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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855.

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(sie schlägt) du kleiner Satan! -- Ei, Härriett, was hat denn das
Kind gethan? Du bist wahrhaftig zu schnell. -- Ich wollt, Mister
Schnuck, du thätst deine eigne Büßnes meinten; du bekümmerst dir
allsfort, um was dir nichts angeht. -- Wäll, Härriett, ich möchte
wissen, wer ein besseres Recht hat als ich? Du zankst und maulst ja
auch immerwährend. -- Däddi, Tschanni zerreißt Eure Zeitung zu
Stücken. -- Tschanni, komm her. Wie kannst du dich unterstehen,
meine Zeitung zu zerreißen? Da, du Räskel! wie schmeckt das? Und
nau pack dich ins Nest. -- Ei William, du Bösewicht, wie kannst du
mein Kind so unvernünftig schlagen? Komm her, Tschanni, armes
Kind! hats weh gethut? never min; da, da nimm ein Stück Zucker;
so, das is'n schmär Bübchen. -- Härriett, ich will dir sagen, du ver¬
dirbst die Kinder ganz und gar. Du weißt, ich mittle mich niemals
drein, wenn du ein Kind bestrafst. Es ist erstaunlich, was ein Weibs¬
mensch niemals Recht thun kann. -- Nie Recht thun? Wahrhaftig,
Mister Schnuck, wenn Niemand hier im Hause recht thäte als du, so
wundere ich, was am Ende aus uns werden sollte. -- Härriett, du
sprichst wie ein Narr, ich wills nicht länger ständen. Du bist an¬
fangens so schnappisch und beißig, wie 'ne Bschidog, und wenn noch
irgend eine Ehescheidung im Land zu haben ist, will ich sie haben. --
Halloh, was das Männchen so wüthig ist! Well, gute Nacht, Mister
Schnuck, träume nichts Böses. --

Kannst du dir in dieser Sprache einen Dichter denken? Eine Na¬
tionalität aber, die keiner Dichter fähig ist, gleicht einem Baum, der
keine Blüthen treibt. Sie ist abgestorben. Das ist der Fall mit dem
Pennsylvania-Deutschthum.

Nimm mir diesen Brief nicht übel, lieber Bruder. Sein ganzer
Inhalt zeugt gegen dein Ideal. Aber nicht wahr, wir sind nach
Wahrheit ausgegangen?


Harrisburg. -- Mein Pferd ist gekauft. Ich bin mit meinem
Entschlusse vortrefflich zufrieden. Das Reiten hat etwas Auf¬
heiterndes, Idealisches, Dramatisches, -- es ist die schönste Scene
zwischen Mensch und Natur. Mein Brauner ist ein leichter und kräf¬
tiger Traber, echtes Racepferd, nur die Schule fehlt etwas; der

(ſie ſchlägt) du kleiner Satan! — Ei, Härriett, was hat denn das
Kind gethan? Du biſt wahrhaftig zu ſchnell. — Ich wollt, Miſter
Schnuck, du thätſt deine eigne Büßnes meinten; du bekümmerſt dir
allsfort, um was dir nichts angeht. — Wäll, Härriett, ich möchte
wiſſen, wer ein beſſeres Recht hat als ich? Du zankſt und maulſt ja
auch immerwährend. — Däddi, Tſchanni zerreißt Eure Zeitung zu
Stücken. — Tſchanni, komm her. Wie kannſt du dich unterſtehen,
meine Zeitung zu zerreißen? Da, du Räskel! wie ſchmeckt das? Und
nau pack dich ins Neſt. — Ei William, du Böſewicht, wie kannſt du
mein Kind ſo unvernünftig ſchlagen? Komm her, Tſchanni, armes
Kind! hats weh gethut? never min; da, da nimm ein Stück Zucker;
ſo, das is'n ſchmär Bübchen. — Härriett, ich will dir ſagen, du ver¬
dirbſt die Kinder ganz und gar. Du weißt, ich mittle mich niemals
drein, wenn du ein Kind beſtrafſt. Es iſt erſtaunlich, was ein Weibs¬
menſch niemals Recht thun kann. — Nie Recht thun? Wahrhaftig,
Miſter Schnuck, wenn Niemand hier im Hauſe recht thäte als du, ſo
wundere ich, was am Ende aus uns werden ſollte. — Härriett, du
ſprichſt wie ein Narr, ich wills nicht länger ſtänden. Du biſt an¬
fangens ſo ſchnappiſch und beißig, wie 'ne Bſchidog, und wenn noch
irgend eine Eheſcheidung im Land zu haben iſt, will ich ſie haben. —
Halloh, was das Männchen ſo wüthig iſt! Well, gute Nacht, Miſter
Schnuck, träume nichts Böſes. —

