beutete das originelle Volksthum Oncle Sams in zahllosen Charakter¬ zügen aus: von vielen derselben erkannte Moorfeld wohl, daß sie zu jenen gestempelten gehörten, dergleichen jede Nation als stehende Symbole ihres Begriffes aufzuweisen hat. Andere aber waren unmittelbare, rein persönliche Erlebnisse. Mr. Bennet erzählte z. B., er habe in Rom eine Parthie alter kostbarer Italiener verpackt, als über dieser Arbeit ein Yankee aus Connecticut in's Bureau des Spediteurs trat. Ei, ei, Mister, rief er sogleich, ich rathe, Ihr werdet da ein dickes Stück Geld Eingangszoll bezahlen; Oelgemälde bezahlen doch Zoll, das wißt Ihr. Aber was thut's? Ofenschirme bezahlen keinen. Nun, Mister, ich wäre meines Vaters schlechtester Sohn, rathe ich, wenn ich nicht eine Auflösung aus Kalk oder Leim nähme, und den ganzen Krickelkrackel damit übertünchte. Verdammt seien meine Augen, ich importirte das Zeug wahrhaftig unter Ofenschirm-Declaration; an Ort und Stelle ließe sich der Anstrich ja wieder ablösen. Das thät' ich, oder ich will nicht mehr weiß spucken, Mister. Und in der That be¬ griff der smart-man aus Connecticut nicht, was mich abhielt, seinen vortrefflichen Rath zu befolgen.
Von der naiven Roheit des amerikanischen Kunstgefühls erzählte Moorfeld, der diese Saite nicht stärker berühren mochte, als er sonst wohl gekonnt, jenen artigen Zug aus der ersten Stunde seines Landens, da er ein Kinder-Träubchen in die Mitte zweier spielender Neger- Orchester sich stellen sah, weil sie "zwei Musik" hören wollten.
Der gelehrte Doctor Griswold ließ den stets verehrten Ton seiner dünnen Kinderstimme hören und sagte: Von diesem Thema können wir nicht sprechen, ohne des unsterblichen Factums zu gedenken, daß eine ganze Nation ein Spottlied auf sich selbst in Text und Musik verkennt und es zu ihrer National-Hymne macht. In einem satyrischen Schlagworte, Parteinamen u. dgl. sich selbst zu ironisiren, ist be¬ kanntlich ein historischer Lieblingszug der Völker: aber Satyre und Ironie gar nicht zu merken, das konnte nur unserm Bruder Jonathan passiren. Ich spreche von dem Ursprunge des Yankee-Doodle. Sie wissen, meine Herren, wie lange uns dieser Ursprung apokryphisch war, und heute noch weiß man im größeren Publikum nicht, welcher der vielen Versionen darüber man die historische Aechtheit zusprechen soll. Authentisch aber ist folgende Version: Im Anfange des Jahres
beutete das originelle Volksthum Oncle Sams in zahlloſen Charakter¬ zügen aus: von vielen derſelben erkannte Moorfeld wohl, daß ſie zu jenen geſtempelten gehörten, dergleichen jede Nation als ſtehende Symbole ihres Begriffes aufzuweiſen hat. Andere aber waren unmittelbare, rein perſönliche Erlebniſſe. Mr. Bennet erzählte z. B., er habe in Rom eine Parthie alter koſtbarer Italiener verpackt, als über dieſer Arbeit ein Yankee aus Connecticut in's Bureau des Spediteurs trat. Ei, ei, Miſter, rief er ſogleich, ich rathe, Ihr werdet da ein dickes Stück Geld Eingangszoll bezahlen; Oelgemälde bezahlen doch Zoll, das wißt Ihr. Aber was thut's? Ofenſchirme bezahlen keinen. Nun, Miſter, ich wäre meines Vaters ſchlechteſter Sohn, rathe ich, wenn ich nicht eine Auflöſung aus Kalk oder Leim nähme, und den ganzen Krickelkrackel damit übertünchte. Verdammt ſeien meine Augen, ich importirte das Zeug wahrhaftig unter Ofenſchirm-Declaration; an Ort und Stelle ließe ſich der Anſtrich ja wieder ablöſen. Das thät' ich, oder ich will nicht mehr weiß ſpucken, Miſter. Und in der That be¬ griff der smart-man aus Connecticut nicht, was mich abhielt, ſeinen vortrefflichen Rath zu befolgen.
