Sie hinzu! fiel mir der Doctor sogleich bei; -- Sie wissen, daß der Handel mit Medicamenten nach amerikanischem, leider auch englischem Rechte frei ist. Was nun die Aerzte übrig lassen, vergiften die Apo¬ theker vollends. Von pharmaceutischen Studien ist bei den sogenann¬ ten Apothekern nirgends die Rede; sie sind einfach Materialisten und Droguisten. Wie diese Menschen, -- entlaufene Schuljungen, verdor¬ bene Schneider etc. -- ein ärztliches Recept maltraitiren, darüber könnte ich unglaubliche Details niederschreiben. Bei mir zu Gadshill begegnete es einmal -- als ich den jungen Poll noch nicht hatte -- daß mir so ein Droguistenschwengel willkürlich einen versus strich und mit einem andern ersetzte. Das hat Mr. Althof wohl nicht recht verstanden, sagte er weise lächelnd dazu und schüttelte sein gekräuseltes Haupt zwischen dem feinen Hemdkrägelchen. Als mir die Geschichte wieder zugebracht wurde, eilte ich nach dem Laden, ohrfeigte das Bürschchen ein Dutzendmal auf und ab, zog ein paar geladene Pistolen und sagte, wenn er noch besser bedient sein wolle, so möge er vor's Haus kommen. Das wirkte. Ich habe in meinen ersten fünf Monaten drei Aerzte im Duell erschossen, das heißt Humbuger, die sich für Aerzte ausgaben und meinem An¬ sehen zu nahe traten.
Mit Weibern sich vertragen, Mit Männern 'rum sich schlagen --
nirgend gilt's mehr als hier. Den Ladies hofiren wie Prinzessinnen, die Männer niederschießen wie Hunde: das setzt fest in Amerika, das macht Dollars! --
Unter solchen Gesprächen kehrten wir immer wieder zum bal champetre zurück, der sich jetzt, bei Fackelbeleuchtung, besonders effect¬ voll machte. Freund Poll genoß sein junges Leben mit einer heißen, schwarzäugigen Irländerin, die dem hübschen Burschen gewaltig zusetzte und wohl auch stärker armirte Festungen mit Erfolg blockirt hätte. Aller Appetit verschwand aber, als ich das Mädchen wahre Schiffsla¬ dungen von Brandy trinken sah, womit sie ihr Tänzer tractirte. Das deutsche Settchen hatte dieselben Quantitäten doch nur in Obstmost ver¬ tilgt. So lernte ich nachträglich erst noch ihre Modestie schätzen. Auch machte mich Doctor Althof aufmerksam -- ich htte ihm das Ver¬ schwinden ihrer nationalen Erinnerungen geklagt -- daß die Mädchen
Sie hinzu! fiel mir der Doctor ſogleich bei; — Sie wiſſen, daß der Handel mit Medicamenten nach amerikaniſchem, leider auch engliſchem Rechte frei iſt. Was nun die Aerzte übrig laſſen, vergiften die Apo¬ theker vollends. Von pharmaceutiſchen Studien iſt bei den ſogenann¬ ten Apothekern nirgends die Rede; ſie ſind einfach Materialiſten und Droguiſten. Wie dieſe Menſchen, — entlaufene Schuljungen, verdor¬ bene Schneider ꝛc. — ein ärztliches Recept maltraitiren, darüber könnte ich unglaubliche Details niederſchreiben. Bei mir zu Gadshill begegnete es einmal — als ich den jungen Poll noch nicht hatte — daß mir ſo ein Droguiſtenſchwengel willkürlich einen versus ſtrich und mit einem andern erſetzte. Das hat Mr. Althof wohl nicht recht verſtanden, ſagte er weiſe lächelnd dazu und ſchüttelte ſein gekräuſeltes Haupt zwiſchen dem feinen Hemdkrägelchen. Als mir die Geſchichte wieder zugebracht wurde, eilte ich nach dem Laden, ohrfeigte das Bürſchchen ein Dutzendmal auf und ab, zog ein paar geladene Piſtolen und ſagte, wenn er noch beſſer bedient ſein wolle, ſo möge er vor's Haus kommen. Das wirkte. Ich habe in meinen erſten fünf Monaten drei Aerzte im Duell erſchoſſen, das heißt Humbuger, die ſich für Aerzte ausgaben und meinem An¬ ſehen zu nahe traten.
