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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855.

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glänzendsten Matinees des vorigen Präsidenten in Washington und
Mädchen und Frauen die wünschenswertheste Menge anwesend.
Sie waren da mit ihren Herren Brüdern, Vettern, Ehegatten, Sena¬
toren, Offizieren, Staatsbeamten aller Grade und Würden. Den
Reiz der Gesellschaft erhöhte ein Indianer-Häuptling, eine rothhäutige
Majestät aus dem Westen, ein wild-malerischer Kriegsgott. Er war
auch der Abgott manch schönen Augenpaars, das die Salonfähigkeit
dieses romantischen Mitmenschen gewiß nicht bezweifelte. All men
are equal!
Der Präsident führte seine Gäste in den Sälen herum und
ließ sie die Sehenswürdigkeiten seines Hauses in Augenschein nehmen.
Der stolze, schwarze Blick des Indianers verfolgte Alles mit lebhaftem
Antheil; jeder Cigarren-Aschbecher, jedes Feuerzeug-Etui interessirte
ihn. Endlich ging's in den Bildersaal. Hier zeigte ihm der Präsident
die Portraits unserer politischen Größen, unserer Land- und Seeheroen,
Abbildungen unserer merkwürdigsten Bau-Denkmäler, unserer schönsten
Fregatten. Unverhofft machten diese Bildwerke den geringeren Ein¬
druck auf unsern Natursohn. Nun, Krieger, sagte der Präsident ihn
bei der Hand fassend, was denkst du davon? -- Bruder, antwortete
der Häuptling, -- diese groß sind, sie leben und athmen und ganz
gegenwärtig sein; diese großen Gemälde, ich sage dir, sehr wirklich
groß sind; aber ich habe noch besser. Und dabei drehte er sich um,
bückte sich, zog seinen Mantel über den Kopf, und sagte, indem er
mit der flachen Hand sich auf die beiden Schenkel klatschte: Schau,
Bruder, hier tätowirt ist Alligator, und hier Waschbär; sind das nicht
prächtig Bild? -- Es wird mich im letzten Stündchen noch erheitern,
was im Bildersaale das selbst für ein Bild war: die kreischenden
Weiber, die lachenden Männer, die Verlegenheit des Präsidenten, die
Stellung des Indianers! Ich möchte das Bild gemalt haben, es ist
ein Symbol. Es ist das einzig richtige Bild von der amerikanischen
Gesellschaft, obgleich Genre, ein wahres Historienbild! Aber Sie sehen
wohl, meine Herren, wie nahe uns noch die Wildniß liegt, wie das
vorherrschende Kostüm unsrer Zirkel noch die Inerpressibles sein müssen,
nicht die Roben. Denn wo Frauen unsicher sind, sind sie nicht. --
Bennet fuhr fort: Wie lange nur ist es her, daß ich und einige
Gleichgesinnte den Anfang machten, die Meldung der Hausbesucher
einzuführen? Noch vor wenigen Jahren konnte man zu den ersten

glänzendſten Matinées des vorigen Präſidenten in Waſhington und
Mädchen und Frauen die wünſchenswertheſte Menge anweſend.
Sie waren da mit ihren Herren Brüdern, Vettern, Ehegatten, Sena¬
toren, Offizieren, Staatsbeamten aller Grade und Würden. Den
Reiz der Geſellſchaft erhöhte ein Indianer-Häuptling, eine rothhäutige
Majeſtät aus dem Weſten, ein wild-maleriſcher Kriegsgott. Er war
auch der Abgott manch ſchönen Augenpaars, das die Salonfähigkeit
dieſes romantiſchen Mitmenſchen gewiß nicht bezweifelte. All men
are equal!
Der Präſident führte ſeine Gäſte in den Sälen herum und
ließ ſie die Sehenswürdigkeiten ſeines Hauſes in Augenſchein nehmen.
Der ſtolze, ſchwarze Blick des Indianers verfolgte Alles mit lebhaftem
Antheil; jeder Cigarren-Aſchbecher, jedes Feuerzeug-Etui intereſſirte
ihn. Endlich ging's in den Bilderſaal. Hier zeigte ihm der Präſident
die Portraits unſerer politiſchen Größen, unſerer Land- und Seeheroen,
Abbildungen unſerer merkwürdigſten Bau-Denkmäler, unſerer ſchönſten
Fregatten. Unverhofft machten dieſe Bildwerke den geringeren Ein¬
druck auf unſern Naturſohn. Nun, Krieger, ſagte der Präſident ihn
bei der Hand faſſend, was denkſt du davon? — Bruder, antwortete
der Häuptling, — dieſe groß ſind, ſie leben und athmen und ganz
gegenwärtig ſein; dieſe großen Gemälde, ich ſage dir, ſehr wirklich
groß ſind; aber ich habe noch beſſer. Und dabei drehte er ſich um,
bückte ſich, zog ſeinen Mantel über den Kopf, und ſagte, indem er
mit der flachen Hand ſich auf die beiden Schenkel klatſchte: Schau,
Bruder, hier tätowirt iſt Alligator, und hier Waſchbär; ſind das nicht
prächtig Bild? — Es wird mich im letzten Stündchen noch erheitern,
was im Bilderſaale das ſelbſt für ein Bild war: die kreiſchenden
Weiber, die lachenden Männer, die Verlegenheit des Präſidenten, die
Stellung des Indianers! Ich möchte das Bild gemalt haben, es iſt
ein Symbol. Es iſt das einzig richtige Bild von der amerikaniſchen
Geſellſchaft, obgleich Genre, ein wahres Hiſtorienbild! Aber Sie ſehen
wohl, meine Herren, wie nahe uns noch die Wildniß liegt, wie das
vorherrſchende Koſtüm unſrer Zirkel noch die Inerpreſſibles ſein müſſen,
nicht die Roben. Denn wo Frauen unſicher ſind, ſind ſie nicht. —
Bennet fuhr fort: Wie lange nur iſt es her, daß ich und einige
Gleichgeſinnte den Anfang machten, die Meldung der Hausbeſucher
einzuführen? Noch vor wenigen Jahren konnte man zu den erſten

