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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855.

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Wer einen Theil seiner Tageszeit zum Werthe eines Groschen ver¬
schwendet (und das mögen nur ein paar Minuten sein) verliert auch,
einen Tag in den andern gerechnet, das Vorrecht, hundert Pfund jähr¬
lich zu gebrauchen. Wie viel also, nur durch diese Verschwendung
weniger Minuten des Tags, an Geld verloren geht, wenn ein junger
Mann ein höheres Alter erreicht, -- das zu betrachten laß dir auf's
ernstlichste angelegen sein. Es ist in der That ein größerer Reichthum,
als den ein Phantast im Lotto zu gewinnen, oder ein Schatzgräber
aus der Erde zu heben hofft."

Der Mann nimmt das Leben ein wenig peinlich, bemerkte Dr. Moor¬
feld, den dieses Bruchstück amerikanischer Disciplin offenbar minder
ansprach, als das erste.

Mein Herr, es ist Benjamin Franklin, der so schreibt, antwortete
Mr. Mockingbird ohne alle Erörterung.

Der Doctor hatte indeß noch Genugthuung wegen des Ausfalls
auf die deutsche Metaphysik zu nehmen, dessen eigentliche Zielscheibe er
freilich nicht kannte. Er war daher nicht geneigt, dem Manne, der
ihm das Gastrecht zuerst verletzt zu haben schien, die Parthie allzu
aufopfernd zu überlassen. Und indem er nach Hut und Stock griff,
verabschiedete er sich jetzt, zwar unter den Formen eines Gentlemans,
in Bezug auf die Antwort des Mr. Mockingbird aber erwiderte er
dieses: Ich bin Ihnen sehr verbunden, mein Herr, daß Sie mir den
geschätzten Namen eines Benjamin Franklin nennen. Der Mann hat
jedenfalls in der Wissenschaft noch mehr als in der Bank hinterlassen,
und durch sein eigenes Leben ein höheres Ideal aufgestellt, als wel¬
ches in jener Schrift dem menschlichen Trachten zugemuthet wird.
Diese Ausmünzung der menschlichen Existenz in Schillinge und Pfunde
gewinnt erst durch die Erfindung des Blitzableiters den Anspruch auf
unsre Verzeihung. Ohne sie würden wir die Doctrine eines Mannes
vor uns haben, der sich so weit vergessen hätte, unsre Bestimmung
dahin zu definiren: Aus dem Rinde macht man Talg, aus dem Men¬
schen Geld. Mag sein, daß ein unfertiges Volk eine Zeitlang auf
diesen Standpunkt sich herabstellen muß, ein fertiges aber sagt: Geist
macht man aus dem Menschen, nicht Geld!

Der Hilfslehrer des Mr. Mockingbird, der bisher ohne aufzublicken
sich an seine Linirmaschine gehalten, legte sein Handzeug jetzt hin,

Wer einen Theil ſeiner Tageszeit zum Werthe eines Groſchen ver¬
ſchwendet (und das mögen nur ein paar Minuten ſein) verliert auch,
einen Tag in den andern gerechnet, das Vorrecht, hundert Pfund jähr¬
lich zu gebrauchen. Wie viel alſo, nur durch dieſe Verſchwendung
weniger Minuten des Tags, an Geld verloren geht, wenn ein junger
Mann ein höheres Alter erreicht, — das zu betrachten laß dir auf's
ernſtlichſte angelegen ſein. Es iſt in der That ein größerer Reichthum,
als den ein Phantaſt im Lotto zu gewinnen, oder ein Schatzgräber
aus der Erde zu heben hofft.“

Der Mann nimmt das Leben ein wenig peinlich, bemerkte Dr. Moor¬
feld, den dieſes Bruchſtück amerikaniſcher Disciplin offenbar minder
anſprach, als das erſte.

Mein Herr, es iſt Benjamin Franklin, der ſo ſchreibt, antwortete
Mr. Mockingbird ohne alle Erörterung.

