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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855.

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ersetzt. Als die karthaginiensischen Frauen aus ihren Kopfhaaren
Bogensehnen flechten ließen, als die polnischen Großen die silbernen
Särge ihrer Ahnen in die Münze schickten, leisteten sie das Opfer
bewußt, der Staat brauchte ihnen nicht Papierwerthe dafür vorzu¬
spiegeln. Aber das sind Ausnahmsfälle der Begeisterung, der Ver¬
zweiflung, wenn Sie wollen, und in der Regel wird der Krieg von
denen, die er vertheidigt, die Mittel ihrer Vertheidigung nicht anders
erhalten können, als indem er sie ihnen scheinbar vergütet, bis sie
den wirklichen Verlust kennen lernen, da sie dann freilich betrogen,
aber auch gerettet sind. Dies der Krieg. Aber herrscht in diesem Lande
beständig Krieg? Leben Sie in einem Krieg mit sich selbst, meine Herren?
Bei Gott, so ist es. Sie führen einen Krieg der Reichen gegen die
Armen, nein, nicht einmal das! denn in Michigan weiß ich eine Bank,
deren ganzes Vermögen in den Metallplatten besteht, womit sie ihre
Noten druckt, und in Missouri weiß ich eine andere, deren Baarfond
ein einziger Dollar ist! Michigan und Missouri sind aufstrebende
Staaten, Staateneier wie sie hier Landes vor der Hälfte der Brutzeit
die Schale sprengen, es koste was es wolle. Und wahrlich eine Metall¬
platte zum Banknotenpressen kostet blutwenig. Ist erst der Strom
der Ansiedler da, jene unglücklichen Helotenschwärme von deut¬
schen und irischen Einwanderern, die mit einem zerrissenen Zeltwagen,
einem Pferdegerippe, zwei harten Männerfäusten und sechs hungernden
Familienmägen auf tausend Meilen von der Cultur wegagentirt
worden sind, was bleibt ihnen anders übrig, als zu arbeiten für
Alles, was man ihnen als Geld anzubieten die Laune hat? zu arbei¬
ten für eine Handvoll jener Lumpen, deren sie selbst ihren Wagen voll
besitzen, nur daß diese noch nicht die Papiermühle passirt? So zahlen
Sie auf dem Lande, so zahlen Sie in den Städten, und indem die
papierne Lüge von Hand zu Hand geht, können Tausende von Aus¬
wanderern ihr Glück in die Heimat berichten, bis Jene zum Worte
kommen, an welchen die Execution des Bankbruchs vollzogen wird.
Leider gelangen nur Bankbrüche ersten Rangs zu einiger Oeffentlichkeit,
also daß der Ruf der Prosperität und Calamität in den Vereinigten
Staaten fortwährend ein unrichtiger ist. Ich aber, meine Herren, ich
habe den Fallissements Ihrer Banken seit dem Jahr 1811 nachgerechnet
und gefunden, daß Sie bis heute, also innerhalb einer Generation,

D.B. VIII. Der Amerika-Müde. 18

erſetzt. Als die karthaginienſiſchen Frauen aus ihren Kopfhaaren
Bogenſehnen flechten ließen, als die polniſchen Großen die ſilbernen
Särge ihrer Ahnen in die Münze ſchickten, leiſteten ſie das Opfer
bewußt, der Staat brauchte ihnen nicht Papierwerthe dafür vorzu¬
ſpiegeln. Aber das ſind Ausnahmsfälle der Begeiſterung, der Ver¬
zweiflung, wenn Sie wollen, und in der Regel wird der Krieg von
denen, die er vertheidigt, die Mittel ihrer Vertheidigung nicht anders
erhalten können, als indem er ſie ihnen ſcheinbar vergütet, bis ſie
den wirklichen Verluſt kennen lernen, da ſie dann freilich betrogen,
aber auch gerettet ſind. Dies der Krieg. Aber herrſcht in dieſem Lande
beſtändig Krieg? Leben Sie in einem Krieg mit ſich ſelbſt, meine Herren?
Bei Gott, ſo iſt es. Sie führen einen Krieg der Reichen gegen die
Armen, nein, nicht einmal das! denn in Michigan weiß ich eine Bank,
deren ganzes Vermögen in den Metallplatten beſteht, womit ſie ihre
Noten druckt, und in Miſſouri weiß ich eine andere, deren Baarfond
ein einziger Dollar iſt! Michigan und Miſſouri ſind aufſtrebende
Staaten, Staateneier wie ſie hier Landes vor der Hälfte der Brutzeit
die Schale ſprengen, es koſte was es wolle. Und wahrlich eine Metall¬
platte zum Banknotenpreſſen koſtet blutwenig. Iſt erſt der Strom
der Anſiedler da, jene unglücklichen Helotenſchwärme von deut¬
ſchen und iriſchen Einwanderern, die mit einem zerriſſenen Zeltwagen,
einem Pferdegerippe, zwei harten Männerfäuſten und ſechs hungernden
Familienmägen auf tauſend Meilen von der Cultur wegagentirt
worden ſind, was bleibt ihnen anders übrig, als zu arbeiten für
Alles, was man ihnen als Geld anzubieten die Laune hat? zu arbei¬
ten für eine Handvoll jener Lumpen, deren ſie ſelbſt ihren Wagen voll
beſitzen, nur daß dieſe noch nicht die Papiermühle paſſirt? So zahlen
Sie auf dem Lande, ſo zahlen Sie in den Städten, und indem die
papierne Lüge von Hand zu Hand geht, können Tauſende von Aus¬
wanderern ihr Glück in die Heimat berichten, bis Jene zum Worte
kommen, an welchen die Execution des Bankbruchs vollzogen wird.
Leider gelangen nur Bankbrüche erſten Rangs zu einiger Oeffentlichkeit,
alſo daß der Ruf der Prosperität und Calamität in den Vereinigten
Staaten fortwährend ein unrichtiger iſt. Ich aber, meine Herren, ich
habe den Falliſſements Ihrer Banken ſeit dem Jahr 1811 nachgerechnet
und gefunden, daß Sie bis heute, alſo innerhalb einer Generation,