Kannſt du dir in dieſer Sprache einen Dichter denken? Eine Na¬
tionalität aber, die keiner Dichter fähig iſt, gleicht einem Baum, der
keine Blüthen treibt. Sie iſt abgeſtorben. Das iſt der Fall mit dem
Pennſylvania-Deutſchthum.

Nimm mir dieſen Brief nicht übel, lieber Bruder. Sein ganzer
Inhalt zeugt gegen dein Ideal. Aber nicht wahr, wir ſind nach
Wahrheit ausgegangen?


Harrisburg. — Mein Pferd iſt gekauft. Ich bin mit meinem
Entſchluſſe vortrefflich zufrieden. Das Reiten hat etwas Auf¬
heiterndes, Idealiſches, Dramatiſches, — es iſt die ſchönſte Scene
zwiſchen Menſch und Natur. Mein Brauner iſt ein leichter und kräf¬
tiger Traber, echtes Racepferd, nur die Schule fehlt etwas; der

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[281/0299] (ſie ſchlägt) du kleiner Satan! — Ei, Härriett, was hat denn das Kind gethan? Du biſt wahrhaftig zu ſchnell. — Ich wollt, Miſter Schnuck, du thätſt deine eigne Büßnes meinten; du bekümmerſt dir allsfort, um was dir nichts angeht. — Wäll, Härriett, ich möchte wiſſen, wer ein beſſeres Recht hat als ich? Du zankſt und maulſt ja auch immerwährend. — Däddi, Tſchanni zerreißt Eure Zeitung zu Stücken. — Tſchanni, komm her. Wie kannſt du dich unterſtehen, meine Zeitung zu zerreißen? Da, du Räskel! wie ſchmeckt das? Und nau pack dich ins Neſt. — Ei William, du Böſewicht, wie kannſt du mein Kind ſo unvernünftig ſchlagen? Komm her, Tſchanni, armes Kind! hats weh gethut? never min; da, da nimm ein Stück Zucker; ſo, das is'n ſchmär Bübchen. — Härriett, ich will dir ſagen, du ver¬ dirbſt die Kinder ganz und gar. Du weißt, ich mittle mich niemals drein, wenn du ein Kind beſtrafſt. Es iſt erſtaunlich, was ein Weibs¬ menſch niemals Recht thun kann. — Nie Recht thun? Wahrhaftig, Miſter Schnuck, wenn Niemand hier im Hauſe recht thäte als du, ſo wundere ich, was am Ende aus uns werden ſollte. — Härriett, du ſprichſt wie ein Narr, ich wills nicht länger ſtänden. Du biſt an¬ fangens ſo ſchnappiſch und beißig, wie 'ne Bſchidog, und wenn noch irgend eine Eheſcheidung im Land zu haben iſt, will ich ſie haben. — Halloh, was das Männchen ſo wüthig iſt! Well, gute Nacht, Miſter Schnuck, träume nichts Böſes. — Kannſt du dir in dieſer Sprache einen Dichter denken? Eine Na¬ tionalität aber, die keiner Dichter fähig iſt, gleicht einem Baum, der keine Blüthen treibt. Sie iſt abgeſtorben. Das iſt der Fall mit dem Pennſylvania-Deutſchthum. Nimm mir dieſen Brief nicht übel, lieber Bruder. Sein ganzer Inhalt zeugt gegen dein Ideal. Aber nicht wahr, wir ſind nach Wahrheit ausgegangen? Harrisburg. — Mein Pferd iſt gekauft. Ich bin mit meinem Entſchluſſe vortrefflich zufrieden. Das Reiten hat etwas Auf¬ heiterndes, Idealiſches, Dramatiſches, — es iſt die ſchönſte Scene zwiſchen Menſch und Natur. Mein Brauner iſt ein leichter und kräf¬ tiger Traber, echtes Racepferd, nur die Schule fehlt etwas; der

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Zitationshilfe: Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/299>, abgerufen am 22.11.2024.