Der Doctor hatte indeß noch Genugthuung wegen des Ausfalls
auf die deutſche Metaphyſik zu nehmen, deſſen eigentliche Zielſcheibe er
freilich nicht kannte. Er war daher nicht geneigt, dem Manne, der
ihm das Gaſtrecht zuerſt verletzt zu haben ſchien, die Parthie allzu
aufopfernd zu überlaſſen. Und indem er nach Hut und Stock griff,
verabſchiedete er ſich jetzt, zwar unter den Formen eines Gentlemans,
in Bezug auf die Antwort des Mr. Mockingbird aber erwiderte er
dieſes: Ich bin Ihnen ſehr verbunden, mein Herr, daß Sie mir den
geſchätzten Namen eines Benjamin Franklin nennen. Der Mann hat
jedenfalls in der Wiſſenſchaft noch mehr als in der Bank hinterlaſſen,
und durch ſein eigenes Leben ein höheres Ideal aufgeſtellt, als wel¬
ches in jener Schrift dem menſchlichen Trachten zugemuthet wird.
Dieſe Ausmünzung der menſchlichen Exiſtenz in Schillinge und Pfunde
gewinnt erſt durch die Erfindung des Blitzableiters den Anſpruch auf
unſre Verzeihung. Ohne ſie würden wir die Doctrine eines Mannes
vor uns haben, der ſich ſo weit vergeſſen hätte, unſre Beſtimmung
dahin zu definiren: Aus dem Rinde macht man Talg, aus dem Men¬
ſchen Geld. Mag ſein, daß ein unfertiges Volk eine Zeitlang auf
dieſen Standpunkt ſich herabſtellen muß, ein fertiges aber ſagt: Geiſt
macht man aus dem Menſchen, nicht Geld!

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ſich an ſeine Linirmaſchine gehalten, legte ſein Handzeug jetzt hin,

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[21/0039] Wer einen Theil ſeiner Tageszeit zum Werthe eines Groſchen ver¬ ſchwendet (und das mögen nur ein paar Minuten ſein) verliert auch, einen Tag in den andern gerechnet, das Vorrecht, hundert Pfund jähr¬ lich zu gebrauchen. Wie viel alſo, nur durch dieſe Verſchwendung weniger Minuten des Tags, an Geld verloren geht, wenn ein junger Mann ein höheres Alter erreicht, — das zu betrachten laß dir auf's ernſtlichſte angelegen ſein. Es iſt in der That ein größerer Reichthum, als den ein Phantaſt im Lotto zu gewinnen, oder ein Schatzgräber aus der Erde zu heben hofft.“ Der Mann nimmt das Leben ein wenig peinlich, bemerkte Dr. Moor¬ feld, den dieſes Bruchſtück amerikaniſcher Disciplin offenbar minder anſprach, als das erſte. Mein Herr, es iſt Benjamin Franklin, der ſo ſchreibt, antwortete Mr. Mockingbird ohne alle Erörterung. Der Doctor hatte indeß noch Genugthuung wegen des Ausfalls auf die deutſche Metaphyſik zu nehmen, deſſen eigentliche Zielſcheibe er freilich nicht kannte. Er war daher nicht geneigt, dem Manne, der ihm das Gaſtrecht zuerſt verletzt zu haben ſchien, die Parthie allzu aufopfernd zu überlaſſen. Und indem er nach Hut und Stock griff, verabſchiedete er ſich jetzt, zwar unter den Formen eines Gentlemans, in Bezug auf die Antwort des Mr. Mockingbird aber erwiderte er dieſes: Ich bin Ihnen ſehr verbunden, mein Herr, daß Sie mir den geſchätzten Namen eines Benjamin Franklin nennen. Der Mann hat jedenfalls in der Wiſſenſchaft noch mehr als in der Bank hinterlaſſen, und durch ſein eigenes Leben ein höheres Ideal aufgeſtellt, als wel¬ ches in jener Schrift dem menſchlichen Trachten zugemuthet wird. Dieſe Ausmünzung der menſchlichen Exiſtenz in Schillinge und Pfunde gewinnt erſt durch die Erfindung des Blitzableiters den Anſpruch auf unſre Verzeihung. Ohne ſie würden wir die Doctrine eines Mannes vor uns haben, der ſich ſo weit vergeſſen hätte, unſre Beſtimmung dahin zu definiren: Aus dem Rinde macht man Talg, aus dem Men¬ ſchen Geld. Mag ſein, daß ein unfertiges Volk eine Zeitlang auf dieſen Standpunkt ſich herabſtellen muß, ein fertiges aber ſagt: Geiſt macht man aus dem Menſchen, nicht Geld! Der Hilfslehrer des Mr. Mockingbird, der bisher ohne aufzublicken ſich an ſeine Linirmaſchine gehalten, legte ſein Handzeug jetzt hin,

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Zitationshilfe: Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/39>, abgerufen am 21.11.2024.