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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855.

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Fällen der mangelnden Bezahlung für die Ueberfahrt gebräuchlich ist.
Mein Vater erstand den Mann, Martin oder Merten wie er sich aus¬
sprach, Mr. Howth, ein Nachbar von uns, die Frau mit dem Mäd¬
chen; die Knaben wurden an einen dritten Ort vergantet. So ging
die Familie in drei Bruchstücke aus einander, sie zeigte übrigens keinerlei
Leidwesen darüber, namentlich der Mann nicht. -- Als mein Vater den
deutschen Mann auf seinem Wagen mit nach Hause nahm (ich war als
junges Kind mit dabei, erinnere mich aber sehr wohl daran), da huckte
dieser einen gewaltigen Bündel von Lumpen auf seinen Rücken
auf, ein Ding, das einen entsetzlichen Gestank verbreitete. Mein Vater
befahl ihm sofort das Zeug an sein Weib zu überlassen, oder noch
besser, es in den Delaware zu werfen. Der Mann bat aber so dringend,
so unterthänig, seine Habe, wie er den Schmutz nannte, behalten zu
dürfen, daß es ihm endlich erlaubt wurde, aber unter der Bedingung,
hinten beim Neger damit Platz zu nehmen. Kein Weißer des hiesigen
Volks hätte sich das gefallen lassen, der Deutsche aber nahm es hoch¬
erfreut an.

Als wir zu Hause ankamen, wies ihm mein Vater eine unsrer
verlassenen Negerhütten an, wie sie aus der Sclavenzeit Pennsyl¬
vaniens noch auf den Höfen standen, seitdem aber unbewohnt und
unbenutzt geblieben waren. In dieser verlassenen Hütte nun de¬
ponirte Martin jenen schmutzigen Bündel, und bald diente dasselbe
statt eines Vorhängschlosses, denn Gestank und Ekel trieb auf zwanzig
Schritte Distanz jeden Menschen aus dem Umkreis; zum Hineintreten
war außer Martin selbst Einer der Unsrigen nie zu bewegen. In¬
zwischen vermehrte der Deutsche diesen Schatz noch täglich mit allen
Lumpen, die er habhaft werden konnte; zerfetzte Kleider, abgelegte
Hosen, vernutzte Strümpfe, das Alles sammelte er wie toll zusammen
und hinterlegte es in seiner Depositenbank. Sonst waren wir mit
dem Manne ganz gut zufrieden, er arbeitete fleißig und umsichtig,
verstand die Landwirthschaft vortrefflich und wo sie vom deutschen Style
abwich, zeigte er sich ganz besonders aufmerksam, die Ursache davon
zu begreifen und zu lernen was zu lernen war. Dabei erlaubten ihm
seine Begriffe von häuslicher Oekonomie kein einziges Mal, sich vom
Hause zu entfernen, obwohl ihm mein Vater wiederholt die Freiheit
einräumte, sein Weib zu besuchen. Wozu die Schuhe zerreißen? war

D. B. VIII. Der Amerika-Müde. 19

Fällen der mangelnden Bezahlung für die Ueberfahrt gebräuchlich iſt.
Mein Vater erſtand den Mann, Martin oder Merten wie er ſich aus¬
ſprach, Mr. Howth, ein Nachbar von uns, die Frau mit dem Mäd¬
chen; die Knaben wurden an einen dritten Ort vergantet. So ging
die Familie in drei Bruchſtücke aus einander, ſie zeigte übrigens keinerlei
Leidweſen darüber, namentlich der Mann nicht. — Als mein Vater den
deutſchen Mann auf ſeinem Wagen mit nach Hauſe nahm (ich war als
junges Kind mit dabei, erinnere mich aber ſehr wohl daran), da huckte
dieſer einen gewaltigen Bündel von Lumpen auf ſeinen Rücken
auf, ein Ding, das einen entſetzlichen Geſtank verbreitete. Mein Vater
befahl ihm ſofort das Zeug an ſein Weib zu überlaſſen, oder noch
beſſer, es in den Delaware zu werfen. Der Mann bat aber ſo dringend,
ſo unterthänig, ſeine Habe, wie er den Schmutz nannte, behalten zu
dürfen, daß es ihm endlich erlaubt wurde, aber unter der Bedingung,
hinten beim Neger damit Platz zu nehmen. Kein Weißer des hieſigen
Volks hätte ſich das gefallen laſſen, der Deutſche aber nahm es hoch¬
erfreut an.

