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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855.

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"Vergnügen", Mr. Bennet von seiner "Freude" und selbst Howland
von einem "kleinen Mißverständnisse".

Man sei im Cirkel dieses Salons, sagte er, so sehr gewohnt, die
Kunstübungen der Misses als bekannt vorauszusetzen, und namentlich
"des Schäfers Botschaft" als eine Celebrität unter den Freunden des
Hauses zu betrachten, daß der ausnahmsweise Fall mit einem Frem¬
den ihn zu einer Uebereilung verleitet. Dazu erklärte der Engländer,
dessen abnormer Gesichtsvorsprung im Kreise dieser Gruppe jetzt auch
bemerkt wurde, daß er das Versehen auf sich nähme, den neu ein¬
geführten Gast über diese Punkte im Dunkel gelassen zu haben. Ein
dringendes Motiv habe seine Aufmerksamkeit unterwegs auf das Thema
der Thier-Perfectibilität gelenkt.

Das Alles mochte nun gelten, so viel es werth war. Genug, die
Rohheit und die Narrheit hatten ihre Mission hier erfüllt. Ihrer
bedurfte es, um den Abend zu enden, wie er endete.

Das sagte sich Moorfeld, indem der beleidigende Mißklang dieser
Scene seine Seele verließ und ein Strom von goldenen Harmonien
darüber herfloß.

Den weiteren Verlauf dieses Abends übergehen wir.

Es war schon tief in der Nacht, als Moorfeld unter den dunklen
Bäumen der Battery das Haus hinter sich zurückließ, dem ein
Raphael die Form gegeben. Er sollte jetzt Geist hineintragen. Er
sollte dem Mädchen, das ihm ein Adelswappen ihres Geschlechtes
war, lehrend und bildend zur Seite stehen, sollte in der schönsten
Gruppe zu ihr stehen, die in der sinnlich-geistigen Welt denkbar ist,
weil sie die reinste und fließendste Bewegung gestattet, Sinn und
Geist in vollwirkendem Wechselverhältniß zu erfüllen.

Auf dem späten Nachhauseweg ging der abnehmende Mond über
ihm auf. Romulus und Remus! hatte ihm Moorfeld vorgestern zu¬
gerufen -- gewisse menschliche Verhältnisse haben für ewig ihre
Symbole -- Abälard und Heloise! rief er heute.


„Vergnügen“, Mr. Bennet von ſeiner „Freude“ und ſelbſt Howland
von einem „kleinen Mißverſtändniſſe“.

Man ſei im Cirkel dieſes Salons, ſagte er, ſo ſehr gewohnt, die
Kunſtübungen der Miſſes als bekannt vorauszuſetzen, und namentlich
„des Schäfers Botſchaft“ als eine Celebrität unter den Freunden des
Hauſes zu betrachten, daß der ausnahmsweiſe Fall mit einem Frem¬
den ihn zu einer Uebereilung verleitet. Dazu erklärte der Engländer,
deſſen abnormer Geſichtsvorſprung im Kreiſe dieſer Gruppe jetzt auch
bemerkt wurde, daß er das Verſehen auf ſich nähme, den neu ein¬
geführten Gaſt über dieſe Punkte im Dunkel gelaſſen zu haben. Ein
dringendes Motiv habe ſeine Aufmerkſamkeit unterwegs auf das Thema
der Thier-Perfectibilität gelenkt.

Das Alles mochte nun gelten, ſo viel es werth war. Genug, die
Rohheit und die Narrheit hatten ihre Miſſion hier erfüllt. Ihrer
bedurfte es, um den Abend zu enden, wie er endete.

Das ſagte ſich Moorfeld, indem der beleidigende Mißklang dieſer
Scene ſeine Seele verließ und ein Strom von goldenen Harmonien
darüber herfloß.

Den weiteren Verlauf dieſes Abends übergehen wir.

Es war ſchon tief in der Nacht, als Moorfeld unter den dunklen
Bäumen der Battery das Haus hinter ſich zurückließ, dem ein
Raphael die Form gegeben. Er ſollte jetzt Geiſt hineintragen. Er
ſollte dem Mädchen, das ihm ein Adelswappen ihres Geſchlechtes
war, lehrend und bildend zur Seite ſtehen, ſollte in der ſchönſten
Gruppe zu ihr ſtehen, die in der ſinnlich-geiſtigen Welt denkbar iſt,
weil ſie die reinſte und fließendſte Bewegung geſtattet, Sinn und
Geiſt in vollwirkendem Wechſelverhältniß zu erfüllen.

Auf dem ſpäten Nachhauſeweg ging der abnehmende Mond über
ihm auf. Romulus und Remus! hatte ihm Moorfeld vorgeſtern zu¬
gerufen — gewiſſe menſchliche Verhältniſſe haben für ewig ihre
Symbole — Abälard und Heloiſe! rief er heute.


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[256/0274] „Vergnügen“, Mr. Bennet von ſeiner „Freude“ und ſelbſt Howland von einem „kleinen Mißverſtändniſſe“. Man ſei im Cirkel dieſes Salons, ſagte er, ſo ſehr gewohnt, die Kunſtübungen der Miſſes als bekannt vorauszuſetzen, und namentlich „des Schäfers Botſchaft“ als eine Celebrität unter den Freunden des Hauſes zu betrachten, daß der ausnahmsweiſe Fall mit einem Frem¬ den ihn zu einer Uebereilung verleitet. Dazu erklärte der Engländer, deſſen abnormer Geſichtsvorſprung im Kreiſe dieſer Gruppe jetzt auch bemerkt wurde, daß er das Verſehen auf ſich nähme, den neu ein¬ geführten Gaſt über dieſe Punkte im Dunkel gelaſſen zu haben. Ein dringendes Motiv habe ſeine Aufmerkſamkeit unterwegs auf das Thema der Thier-Perfectibilität gelenkt. Das Alles mochte nun gelten, ſo viel es werth war. Genug, die Rohheit und die Narrheit hatten ihre Miſſion hier erfüllt. Ihrer bedurfte es, um den Abend zu enden, wie er endete. Das ſagte ſich Moorfeld, indem der beleidigende Mißklang dieſer Scene ſeine Seele verließ und ein Strom von goldenen Harmonien darüber herfloß. Den weiteren Verlauf dieſes Abends übergehen wir. Es war ſchon tief in der Nacht, als Moorfeld unter den dunklen Bäumen der Battery das Haus hinter ſich zurückließ, dem ein Raphael die Form gegeben. Er ſollte jetzt Geiſt hineintragen. Er ſollte dem Mädchen, das ihm ein Adelswappen ihres Geſchlechtes war, lehrend und bildend zur Seite ſtehen, ſollte in der ſchönſten Gruppe zu ihr ſtehen, die in der ſinnlich-geiſtigen Welt denkbar iſt, weil ſie die reinſte und fließendſte Bewegung geſtattet, Sinn und Geiſt in vollwirkendem Wechſelverhältniß zu erfüllen. Auf dem ſpäten Nachhauſeweg ging der abnehmende Mond über ihm auf. Romulus und Remus! hatte ihm Moorfeld vorgeſtern zu¬ gerufen — gewiſſe menſchliche Verhältniſſe haben für ewig ihre Symbole — Abälard und Heloiſe! rief er heute.

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Zitationshilfe: Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/274>, abgerufen am 22.11.2024.