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[194/0212] glänzendſten Matinées des vorigen Präſidenten in Waſhington und Mädchen und Frauen die wünſchenswertheſte Menge anweſend. Sie waren da mit ihren Herren Brüdern, Vettern, Ehegatten, Sena¬ toren, Offizieren, Staatsbeamten aller Grade und Würden. Den Reiz der Geſellſchaft erhöhte ein Indianer-Häuptling, eine rothhäutige Majeſtät aus dem Weſten, ein wild-maleriſcher Kriegsgott. Er war auch der Abgott manch ſchönen Augenpaars, das die Salonfähigkeit dieſes romantiſchen Mitmenſchen gewiß nicht bezweifelte. All men are equal! Der Präſident führte ſeine Gäſte in den Sälen herum und ließ ſie die Sehenswürdigkeiten ſeines Hauſes in Augenſchein nehmen. Der ſtolze, ſchwarze Blick des Indianers verfolgte Alles mit lebhaftem Antheil; jeder Cigarren-Aſchbecher, jedes Feuerzeug-Etui intereſſirte ihn. Endlich ging's in den Bilderſaal. Hier zeigte ihm der Präſident die Portraits unſerer politiſchen Größen, unſerer Land- und Seeheroen, Abbildungen unſerer merkwürdigſten Bau-Denkmäler, unſerer ſchönſten Fregatten. Unverhofft machten dieſe Bildwerke den geringeren Ein¬ druck auf unſern Naturſohn. Nun, Krieger, ſagte der Präſident ihn bei der Hand faſſend, was denkſt du davon? — Bruder, antwortete der Häuptling, — dieſe groß ſind, ſie leben und athmen und ganz gegenwärtig ſein; dieſe großen Gemälde, ich ſage dir, ſehr wirklich groß ſind; aber ich habe noch beſſer. Und dabei drehte er ſich um, bückte ſich, zog ſeinen Mantel über den Kopf, und ſagte, indem er mit der flachen Hand ſich auf die beiden Schenkel klatſchte: Schau, Bruder, hier tätowirt iſt Alligator, und hier Waſchbär; ſind das nicht prächtig Bild? — Es wird mich im letzten Stündchen noch erheitern, was im Bilderſaale das ſelbſt für ein Bild war: die kreiſchenden Weiber, die lachenden Männer, die Verlegenheit des Präſidenten, die Stellung des Indianers! Ich möchte das Bild gemalt haben, es iſt ein Symbol. Es iſt das einzig richtige Bild von der amerikaniſchen Geſellſchaft, obgleich Genre, ein wahres Hiſtorienbild! Aber Sie ſehen wohl, meine Herren, wie nahe uns noch die Wildniß liegt, wie das vorherrſchende Koſtüm unſrer Zirkel noch die Inerpreſſibles ſein müſſen, nicht die Roben. Denn wo Frauen unſicher ſind, ſind ſie nicht. — Bennet fuhr fort: Wie lange nur iſt es her, daß ich und einige Gleichgeſinnte den Anfang machten, die Meldung der Hausbeſucher einzuführen? Noch vor wenigen Jahren konnte man zu den erſten

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Zitationshilfe: Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/212>, abgerufen am 23.11.2024.