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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855.

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Advocaten zum Schwager und einen Pfaffen zum Vetter, so fliegt er
auf, wie ein Luftballon. Es ist merkwürdig, was sich so ein Flötz
Ehren und Würden zu begehren traut. Dann prahlen sie aber noch
in den Zeitungen: Wieder hat es Einer unsrer Mitbürger zum Gou¬
verneur eines Staates gebracht, der früher ein Grobschmied oder ein
Schweinmetzger war, das ist die Herrlichkeit eines freien Landes! Ach,
geht mir fort. Ich wollte, wir hätten Gewerbfreiheit in Deutschland,
keinen Nagelschnitzel gäb' ich für eure Herrlichkeiten!

Moorfeld hörte diese Rede mit Staunen an. Sein Blick fiel zum
zweitenmale, aber mit einem ganz andern Ausdruck auf den armen
Tischler. Er erfuhr hier von Neuem, wie fähig der Deutsche sei, ob¬
jective Verhältnisse groß und richtig zu beurtheilen, und wie wenig
Mangel an Weltklugheit in seinen persönlichen Angelegenheiten einen
Schluß auf sein übriges Denkvermögen zulasse. Eh er die Farm
verließ bat er den Tischler, er möge es ihm wissen lassen, wenn der
Eigenthümer des Farm ihm etwa einen längeren Dienstcontract an¬
bieten wolle. Der Tischler sagte es unter frohen Ahnungen zu.

Nach diesem Besuche lenkte das Paar wieder dem Heimwege zu,
-- Moorfeld fragte im Vorbeigehen: Wer kommt morgen dran?

Wären wir gemeldet, antwortete Anhorst, so könnten wir noch
heute hinüber reiten; von hier sind's nur fünf Meilen, und vom Hause
weg fünfzehn. Aber, es wird Abend, wir kämen direct zum Thee,
und sind nicht gemeldet.

Moorfeld blickte groß. Thee? gemeldet? Mich dünkt, wir sind
im Hinterwalde.

Wir, aber Lady Brubaker nicht, oder vielmehr Lady Morgan,
wie sie sich nach der hiesigen Gewohnheit, europäische Namengrößen
zu adoptiren, nennt.

Diese Lady Morgan ist wohl eine betrübte Wittwe?

Doch nicht, Herr Doctor, sie ist die Frau eines deutschen Narren,
Michael Braubacher, der sich aber yankeesirt hat und nun Brubaker
pronocirt wird. Ein trauriges Hauswesen! und aufrichtig gesagt, ich
selbst ließ' es links liegen; es regt sich die Galle, nur dran zu denken!
Der Mann hat bei einem Bankrott ihrer Familie in Newyork sein
Vermögen eingebüßt, die Humbuger von Schwäger und Schwiegervater
treiben sich nun in aller Welt herum, während er selbst noch immer

Advocaten zum Schwager und einen Pfaffen zum Vetter, ſo fliegt er
auf, wie ein Luftballon. Es iſt merkwürdig, was ſich ſo ein Flötz
Ehren und Würden zu begehren traut. Dann prahlen ſie aber noch
in den Zeitungen: Wieder hat es Einer unſrer Mitbürger zum Gou¬
verneur eines Staates gebracht, der früher ein Grobſchmied oder ein
Schweinmetzger war, das iſt die Herrlichkeit eines freien Landes! Ach,
geht mir fort. Ich wollte, wir hätten Gewerbfreiheit in Deutſchland,
keinen Nagelſchnitzel gäb' ich für eure Herrlichkeiten!

Moorfeld hörte dieſe Rede mit Staunen an. Sein Blick fiel zum
zweitenmale, aber mit einem ganz andern Ausdruck auf den armen
Tiſchler. Er erfuhr hier von Neuem, wie fähig der Deutſche ſei, ob¬
jective Verhältniſſe groß und richtig zu beurtheilen, und wie wenig
Mangel an Weltklugheit in ſeinen perſönlichen Angelegenheiten einen
Schluß auf ſein übriges Denkvermögen zulaſſe. Eh er die Farm
verließ bat er den Tiſchler, er möge es ihm wiſſen laſſen, wenn der
Eigenthümer des Farm ihm etwa einen längeren Dienſtcontract an¬
bieten wolle. Der Tiſchler ſagte es unter frohen Ahnungen zu.

