nichts gegen diese Schändlichkeit? Und schon begegnet man sich von beiden Seiten, nirgend ein Nebenweg zum Ausbeugen, -- und dicht vor den Stirnen der jungen Schönen erhebt der Freche von Neuem seinen Ruf! Mit dem peinlichsten Gefühle verfolgt der junge Mann jetzt die Haltung der Mädchen. Die Armen! was können sie thun dem souverainen Scandal gegenüber? Die Dame rechts blickt zur Seite und faßt eifrig einen Hafenkrahn in's Auge, die mittlere verbirgt ihr Antlitz in's Taschentuch, die Dame links -- ein kleiner blonder Engel, das seraphisch-gescheitelte Lockenhaupt kaum im Drittels-Profil sichtbar -- ist es möglich, das Kind hält den Jungen an! Sie zieht ihre Börse, sie winkt mit einer Handbewegung seewärts, der Bube läuft gehorsam an den Wall der Battery, und im nächsten Augenblicke -- entladet er sein ganzes Portefeuille in's Meer. Den Zuschauer überfliegt's wie ein Strahl. Bravo Lady, das haben Sie wohl gemacht! Zwar nicht die Welt, aber doch Ihren Spaziergang konnten Sie reinigen von diesem Schmutze. Es ist geschehen. Jetzt erst blickt er aufmerksamer nach der in¬ teressanten Spaziergängerin. Leider, da ist auch das Drittels-Profil hin! Ein ältlicher Herr, dem Augenscheine nach der Klasse der höheren Tafel-Autoritäten zuzählend, schnaubt in der vornehmen Freiheit eines bequem gelüfteten Sommeranzugs heran. Sein Volumen ist das vom trojanischen Pferd. Mit dem Gruße eines intimen Hausfreundes schließt er sich der Gesellschaft an, d. h. blos sein Schatten saugt all ihre Körper auf. Namentlich die kleine blonde Lady verschwindet neben ihm, wie ein Schneeglöcklein unter der Lawine. Die ganze Gruppe entfernt sich gegen die Landseite.
Das Alles war die Scene weniger Augenblicke. Der Fremde brach auf. War es Absicht, daß er die Richtung der drei Damen einschlug, oder -- doch, was kümmert es uns? Fragt er sich doch im eigenen Selbstgespräch: was kümmert es dich! Der die Urschatten der Hinter¬ wälder sucht, sollte sich im Passiren einer Hafenstadt -- ein artiger, kleiner Charakter! Die ihre Tugend auf den Krahn hing -- und die andere mit dem Taschentuch-Feigenblatt -- es war vielleicht weiblicher -- im niederen Style, ja! Sie handelte im großen. Ueberhaupt sie handelte. Doch, -- was kümmert es dich! In Ohio wird es eines deiner Gedichte. -- Gedichte!
Ach ich habe, wie schwer! meine Gedichte bezahlt --
nichts gegen dieſe Schändlichkeit? Und ſchon begegnet man ſich von beiden Seiten, nirgend ein Nebenweg zum Ausbeugen, — und dicht vor den Stirnen der jungen Schönen erhebt der Freche von Neuem ſeinen Ruf! Mit dem peinlichſten Gefühle verfolgt der junge Mann jetzt die Haltung der Mädchen. Die Armen! was können ſie thun dem ſouverainen Scandal gegenüber? Die Dame rechts blickt zur Seite und faßt eifrig einen Hafenkrahn in's Auge, die mittlere verbirgt ihr Antlitz in's Taſchentuch, die Dame links — ein kleiner blonder Engel, das ſeraphiſch-geſcheitelte Lockenhaupt kaum im Drittels-Profil ſichtbar — iſt es möglich, das Kind hält den Jungen an! Sie zieht ihre Börſe, ſie winkt mit einer Handbewegung ſeewärts, der Bube läuft gehorſam an den Wall der Battery, und im nächſten Augenblicke — entladet er ſein ganzes Portefeuille in's Meer. Den Zuſchauer überfliegt's wie ein Strahl. Bravo Lady, das haben Sie wohl gemacht! Zwar nicht die Welt, aber doch Ihren Spaziergang konnten Sie reinigen von dieſem Schmutze. Es iſt geſchehen. Jetzt erſt blickt er aufmerkſamer nach der in¬ tereſſanten Spaziergängerin. Leider, da iſt auch das Drittels-Profil hin! Ein ältlicher Herr, dem Augenſcheine nach der Klaſſe der höheren Tafel-Autoritäten zuzählend, ſchnaubt in der vornehmen Freiheit eines bequem gelüfteten Sommeranzugs heran. Sein Volumen iſt das vom trojaniſchen Pferd. Mit dem Gruße eines intimen Hausfreundes ſchließt er ſich der Geſellſchaft an, d. h. blos ſein Schatten ſaugt all ihre Körper auf. Namentlich die kleine blonde Lady verſchwindet neben ihm, wie ein Schneeglöcklein unter der Lawine. Die ganze Gruppe entfernt ſich gegen die Landſeite.
