Geschosse entgegen. Aber eine schwüle Atmosphäre, ein narkotischer Duftnimbus zitterte mit magischen Schwingungen um den ganzen Horizont dieses Mädchens und überwand alle Seelenkräfte. Die Ruhe ihres Anblicks war orientalische Ruhe. Die Phantasie fühlte sich vor ihrem Bilde wie in ihrer Urheimath und all ihre Kulturfrüchte wuch¬ sen wild in diesem Clima. Das war das Fesselnde, das Unvergeßliche auch ihres flüchtigstens Anschaun's.
Das Mädchen erwiederte die Vorstellung Moorfeld's mit einer der üblichen Redensarten, woran sie die Frage reihte: Sie kommen aus dem alten Lande, Sir? Wie gefällt Ihnen Newyork? Die junge Amerikanerin that diese Frage -- deutsch.
Moorfeld antwortete sogleich mit einer Anspielung auf diesen Um¬ stand : die Stadt wendet viele Kunst daran, auf ihre Weise schön zu sein; aber es sind doch nur die schönen Schöpfungen der Natur, welche uns überall heimisch ansprechen.
Cöleste schlug das Auge nieder und gab sich Mühe, ein geschmei¬ cheltes Lächeln zu verbergen. Auch unterdrückte sie den Eindruck die¬ ser Antwort sogleich mit der neuen Frage: Kommen Sie unmittelbar aus Deutschland, Sir?
Die Snobs vermerkten mit großem Mißvergnügen die Absicht ihrer Huldin, den Ankömmling im Gespräche festzuhalten. Sie gaben diese Seelenregung durch ein unartiges Scharren mit den Füßen zu erkennen, indem sie demselben einen Platz in ihrer Mitte einräumten. Der Engländer hatte den Tact, sich zu entfernen.
Moorfeld aber war nicht gestimmt, conventionell zu antworten. Er benutzte das Terrain der Poesie, das ihm das Gegenüber dieses reizenden Mädchens bot, und ließ den dithyrambischen Flutungen seiner Begeisterung jetzt freien Lauf.
Ich komme zunächst von Cuba, Miß, antwortete er ohne Anstand.
Von Cuba? rief Cöleste mit einem Anflug von Schwärmerei -- ah, wie herrlich! Da haben Sie die Perle der Welt gesehen!
Ich gehe seitdem wie mit einem Gefolge unsichtbarer Genien. Die Bilder, die Schatten dieses Paradieses sind eine selige Begleitung auf jedem meiner Schritte. Noch umwölben mich -- doch ich bin egoistisch. Warum soll sich dieser Saal nicht in einen Salon de verdure verwandeln, der die Königin der Antillen uns vergegen¬
Geſchoſſe entgegen. Aber eine ſchwüle Atmoſphäre, ein narkotiſcher Duftnimbus zitterte mit magiſchen Schwingungen um den ganzen Horizont dieſes Mädchens und überwand alle Seelenkräfte. Die Ruhe ihres Anblicks war orientaliſche Ruhe. Die Phantaſie fühlte ſich vor ihrem Bilde wie in ihrer Urheimath und all ihre Kulturfrüchte wuch¬ ſen wild in dieſem Clima. Das war das Feſſelnde, das Unvergeßliche auch ihres flüchtigſtens Anſchaun's.
Das Mädchen erwiederte die Vorſtellung Moorfeld's mit einer der üblichen Redensarten, woran ſie die Frage reihte: Sie kommen aus dem alten Lande, Sir? Wie gefällt Ihnen Newyork? Die junge Amerikanerin that dieſe Frage — deutſch.
Moorfeld antwortete ſogleich mit einer Anſpielung auf dieſen Um¬ ſtand : die Stadt wendet viele Kunſt daran, auf ihre Weiſe ſchön zu ſein; aber es ſind doch nur die ſchönen Schöpfungen der Natur, welche uns überall heimiſch anſprechen.
Cöleſte ſchlug das Auge nieder und gab ſich Mühe, ein geſchmei¬ cheltes Lächeln zu verbergen. Auch unterdrückte ſie den Eindruck die¬ ſer Antwort ſogleich mit der neuen Frage: Kommen Sie unmittelbar aus Deutſchland, Sir?