Mit Weibern ſich vertragen, Mit Männern 'rum ſich ſchlagen —
nirgend gilt's mehr als hier. Den Ladies hofiren wie Prinzeſſinnen, die Männer niederſchießen wie Hunde: das ſetzt feſt in Amerika, das macht Dollars! —
Unter ſolchen Geſprächen kehrten wir immer wieder zum bal champêtre zurück, der ſich jetzt, bei Fackelbeleuchtung, beſonders effect¬ voll machte. Freund Poll genoß ſein junges Leben mit einer heißen, ſchwarzäugigen Irländerin, die dem hübſchen Burſchen gewaltig zuſetzte und wohl auch ſtärker armirte Feſtungen mit Erfolg blockirt hätte. Aller Appetit verſchwand aber, als ich das Mädchen wahre Schiffsla¬ dungen von Brandy trinken ſah, womit ſie ihr Tänzer tractirte. Das deutſche Settchen hatte dieſelben Quantitäten doch nur in Obſtmoſt ver¬ tilgt. So lernte ich nachträglich erſt noch ihre Modeſtie ſchätzen. Auch machte mich Doctor Althof aufmerkſam — ich htte ihm das Ver¬ ſchwinden ihrer nationalen Erinnerungen geklagt — daß die Mädchen
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[364/0382]
Sie hinzu! fiel mir der Doctor ſogleich bei; — Sie wiſſen, daß der
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Rechte frei iſt. Was nun die Aerzte übrig laſſen, vergiften die Apo¬
theker vollends. Von pharmaceutiſchen Studien iſt bei den ſogenann¬
ten Apothekern nirgends die Rede; ſie ſind einfach Materialiſten und
Droguiſten. Wie dieſe Menſchen, — entlaufene Schuljungen, verdor¬
bene Schneider ꝛc. — ein ärztliches Recept maltraitiren, darüber könnte
ich unglaubliche Details niederſchreiben. Bei mir zu Gadshill begegnete
es einmal — als ich den jungen Poll noch nicht hatte — daß mir
ſo ein Droguiſtenſchwengel willkürlich einen versus ſtrich und mit einem
andern erſetzte. Das hat Mr. Althof wohl nicht recht verſtanden, ſagte
er weiſe lächelnd dazu und ſchüttelte ſein gekräuſeltes Haupt zwiſchen dem
feinen Hemdkrägelchen. Als mir die Geſchichte wieder zugebracht wurde,
eilte ich nach dem Laden, ohrfeigte das Bürſchchen ein Dutzendmal auf
und ab, zog ein paar geladene Piſtolen und ſagte, wenn er noch beſſer
bedient ſein wolle, ſo möge er vor's Haus kommen. Das wirkte. Ich
habe in meinen erſten fünf Monaten drei Aerzte im Duell erſchoſſen,
das heißt Humbuger, die ſich für Aerzte ausgaben und meinem An¬
ſehen zu nahe traten.
Mit Weibern ſich vertragen,
Mit Männern 'rum ſich ſchlagen —
nirgend gilt's mehr als hier. Den Ladies hofiren wie Prinzeſſinnen,
die Männer niederſchießen wie Hunde: das ſetzt feſt in Amerika,
das macht Dollars! —
Unter ſolchen Geſprächen kehrten wir immer wieder zum bal
champêtre zurück, der ſich jetzt, bei Fackelbeleuchtung, beſonders effect¬
voll machte. Freund Poll genoß ſein junges Leben mit einer heißen,
ſchwarzäugigen Irländerin, die dem hübſchen Burſchen gewaltig zuſetzte
und wohl auch ſtärker armirte Feſtungen mit Erfolg blockirt hätte.
Aller Appetit verſchwand aber, als ich das Mädchen wahre Schiffsla¬
dungen von Brandy trinken ſah, womit ſie ihr Tänzer tractirte. Das
deutſche Settchen hatte dieſelben Quantitäten doch nur in Obſtmoſt ver¬
tilgt. So lernte ich nachträglich erſt noch ihre Modeſtie ſchätzen. Auch
machte mich Doctor Althof aufmerkſam — ich htte ihm das Ver¬
ſchwinden ihrer nationalen Erinnerungen geklagt — daß die Mädchen
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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/382>, abgerufen am 24.11.2024.
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