Als wir zu Hauſe ankamen, wies ihm mein Vater eine unſrer
verlaſſenen Negerhütten an, wie ſie aus der Sclavenzeit Pennſyl¬
vaniens noch auf den Höfen ſtanden, ſeitdem aber unbewohnt und
unbenutzt geblieben waren. In dieſer verlaſſenen Hütte nun de¬
ponirte Martin jenen ſchmutzigen Bündel, und bald diente dasſelbe
ſtatt eines Vorhängſchloſſes, denn Geſtank und Ekel trieb auf zwanzig
Schritte Diſtanz jeden Menſchen aus dem Umkreis; zum Hineintreten
war außer Martin ſelbſt Einer der Unſrigen nie zu bewegen. In¬
zwiſchen vermehrte der Deutſche dieſen Schatz noch täglich mit allen
Lumpen, die er habhaft werden konnte; zerfetzte Kleider, abgelegte
Hoſen, vernutzte Strümpfe, das Alles ſammelte er wie toll zuſammen
und hinterlegte es in ſeiner Depoſitenbank. Sonſt waren wir mit
dem Manne ganz gut zufrieden, er arbeitete fleißig und umſichtig,
verſtand die Landwirthſchaft vortrefflich und wo ſie vom deutſchen Style
abwich, zeigte er ſich ganz beſonders aufmerkſam, die Urſache davon
zu begreifen und zu lernen was zu lernen war. Dabei erlaubten ihm
ſeine Begriffe von häuslicher Oekonomie kein einziges Mal, ſich vom
Hauſe zu entfernen, obwohl ihm mein Vater wiederholt die Freiheit
einräumte, ſein Weib zu beſuchen. Wozu die Schuhe zerreißen? war

D. B. VIII. Der Amerika-Müde. 19
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[289/0307] Fällen der mangelnden Bezahlung für die Ueberfahrt gebräuchlich iſt. Mein Vater erſtand den Mann, Martin oder Merten wie er ſich aus¬ ſprach, Mr. Howth, ein Nachbar von uns, die Frau mit dem Mäd¬ chen; die Knaben wurden an einen dritten Ort vergantet. So ging die Familie in drei Bruchſtücke aus einander, ſie zeigte übrigens keinerlei Leidweſen darüber, namentlich der Mann nicht. — Als mein Vater den deutſchen Mann auf ſeinem Wagen mit nach Hauſe nahm (ich war als junges Kind mit dabei, erinnere mich aber ſehr wohl daran), da huckte dieſer einen gewaltigen Bündel von Lumpen auf ſeinen Rücken auf, ein Ding, das einen entſetzlichen Geſtank verbreitete. Mein Vater befahl ihm ſofort das Zeug an ſein Weib zu überlaſſen, oder noch beſſer, es in den Delaware zu werfen. Der Mann bat aber ſo dringend, ſo unterthänig, ſeine Habe, wie er den Schmutz nannte, behalten zu dürfen, daß es ihm endlich erlaubt wurde, aber unter der Bedingung, hinten beim Neger damit Platz zu nehmen. Kein Weißer des hieſigen Volks hätte ſich das gefallen laſſen, der Deutſche aber nahm es hoch¬ erfreut an. Als wir zu Hauſe ankamen, wies ihm mein Vater eine unſrer verlaſſenen Negerhütten an, wie ſie aus der Sclavenzeit Pennſyl¬ vaniens noch auf den Höfen ſtanden, ſeitdem aber unbewohnt und unbenutzt geblieben waren. In dieſer verlaſſenen Hütte nun de¬ ponirte Martin jenen ſchmutzigen Bündel, und bald diente dasſelbe ſtatt eines Vorhängſchloſſes, denn Geſtank und Ekel trieb auf zwanzig Schritte Diſtanz jeden Menſchen aus dem Umkreis; zum Hineintreten war außer Martin ſelbſt Einer der Unſrigen nie zu bewegen. In¬ zwiſchen vermehrte der Deutſche dieſen Schatz noch täglich mit allen Lumpen, die er habhaft werden konnte; zerfetzte Kleider, abgelegte Hoſen, vernutzte Strümpfe, das Alles ſammelte er wie toll zuſammen und hinterlegte es in ſeiner Depoſitenbank. Sonſt waren wir mit dem Manne ganz gut zufrieden, er arbeitete fleißig und umſichtig, verſtand die Landwirthſchaft vortrefflich und wo ſie vom deutſchen Style abwich, zeigte er ſich ganz beſonders aufmerkſam, die Urſache davon zu begreifen und zu lernen was zu lernen war. Dabei erlaubten ihm ſeine Begriffe von häuslicher Oekonomie kein einziges Mal, ſich vom Hauſe zu entfernen, obwohl ihm mein Vater wiederholt die Freiheit einräumte, ſein Weib zu beſuchen. Wozu die Schuhe zerreißen? war D. B. VIII. Der Amerika-Müde. 19

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Zitationshilfe: Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/307>, abgerufen am 22.11.2024.