Nach dieſem Beſuche lenkte das Paar wieder dem Heimwege zu,
— Moorfeld fragte im Vorbeigehen: Wer kommt morgen dran?

Wären wir gemeldet, antwortete Anhorſt, ſo könnten wir noch
heute hinüber reiten; von hier ſind's nur fünf Meilen, und vom Hauſe
weg fünfzehn. Aber, es wird Abend, wir kämen direct zum Thee,
und ſind nicht gemeldet.

Moorfeld blickte groß. Thee? gemeldet? Mich dünkt, wir ſind
im Hinterwalde.

Wir, aber Lady Brubaker nicht, oder vielmehr Lady Morgan,
wie ſie ſich nach der hieſigen Gewohnheit, europäiſche Namengrößen
zu adoptiren, nennt.

Dieſe Lady Morgan iſt wohl eine betrübte Wittwe?

Doch nicht, Herr Doctor, ſie iſt die Frau eines deutſchen Narren,
Michael Braubacher, der ſich aber yankeeſirt hat und nun Brubaker
pronocirt wird. Ein trauriges Hausweſen! und aufrichtig geſagt, ich
ſelbſt ließ' es links liegen; es regt ſich die Galle, nur dran zu denken!
Der Mann hat bei einem Bankrott ihrer Familie in Newyork ſein
Vermögen eingebüßt, die Humbuger von Schwäger und Schwiegervater
treiben ſich nun in aller Welt herum, während er ſelbſt noch immer

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[340/0358] Advocaten zum Schwager und einen Pfaffen zum Vetter, ſo fliegt er auf, wie ein Luftballon. Es iſt merkwürdig, was ſich ſo ein Flötz Ehren und Würden zu begehren traut. Dann prahlen ſie aber noch in den Zeitungen: Wieder hat es Einer unſrer Mitbürger zum Gou¬ verneur eines Staates gebracht, der früher ein Grobſchmied oder ein Schweinmetzger war, das iſt die Herrlichkeit eines freien Landes! Ach, geht mir fort. Ich wollte, wir hätten Gewerbfreiheit in Deutſchland, keinen Nagelſchnitzel gäb' ich für eure Herrlichkeiten! Moorfeld hörte dieſe Rede mit Staunen an. Sein Blick fiel zum zweitenmale, aber mit einem ganz andern Ausdruck auf den armen Tiſchler. Er erfuhr hier von Neuem, wie fähig der Deutſche ſei, ob¬ jective Verhältniſſe groß und richtig zu beurtheilen, und wie wenig Mangel an Weltklugheit in ſeinen perſönlichen Angelegenheiten einen Schluß auf ſein übriges Denkvermögen zulaſſe. Eh er die Farm verließ bat er den Tiſchler, er möge es ihm wiſſen laſſen, wenn der Eigenthümer des Farm ihm etwa einen längeren Dienſtcontract an¬ bieten wolle. Der Tiſchler ſagte es unter frohen Ahnungen zu. Nach dieſem Beſuche lenkte das Paar wieder dem Heimwege zu, — Moorfeld fragte im Vorbeigehen: Wer kommt morgen dran? Wären wir gemeldet, antwortete Anhorſt, ſo könnten wir noch heute hinüber reiten; von hier ſind's nur fünf Meilen, und vom Hauſe weg fünfzehn. Aber, es wird Abend, wir kämen direct zum Thee, und ſind nicht gemeldet. Moorfeld blickte groß. Thee? gemeldet? Mich dünkt, wir ſind im Hinterwalde. Wir, aber Lady Brubaker nicht, oder vielmehr Lady Morgan, wie ſie ſich nach der hieſigen Gewohnheit, europäiſche Namengrößen zu adoptiren, nennt. Dieſe Lady Morgan iſt wohl eine betrübte Wittwe? Doch nicht, Herr Doctor, ſie iſt die Frau eines deutſchen Narren, Michael Braubacher, der ſich aber yankeeſirt hat und nun Brubaker pronocirt wird. Ein trauriges Hausweſen! und aufrichtig geſagt, ich ſelbſt ließ' es links liegen; es regt ſich die Galle, nur dran zu denken! Der Mann hat bei einem Bankrott ihrer Familie in Newyork ſein Vermögen eingebüßt, die Humbuger von Schwäger und Schwiegervater treiben ſich nun in aller Welt herum, während er ſelbſt noch immer

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Zitationshilfe: Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/358>, abgerufen am 23.11.2024.