Clärchens Entzücken über das goldene Vließ scheint mir so schlimm nicht, sagte Cöleste, indem sie mit einiger Verlegenheit die Augen niederschlug. Wir erinnern uns, daß sie selbst, nach den Worten ihres Vaters, in einem "Babel von Bagatell's" lebte.
Schlimm! antwortete Moorfeld, was könnte das köstliche Mädchen schlimm kleiden? Ihre weibliche Größe macht vielmehr diesen Contrast des Minütiösen nothwendig. Schlimm wird das Kleinliche erst, wenn die Größe dazu fehlt, oder noch besser, wenn das Kleinliche selbst wieder zu einer Art Ungeheuerlichkeit ausartet. Schlimm war gewiß jene Her¬ zogin von Buckingham. Der Herzog, ihr Gemahl, hatte in einem der Bürgerkriege Englands das politische Verbrechen begangen, sich besiegen zu lassen und wurde zum Tode verurtheilt. Er bestieg das Schaffot. Schon schwang der Nachrichter das Schwert über sein Haupt, da er¬ scheint ein Bote von Mylady. Mylady läßt ihrem Manne sagen -- es wäre doch schade, wenn seine diamantenen Hemdknöpfchen ein Erbe des Henkers würden; er möge nicht vergessen, sie im letzten Augen¬ blicke abzulösen und umgehend zurückzuschicken.
Welch ein Rabencharakter! rief Cöleste.
Und doch war das gute Weib, fuhr Moorfeld fort, vielleicht kein Monstrum von Herzlosigkeit, sondern nur von Kleinlichkeit. Sie war gewohnt, ihre Sachen in Ordnung zu halten. Sie war ein Krüppel des Detailsinns. Sie war eine Philisterin.
Cöleste blickte nachdenklich, fast in sich gekehrt. Sie sah ihre Vor¬ liebe für Bijouterientand offenbar in einem neuen Lichte; sie war in diesem Augenblicke zum erstenmale über die harmlose Mädchenliebhaberei zur Reflexion gebracht.
Mr. Howland, dem der häusliche Charakter des jungen Mädchens natürlich bekannter war, als unserm Fremden, der nur in flüchtiger Conversation davon gehört, wußte diesem Anflug von Bestürzung auch besser auf den Grund zu blicken, und glaubte davon gewinnen zu können. Jetzt, dachte er, sei der Augenblick gekommen, den lästigen Gast aus dem Felde zu schlagen. Er ergriff die Gelegenheit, sich um das beunruhigte Kind verdient zu machen und die Ausfälle auf den Nebenbuhler zu erneuern. Mit einer Siegesgewißheit, die bereits Schadenfreude selbst war, nahm er das Wort:
Clärchens Entzücken über das goldene Vließ ſcheint mir ſo ſchlimm nicht, ſagte Cöleſte, indem ſie mit einiger Verlegenheit die Augen niederſchlug. Wir erinnern uns, daß ſie ſelbſt, nach den Worten ihres Vaters, in einem „Babel von Bagatell's“ lebte.
Schlimm! antwortete Moorfeld, was könnte das köſtliche Mädchen ſchlimm kleiden? Ihre weibliche Größe macht vielmehr dieſen Contraſt des Minütiöſen nothwendig. Schlimm wird das Kleinliche erſt, wenn die Größe dazu fehlt, oder noch beſſer, wenn das Kleinliche ſelbſt wieder zu einer Art Ungeheuerlichkeit ausartet. Schlimm war gewiß jene Her¬ zogin von Buckingham. Der Herzog, ihr Gemahl, hatte in einem der Bürgerkriege Englands das politiſche Verbrechen begangen, ſich beſiegen zu laſſen und wurde zum Tode verurtheilt. Er beſtieg das Schaffot. Schon ſchwang der Nachrichter das Schwert über ſein Haupt, da er¬ ſcheint ein Bote von Mylady. Mylady läßt ihrem Manne ſagen — es wäre doch ſchade, wenn ſeine diamantenen Hemdknöpfchen ein Erbe des Henkers würden; er möge nicht vergeſſen, ſie im letzten Augen¬ blicke abzulöſen und umgehend zurückzuſchicken.