Das Alles war die Scene weniger Augenblicke. Der Fremde brach auf. War es Abſicht, daß er die Richtung der drei Damen einſchlug, oder — doch, was kümmert es uns? Fragt er ſich doch im eigenen Selbſtgeſpräch: was kümmert es dich! Der die Urſchatten der Hinter¬ wälder ſucht, ſollte ſich im Paſſiren einer Hafenſtadt — ein artiger, kleiner Charakter! Die ihre Tugend auf den Krahn hing — und die andere mit dem Taſchentuch-Feigenblatt — es war vielleicht weiblicher — im niederen Style, ja! Sie handelte im großen. Ueberhaupt ſie handelte. Doch, — was kümmert es dich! In Ohio wird es eines deiner Gedichte. — Gedichte!
Ach ich habe, wie ſchwer! meine Gedichte bezahlt —
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nichts gegen dieſe Schändlichkeit? Und ſchon begegnet man ſich von
beiden Seiten, nirgend ein Nebenweg zum Ausbeugen, — und dicht
vor den Stirnen der jungen Schönen erhebt der Freche von Neuem
ſeinen Ruf! Mit dem peinlichſten Gefühle verfolgt der junge Mann
jetzt die Haltung der Mädchen. Die Armen! was können ſie thun
dem ſouverainen Scandal gegenüber? Die Dame rechts blickt zur Seite
und faßt eifrig einen Hafenkrahn in's Auge, die mittlere verbirgt ihr
Antlitz in's Taſchentuch, die Dame links — ein kleiner blonder Engel,
das ſeraphiſch-geſcheitelte Lockenhaupt kaum im Drittels-Profil ſichtbar
— iſt es möglich, das Kind hält den Jungen an! Sie zieht ihre Börſe,
ſie winkt mit einer Handbewegung ſeewärts, der Bube läuft gehorſam
an den Wall der Battery, und im nächſten Augenblicke — entladet er
ſein ganzes Portefeuille in's Meer. Den Zuſchauer überfliegt's wie ein
Strahl. Bravo Lady, das haben Sie wohl gemacht! Zwar nicht die
Welt, aber doch Ihren Spaziergang konnten Sie reinigen von dieſem
Schmutze. Es iſt geſchehen. Jetzt erſt blickt er aufmerkſamer nach der in¬
tereſſanten Spaziergängerin. Leider, da iſt auch das Drittels-Profil hin!
Ein ältlicher Herr, dem Augenſcheine nach der Klaſſe der höheren
Tafel-Autoritäten zuzählend, ſchnaubt in der vornehmen Freiheit eines
bequem gelüfteten Sommeranzugs heran. Sein Volumen iſt das vom
trojaniſchen Pferd. Mit dem Gruße eines intimen Hausfreundes ſchließt
er ſich der Geſellſchaft an, d. h. blos ſein Schatten ſaugt all ihre
Körper auf. Namentlich die kleine blonde Lady verſchwindet neben
ihm, wie ein Schneeglöcklein unter der Lawine. Die ganze Gruppe
entfernt ſich gegen die Landſeite.
Das Alles war die Scene weniger Augenblicke. Der Fremde brach
auf. War es Abſicht, daß er die Richtung der drei Damen einſchlug,
oder — doch, was kümmert es uns? Fragt er ſich doch im eigenen
Selbſtgeſpräch: was kümmert es dich! Der die Urſchatten der Hinter¬
wälder ſucht, ſollte ſich im Paſſiren einer Hafenſtadt — ein artiger,
kleiner Charakter! Die ihre Tugend auf den Krahn hing — und die
andere mit dem Taſchentuch-Feigenblatt — es war vielleicht weiblicher
— im niederen Style, ja! Sie handelte im großen. Ueberhaupt ſie
handelte. Doch, — was kümmert es dich! In Ohio wird es eines
deiner Gedichte. — Gedichte!
Ach ich habe, wie ſchwer! meine Gedichte bezahlt —
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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/27>, abgerufen am 21.11.2024.
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