D.B. VIII. Der Amerika-Müde. 18
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[273/0291] erſetzt. Als die karthaginienſiſchen Frauen aus ihren Kopfhaaren Bogenſehnen flechten ließen, als die polniſchen Großen die ſilbernen Särge ihrer Ahnen in die Münze ſchickten, leiſteten ſie das Opfer bewußt, der Staat brauchte ihnen nicht Papierwerthe dafür vorzu¬ ſpiegeln. Aber das ſind Ausnahmsfälle der Begeiſterung, der Ver¬ zweiflung, wenn Sie wollen, und in der Regel wird der Krieg von denen, die er vertheidigt, die Mittel ihrer Vertheidigung nicht anders erhalten können, als indem er ſie ihnen ſcheinbar vergütet, bis ſie den wirklichen Verluſt kennen lernen, da ſie dann freilich betrogen, aber auch gerettet ſind. Dies der Krieg. Aber herrſcht in dieſem Lande beſtändig Krieg? Leben Sie in einem Krieg mit ſich ſelbſt, meine Herren? Bei Gott, ſo iſt es. Sie führen einen Krieg der Reichen gegen die Armen, nein, nicht einmal das! denn in Michigan weiß ich eine Bank, deren ganzes Vermögen in den Metallplatten beſteht, womit ſie ihre Noten druckt, und in Miſſouri weiß ich eine andere, deren Baarfond ein einziger Dollar iſt! Michigan und Miſſouri ſind aufſtrebende Staaten, Staateneier wie ſie hier Landes vor der Hälfte der Brutzeit die Schale ſprengen, es koſte was es wolle. Und wahrlich eine Metall¬ platte zum Banknotenpreſſen koſtet blutwenig. Iſt erſt der Strom der Anſiedler da, jene unglücklichen Helotenſchwärme von deut¬ ſchen und iriſchen Einwanderern, die mit einem zerriſſenen Zeltwagen, einem Pferdegerippe, zwei harten Männerfäuſten und ſechs hungernden Familienmägen auf tauſend Meilen von der Cultur wegagentirt worden ſind, was bleibt ihnen anders übrig, als zu arbeiten für Alles, was man ihnen als Geld anzubieten die Laune hat? zu arbei¬ ten für eine Handvoll jener Lumpen, deren ſie ſelbſt ihren Wagen voll beſitzen, nur daß dieſe noch nicht die Papiermühle paſſirt? So zahlen Sie auf dem Lande, ſo zahlen Sie in den Städten, und indem die papierne Lüge von Hand zu Hand geht, können Tauſende von Aus¬ wanderern ihr Glück in die Heimat berichten, bis Jene zum Worte kommen, an welchen die Execution des Bankbruchs vollzogen wird. Leider gelangen nur Bankbrüche erſten Rangs zu einiger Oeffentlichkeit, alſo daß der Ruf der Prosperität und Calamität in den Vereinigten Staaten fortwährend ein unrichtiger iſt. Ich aber, meine Herren, ich habe den Falliſſements Ihrer Banken ſeit dem Jahr 1811 nachgerechnet und gefunden, daß Sie bis heute, alſo innerhalb einer Generation, D.B. VIII. Der Amerika-Müde. 18

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Zitationshilfe: Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/291>, abgerufen am 22.11.2024.