? Concurrenz! Wahrlich, das Wort darf uns nicht zu profan ſein, es iſt auch hier das wahre Schlagwort der Sache. Ich möchte ſagen, der Amerikaner verhält ſich zur Bibel, wie Don Quixotte zu ſeinen Ritterbüchern — sans comparaison! — warf Poll jovialiſch hin. Sehr richtig! ſagt' ich mit lebhafter Zuſtimmung. Don Quixotte fühlt ſein eigenſtes Weſen ſich erklärt und enträthſelt im Anſchaun ſeiner romantiſchen Vorbilder. So ſind auch dem Amerikaner die bib¬ liſchen Wunder ganz aus der Seele geſprochen. Geht er doch allent¬ halben darauf aus, die Natur zu überwinden, und wo wäre ſie gründ¬ licher überwunden als im Wunder? Meine Herren, ſehen wir genauer hin, es herrſcht die natürlichſte Wahlverwandtſchaft zwiſchen den neu¬ amerikaniſchen und altjüdiſchen Humbugern! Sollte der künftige Islam dieſes Welttheils nicht überhaupt Hum¬ bug heißen? fragte der Doctor. Wenigſtens, antwortete ich, iſt dieſer Ausdruck der erſchöpfendſte für den amerikaniſchen Nationalgeiſt; und um den Nationalgeiſt han¬ delt es ſich ja in der neuen Religion, von ihm ſind wir ja ausge¬ gangen. Das iſt's, was die kleinen Secten-Humbuger reuiſſiren läßt: daß ſie dieſen einen Nerv glücklich berühren. Es frägt ſich dabei gar nicht, wie überall, um die Authenticität ihrer Wunder; ihr Wunder iſt, die Eigenthümlichkeit des Volksgeiſtes zu errathen. Nicht die Wahrheit iſt glaubwürdig, ſondern dasjenige Märchen, das den Mär¬ chengeſchmack am beſten erräth. Tritt nun nach dieſen kleinen Hum¬ bugern ein Groß-Humbuger auf, der nicht einen, ſondern alle Nerven zugleich berührt, die ganze Klaviatur der Volksgefühle auf einmal ſpielt, ſo iſt die neue Religion fertig, die Secten münden in ſie wie die Nebenflüſſe in den Miſſiſſippi. Sie haben das Wort „Islam“, fuhr ich fort, glücklich gebraucht. Der Islam iſt eine Redaction der Bibel und des Evangeliums in arabiſche Formen, geſtützt auf die Ueber¬ lieferungen des Volks und die Perſönlichkeit des Propheten. Das un¬ gefähr iſt's, worauf es hier ankommt. Bibel und Evangelium werden auch dem amerikaniſchen Mahumed die Grundlage liefern: weſentlich wird aber immer die Umdichtung in amerikaniſche Formen, die Befrie¬ digung des coloſſalen amerikaniſchen Nationalpathos dabei ſein. Und in dieſem Sinne werden wir die hieſige Zukunftsreligion ohne alle

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Zitationshilfe: Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 392. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/410>, abgerufen am 24.11.2024.