Die Snobs vermerkten mit großem Mißvergnügen die Abſicht ihrer Huldin, den Ankömmling im Geſpräche feſtzuhalten. Sie gaben dieſe Seelenregung durch ein unartiges Scharren mit den Füßen zu erkennen, indem ſie demſelben einen Platz in ihrer Mitte einräumten. Der Engländer hatte den Tact, ſich zu entfernen.
Moorfeld aber war nicht geſtimmt, conventionell zu antworten. Er benutzte das Terrain der Poeſie, das ihm das Gegenüber dieſes reizenden Mädchens bot, und ließ den dithyrambiſchen Flutungen ſeiner Begeiſterung jetzt freien Lauf.
Ich komme zunächſt von Cuba, Miß, antwortete er ohne Anſtand.
Von Cuba? rief Cöleſte mit einem Anflug von Schwärmerei — ah, wie herrlich! Da haben Sie die Perle der Welt geſehen!
Ich gehe ſeitdem wie mit einem Gefolge unſichtbarer Genien. Die Bilder, die Schatten dieſes Paradieſes ſind eine ſelige Begleitung auf jedem meiner Schritte. Noch umwölben mich — doch ich bin egoiſtiſch. Warum ſoll ſich dieſer Saal nicht in einen Salon de verdure verwandeln, der die Königin der Antillen uns vergegen¬
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Geſchoſſe entgegen. Aber eine ſchwüle Atmoſphäre, ein narkotiſcher
Duftnimbus zitterte mit magiſchen Schwingungen um den ganzen
Horizont dieſes Mädchens und überwand alle Seelenkräfte. Die Ruhe
ihres Anblicks war orientaliſche Ruhe. Die Phantaſie fühlte ſich vor
ihrem Bilde wie in ihrer Urheimath und all ihre Kulturfrüchte wuch¬
ſen wild in dieſem Clima. Das war das Feſſelnde, das Unvergeßliche
auch ihres flüchtigſtens Anſchaun's.
Das Mädchen erwiederte die Vorſtellung Moorfeld's mit einer
der üblichen Redensarten, woran ſie die Frage reihte: Sie kommen
aus dem alten Lande, Sir? Wie gefällt Ihnen Newyork? Die
junge Amerikanerin that dieſe Frage — deutſch.
Moorfeld antwortete ſogleich mit einer Anſpielung auf dieſen Um¬
ſtand : die Stadt wendet viele Kunſt daran, auf ihre Weiſe ſchön zu
ſein; aber es ſind doch nur die ſchönen Schöpfungen der Natur,
welche uns überall heimiſch anſprechen.
Cöleſte ſchlug das Auge nieder und gab ſich Mühe, ein geſchmei¬
cheltes Lächeln zu verbergen. Auch unterdrückte ſie den Eindruck die¬
ſer Antwort ſogleich mit der neuen Frage: Kommen Sie unmittelbar
aus Deutſchland, Sir?
Die Snobs vermerkten mit großem Mißvergnügen die Abſicht
ihrer Huldin, den Ankömmling im Geſpräche feſtzuhalten. Sie gaben
dieſe Seelenregung durch ein unartiges Scharren mit den Füßen zu
erkennen, indem ſie demſelben einen Platz in ihrer Mitte einräumten.
Der Engländer hatte den Tact, ſich zu entfernen.
Moorfeld aber war nicht geſtimmt, conventionell zu antworten.
Er benutzte das Terrain der Poeſie, das ihm das Gegenüber dieſes
reizenden Mädchens bot, und ließ den dithyrambiſchen Flutungen
ſeiner Begeiſterung jetzt freien Lauf.
Ich komme zunächſt von Cuba, Miß, antwortete er ohne Anſtand.
Von Cuba? rief Cöleſte mit einem Anflug von Schwärmerei —
ah, wie herrlich! Da haben Sie die Perle der Welt geſehen!
Ich gehe ſeitdem wie mit einem Gefolge unſichtbarer Genien.
Die Bilder, die Schatten dieſes Paradieſes ſind eine ſelige Begleitung
auf jedem meiner Schritte. Noch umwölben mich — doch ich bin
egoiſtiſch. Warum ſoll ſich dieſer Saal nicht in einen Salon de
verdure verwandeln, der die Königin der Antillen uns vergegen¬
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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/250>, abgerufen am 22.11.2024.
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