Welch ein Rabencharakter! rief Cöleſte.
Und doch war das gute Weib, fuhr Moorfeld fort, vielleicht kein Monſtrum von Herzloſigkeit, ſondern nur von Kleinlichkeit. Sie war gewohnt, ihre Sachen in Ordnung zu halten. Sie war ein Krüppel des Detailſinns. Sie war eine Philiſterin.
Cöleſte blickte nachdenklich, faſt in ſich gekehrt. Sie ſah ihre Vor¬ liebe für Bijouterientand offenbar in einem neuen Lichte; ſie war in dieſem Augenblicke zum erſtenmale über die harmloſe Mädchenliebhaberei zur Reflexion gebracht.
Mr. Howland, dem der häusliche Charakter des jungen Mädchens natürlich bekannter war, als unſerm Fremden, der nur in flüchtiger Converſation davon gehört, wußte dieſem Anflug von Beſtürzung auch beſſer auf den Grund zu blicken, und glaubte davon gewinnen zu können. Jetzt, dachte er, ſei der Augenblick gekommen, den läſtigen Gaſt aus dem Felde zu ſchlagen. Er ergriff die Gelegenheit, ſich um das beunruhigte Kind verdient zu machen und die Ausfälle auf den Nebenbuhler zu erneuern. Mit einer Siegesgewißheit, die bereits Schadenfreude ſelbſt war, nahm er das Wort:
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Clärchens Entzücken über das goldene Vließ ſcheint mir ſo ſchlimm
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niederſchlug. Wir erinnern uns, daß ſie ſelbſt, nach den Worten ihres
Vaters, in einem „Babel von Bagatell's“ lebte.
Schlimm! antwortete Moorfeld, was könnte das köſtliche Mädchen
ſchlimm kleiden? Ihre weibliche Größe macht vielmehr dieſen Contraſt
des Minütiöſen nothwendig. Schlimm wird das Kleinliche erſt, wenn
die Größe dazu fehlt, oder noch beſſer, wenn das Kleinliche ſelbſt wieder
zu einer Art Ungeheuerlichkeit ausartet. Schlimm war gewiß jene Her¬
zogin von Buckingham. Der Herzog, ihr Gemahl, hatte in einem der
Bürgerkriege Englands das politiſche Verbrechen begangen, ſich beſiegen
zu laſſen und wurde zum Tode verurtheilt. Er beſtieg das Schaffot.
Schon ſchwang der Nachrichter das Schwert über ſein Haupt, da er¬
ſcheint ein Bote von Mylady. Mylady läßt ihrem Manne ſagen —
es wäre doch ſchade, wenn ſeine diamantenen Hemdknöpfchen ein Erbe
des Henkers würden; er möge nicht vergeſſen, ſie im letzten Augen¬
blicke abzulöſen und umgehend zurückzuſchicken.
Welch ein Rabencharakter! rief Cöleſte.
Und doch war das gute Weib, fuhr Moorfeld fort, vielleicht kein
Monſtrum von Herzloſigkeit, ſondern nur von Kleinlichkeit. Sie war
gewohnt, ihre Sachen in Ordnung zu halten. Sie war ein Krüppel
des Detailſinns. Sie war eine Philiſterin.
Cöleſte blickte nachdenklich, faſt in ſich gekehrt. Sie ſah ihre Vor¬
liebe für Bijouterientand offenbar in einem neuen Lichte; ſie war in
dieſem Augenblicke zum erſtenmale über die harmloſe Mädchenliebhaberei
zur Reflexion gebracht.
Mr. Howland, dem der häusliche Charakter des jungen Mädchens
natürlich bekannter war, als unſerm Fremden, der nur in flüchtiger
Converſation davon gehört, wußte dieſem Anflug von Beſtürzung auch
beſſer auf den Grund zu blicken, und glaubte davon gewinnen zu
können. Jetzt, dachte er, ſei der Augenblick gekommen, den läſtigen
Gaſt aus dem Felde zu ſchlagen. Er ergriff die Gelegenheit, ſich um
das beunruhigte Kind verdient zu machen und die Ausfälle auf den
Nebenbuhler zu erneuern. Mit einer Siegesgewißheit, die bereits
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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/262>, abgerufen am 22.11.2024.
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