Von der naiven Roheit des amerikaniſchen Kunſtgefühls erzählte Moorfeld, der dieſe Saite nicht ſtärker berühren mochte, als er ſonſt wohl gekonnt, jenen artigen Zug aus der erſten Stunde ſeines Landens, da er ein Kinder-Träubchen in die Mitte zweier ſpielender Neger- Orcheſter ſich ſtellen ſah, weil ſie „zwei Muſik“ hören wollten.
Der gelehrte Doctor Griswold ließ den ſtets verehrten Ton ſeiner dünnen Kinderſtimme hören und ſagte: Von dieſem Thema können wir nicht ſprechen, ohne des unſterblichen Factums zu gedenken, daß eine ganze Nation ein Spottlied auf ſich ſelbſt in Text und Muſik verkennt und es zu ihrer National-Hymne macht. In einem ſatyriſchen Schlagworte, Parteinamen u. dgl. ſich ſelbſt zu ironiſiren, iſt be¬ kanntlich ein hiſtoriſcher Lieblingszug der Völker: aber Satyre und Ironie gar nicht zu merken, das konnte nur unſerm Bruder Jonathan paſſiren. Ich ſpreche von dem Urſprunge des Yankee-Doodle. Sie wiſſen, meine Herren, wie lange uns dieſer Urſprung apokryphiſch war, und heute noch weiß man im größeren Publikum nicht, welcher der vielen Verſionen darüber man die hiſtoriſche Aechtheit zuſprechen ſoll. Authentiſch aber iſt folgende Verſion: Im Anfange des Jahres
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0237"n="219"/>
beutete das originelle Volksthum Oncle Sams in zahlloſen Charakter¬<lb/>
zügen aus: von vielen derſelben erkannte Moorfeld wohl, daß ſie zu<lb/>
jenen geſtempelten gehörten, dergleichen jede Nation als ſtehende Symbole<lb/>
ihres Begriffes aufzuweiſen hat. Andere aber waren unmittelbare,<lb/>
rein perſönliche Erlebniſſe. Mr. Bennet erzählte z. B., er habe in<lb/>
Rom eine Parthie alter koſtbarer Italiener verpackt, als über dieſer<lb/>
Arbeit ein Yankee aus Connecticut in's Bureau des Spediteurs trat.<lb/>
Ei, ei, Miſter, rief er ſogleich, ich rathe, Ihr werdet da ein dickes<lb/>
Stück Geld Eingangszoll bezahlen; Oelgemälde bezahlen doch Zoll,<lb/>
das wißt Ihr. Aber was thut's? Ofenſchirme bezahlen keinen. Nun,<lb/>
Miſter, ich wäre meines Vaters ſchlechteſter Sohn, rathe ich, wenn ich<lb/>
nicht eine Auflöſung aus Kalk oder Leim nähme, und den ganzen<lb/>
Krickelkrackel damit übertünchte. Verdammt ſeien meine Augen, ich<lb/>
importirte das Zeug wahrhaftig unter Ofenſchirm-Declaration; an Ort<lb/>
und Stelle ließe ſich der Anſtrich ja wieder ablöſen. Das thät' ich,<lb/>
oder ich will nicht mehr weiß ſpucken, Miſter. Und in der That be¬<lb/>
griff der <hirendition="#aq">smart-man</hi> aus Connecticut nicht, was mich abhielt, ſeinen<lb/>
vortrefflichen Rath zu befolgen.</p><lb/><p>Von der naiven Roheit des amerikaniſchen Kunſtgefühls erzählte<lb/>
Moorfeld, der dieſe Saite nicht ſtärker berühren mochte, als er ſonſt<lb/>
wohl gekonnt, jenen artigen Zug aus der erſten Stunde ſeines Landens,<lb/>
da er ein Kinder-Träubchen in die Mitte zweier ſpielender Neger-<lb/>
Orcheſter ſich ſtellen ſah, weil ſie „zwei Muſik“ hören wollten.</p><lb/><p>Der gelehrte Doctor Griswold ließ den ſtets verehrten Ton ſeiner<lb/>
dünnen Kinderſtimme hören und ſagte: Von dieſem Thema können<lb/>
wir nicht ſprechen, ohne des unſterblichen Factums zu gedenken, daß<lb/>
eine ganze Nation ein Spottlied auf ſich ſelbſt in Text und Muſik<lb/>
verkennt und es zu ihrer National-Hymne macht. In einem ſatyriſchen<lb/>
Schlagworte, Parteinamen u. dgl. ſich ſelbſt zu ironiſiren, iſt be¬<lb/>
kanntlich ein hiſtoriſcher Lieblingszug der Völker: aber Satyre und<lb/>
Ironie gar nicht zu merken, das konnte nur unſerm Bruder Jonathan<lb/>
paſſiren. Ich ſpreche von dem Urſprunge des <hirendition="#aq">Yankee-Doodle.</hi> Sie<lb/>
wiſſen, meine Herren, wie lange uns dieſer Urſprung apokryphiſch<lb/>
war, und heute noch weiß man im größeren Publikum nicht, welcher<lb/>
der vielen Verſionen darüber man die hiſtoriſche Aechtheit zuſprechen<lb/>ſoll. Authentiſch aber iſt folgende Verſion: Im Anfange des Jahres<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[219/0237]
beutete das originelle Volksthum Oncle Sams in zahlloſen Charakter¬
zügen aus: von vielen derſelben erkannte Moorfeld wohl, daß ſie zu
jenen geſtempelten gehörten, dergleichen jede Nation als ſtehende Symbole
ihres Begriffes aufzuweiſen hat. Andere aber waren unmittelbare,
rein perſönliche Erlebniſſe. Mr. Bennet erzählte z. B., er habe in
Rom eine Parthie alter koſtbarer Italiener verpackt, als über dieſer
Arbeit ein Yankee aus Connecticut in's Bureau des Spediteurs trat.
Ei, ei, Miſter, rief er ſogleich, ich rathe, Ihr werdet da ein dickes
Stück Geld Eingangszoll bezahlen; Oelgemälde bezahlen doch Zoll,
das wißt Ihr. Aber was thut's? Ofenſchirme bezahlen keinen. Nun,
Miſter, ich wäre meines Vaters ſchlechteſter Sohn, rathe ich, wenn ich
nicht eine Auflöſung aus Kalk oder Leim nähme, und den ganzen
Krickelkrackel damit übertünchte. Verdammt ſeien meine Augen, ich
importirte das Zeug wahrhaftig unter Ofenſchirm-Declaration; an Ort
und Stelle ließe ſich der Anſtrich ja wieder ablöſen. Das thät' ich,
oder ich will nicht mehr weiß ſpucken, Miſter. Und in der That be¬
griff der smart-man aus Connecticut nicht, was mich abhielt, ſeinen
vortrefflichen Rath zu befolgen.
Von der naiven Roheit des amerikaniſchen Kunſtgefühls erzählte
Moorfeld, der dieſe Saite nicht ſtärker berühren mochte, als er ſonſt
wohl gekonnt, jenen artigen Zug aus der erſten Stunde ſeines Landens,
da er ein Kinder-Träubchen in die Mitte zweier ſpielender Neger-
Orcheſter ſich ſtellen ſah, weil ſie „zwei Muſik“ hören wollten.
Der gelehrte Doctor Griswold ließ den ſtets verehrten Ton ſeiner
dünnen Kinderſtimme hören und ſagte: Von dieſem Thema können
wir nicht ſprechen, ohne des unſterblichen Factums zu gedenken, daß
eine ganze Nation ein Spottlied auf ſich ſelbſt in Text und Muſik
verkennt und es zu ihrer National-Hymne macht. In einem ſatyriſchen
Schlagworte, Parteinamen u. dgl. ſich ſelbſt zu ironiſiren, iſt be¬
kanntlich ein hiſtoriſcher Lieblingszug der Völker: aber Satyre und
Ironie gar nicht zu merken, das konnte nur unſerm Bruder Jonathan
paſſiren. Ich ſpreche von dem Urſprunge des Yankee-Doodle. Sie
wiſſen, meine Herren, wie lange uns dieſer Urſprung apokryphiſch
war, und heute noch weiß man im größeren Publikum nicht, welcher
der vielen Verſionen darüber man die hiſtoriſche Aechtheit zuſprechen
ſoll. Authentiſch aber iſt folgende Verſion: Im Anfange des Jahres
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/237>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.